"Alle Mittwoch und Sonnabend ist Quänger`sches Quartett."
Salon Q ist anders, aber ebenso pragmatisch strukturiert wie die "Präcisionsübungen" in Adalbert Stifters Quänger'schem Salon. Salon Q ist der zeitliche Negativabdruck der Donaueschinger Musiktage 2010. Während der Konzerte sind Automaten, Videos und Installationen in Betrieb, zwischen den Konzerten und spät nachts beleben die MusikerInnen eines Streichquartettes den Salon.
Jeder Auftritt des Streichquartetts wird von einer Bogenübung eingeleitet; am Samstag-Abend macht Salon Q eine Nachtpartie in den nahen fürstlichen Park. Salon Q ist keine stabile Klanginstallation, sondern ein ausgedehnter Vorgang – manche der Quartettübungen erstrecken sich über drei Tage und entwickeln sich langsam fort, andere wiederum erklingen kurz und nur ein einziges Mal. Man ist immer Kurzzeitzeuge und als solcher zu spät oder zu früh, auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen.
Der Salon ist Anwesenheit, dem Salon setzt man sich mit seinem Körper aus: Mein Gesicht, meine Haltung, meine Kleidung sind auf ganz andere Weise anwesend als im Konzert, wo ich, bevor die Interpreten auftreten, mit dem Saal-Licht weggeschaltet werde, gedimmt auf Horchmasse. In dem Salon muss ich selbst auftreten, ich muss über die Schwelle, hinein in die Blicke, die Mimik der anderen, samt meiner eigenen Ungereimtheit. Ich kann mich nicht in Brahms oder Feldman einhüllen und mit meinen benachbarten Brahms- oder Feldmankokons in Konzertstarre verfallen, ich muss mich verhalten im Salon: stehen, sitzen, reden, schauen und horchen.
Das Q steht natürlich für das Quartett, für Quarten und Quinten, für Quellen und Qualen und ein wenig auch für Stifters Quänger'sches Quartett, für dessen unerbittlichen Übungswillen. Aber vor allem ist der Buchstabe Q hier eine zeichenhafte Darstellung, das Piktogramm eines Streichinstruments: der gerundete "corpus" und der daran angelegte Bogen – Sinnbild für die Bipolarität, die Kurzschlusshaftigkeit des Streichinstrumentenspiels – das f-Loch ist noch nicht herausgebildet. Das Q ein auch geschlechtsneutrales Ausgangszeichen für die Zeichen ♀ und ♂, ein Ei, das gerade befruchtet wird, der Moment vor der ersten Zellteilung. Bald wird die Quappe zum Frosch, der die Bogenhaare spannt.
Salon Q macht den Raum zum Instrumentenkörper. Installationen, Materialien, Maschinen und Objekte verweisen auf Geschichte, Physik, Onomastik und Gestik der Quartettinstrumente, der Quartettmusik und des Quartettspiels. Es werden die Wurzeln, Verästelungen, Nährstoffe und Früchte des Quartetts untersucht, befragt, bewundert und belächelt: die Instrumente und ihre Verwandtschaften, die Quartettmusik und ihre sozialen Funktionen und Dysfunktionen, Komponisten und Interpreten an der Quartettklippe, die Materialien des Geigenbaus und ihre Herkunft, die bürgerliche Bildungshülle und der geile Geigenschmelz, der Bratschenwitz und das Cello in der Schenkelklemme. Das Quartett als Brutgemeinschaft, als perspektivische Vervierfachung der Geige, als inzestuöse Musik-in-ihrer-Vollkommenheit absondernde Zelle/Wabe, als Honigschleuder und als vierstimmige Spur durch "andere" Künste.
Der Salon unterhält und überbrückt. Er gibt sich nackt, ohne die Hülle des fertigen Werks, er ist ein Reflexionsfeld: dekadent, meditativ, intensiv, langweilig, virtuos, kalauernd, unmöglich, mondän, dilettantisch, subversiv, arrogant…
Das Buch "Salon Q" ist ein "coffee table book" für das Salontischchen. Ein Buch zum Blättern, in dem sich Notationen ebenso finden wie Notizen, Bilder, Literatur. Vorläufiges und Nachträgliches, Hinweise und Eingebildetes. Der Apparat zum Salon Q, eine Aura.
Das Kartenspiel QuartettQuartett – ein musikantischer Supertrumpf – stellt den Spiel- und Siegeswillen auf die Probe: eine Übung für den Hausgebrauch.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 2010
- Themen in diesem Beitrag
- Georg Nussbaumer, SALON Q Übungen mit Bögen, Haaren, Wangen, Wirbeln, Schnecken…, Performance/Installation
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