Donaueschinger Musiktage 2003 | Werkbeschreibung

Werke des Jahres 2003: "wort für wort (geraum)"

Stand
Autor/in
Antoine Beuger

In einem nicht zu großen Raum befinden sich zwei Sprecher(innen).

Sie sitzen jeweils an einem kleinen Lesetisch mit einer Tischlampe.
Außer diesen beiden Lampen gibt es keine oder kaum eine Beleuchtung.
Ein "Innenraum", fensterlos.

Die Sprecher(innen) sprechen einsilbige Wörter.
Sehr ruhig, leise, nach innen gewandt.
Kein festes Tempo, es klingen etwa vier Wörter pro Minute.

Die Wörter sind dem Buch Der Rede Dreh. Poemanderm Schlaf von Oswald Egger entnommen.

Manchmal klingen von der CD leise, stehende, elektronische Klänge.
Diese dauern jeweils acht Minuten.
Im Laufe des Stückes gibt es 64 solche Klänge.
Die benötigten CD-Spieler werden von den Sprecher(innen) bedient.

Insgesamt siebenmal liest Oswald Egger selbst aus seinem Buch, jeweils etwa eine halbe Stunde.

Dauer: 48 Stunden (Tag und Nacht)

(Nehmen Sie sich Zeit)

Antoine Beuger

Im Geraum der Geode, das mich umgibt, finde ich
mich nur dazu Mal zurecht, Mal in der Lage, imstande
zu sein, und würde über die Irrwische auf mich
zudringender Feuer und Flammen enthusiasmiert,
daß ich Gegenwarten, die ich teile, von andern trenne,
daß ich ihnen Umriß, Maß und Gestalt gebe, mithin
im Mannigfachen mir Einfalt pinsle, und sie mit
dem Gepräge eines verstrickten Sinnes, lebhaft
und zuversichtlich zeichne, die Wahrheit,

eine Tochter der Zeit, als ob diese ein Stempel des
Gewahren bleibte, ist also Wort für Wort. Hieraus
ergibt sich, daß Aug um Auge, sowie unsere Sprache
verständig allegorisieren. Allegorie – anders als mit der
Sprache sprechen, aber in der Sprache sprechen.
Indem sie nämlich Gegenwarten in Figuren stellen,
oder vielmehr nach Regeln, die eingeprägt, übersetzen,
was tun sie selbanderes als überschlagen? Es gebe
keine anderen Bewegungen als zusammengesetzte.

Auge und Ohr, die zuerst weidenden, dann teilenden
und nehmenden Sinne sind Werkzeuge des Wohl-
gefälligen, sind, in bester Gesellschaft, ins Offene
ein Hof. Das Auge wahrt – blickt – Bilder, das Ohr
malt – richtet sie auf auf Grund. Es wagen, im Schlaf
zu verweilen, sich bei ihm zu glücken und herein zu
holen und Umgang zu haben – durch ihn – mit diesem
und in jenem, darin liegt wohlbehalt das uneilfertige
Vertrauen der Poesie wiegend in sich selbst.

aus: Oswald Egger, Der Rede Dreh. Poemanderm Schlaf (Edition Howeg. Zürich. 1999)

Die Präsentation des 48-Stunden-Musikstücks

Die Aufführung von Antoine Beugers "wort für wort (geraum)" dauerte die gesamten Donaueschinger Musiktage über an. In einem 48-Stunden-Konzert im Sternensaal lasen immer zwei Sprecherinnen und Sprecherinnen Wörter aus einem Werk des Dichters Oswald Eggert.

Die Aufführung im Kopf des Rezipienten

Ein Musikstück von 48 Stunden Dauer entzieht sich in seiner Gänze notwendig der Wahrnehmung – kein Hörer kann die ganze Zeit dabei sein. Das Wissen um seine aktuelle, zeitlich gegenwärtige Aufführung gibt sich dem gerade räumlich abwesenden Rezipienten einzig als ästhetische Vorstellung. Dabei steht der unsichere Wahrheitsgehalt einer solchen projektiven Vorstellung in spannungsvollem Gegensatz zur phänomenologischen Struktur von Wahrnehmung und Vorstellung: Zu einem gegebenen Zeitpunkt kann ich zwar annehmen, dass die Aufführung andauert und sich etwas am Aufführungsort ereignet, das der (mir bekannten) Partitur folgt und/oder dem verwandt oder ähnlich ist, was ich zu einem früheren Zeitpunkt während der Aufführung wahrgenommen habe. Diese Unsicherheit verweist jedoch auf die Unsicherheit einer jeden Wahrnehmung, die mich stets täuschen kann. Die Vorstellung ist als synthetischer Akt stets Gewissheit, denn statt mir etwas über die Welt zu sagen, ist sie einzig Produkt meiner Setzungen.

Die Präsentation des 48-Stunden-Musikstücks

Die Setzungen in Antoine Beugers Entwurf für die Musik für Hunde mit dem Titel "wort für wort (geraum)" wurden im Donaueschinger Sternensaal in einem 48-Stunden-Konzert präsentiert. Zwei SprecherInnen saßen jeweils an einem kleinen Lesetisch mit einer Tischlampe. Außer diesen Lampen gab es kaum eine Beleuchtung.

Ort der Aufführung war der Sternensaal, ein fensterloser Innenraum. Die Sprecherinnen und Sprecher – immer jeweils zwei – sprachen einsilbige Wörter. Sehr ruhig, leise, nach innen gewandt und ohne festes Tempo, es erklangen etwa vier Wörter pro Minute. Die Wörter waren dem Buch "Der Rede Dreh. Poemanderm Schlaf" von Oswald Egger entnommen. Der Autor selbst saß an einem dritten Tisch und las immer wieder selbst aus seinen Gedichten – jeweils eine halbe Stunde lang. Manchmal erklangen von der CD leise, stehende, elektronische Klänge. Diese dauerten jeweils acht Minuten.

Stand
Autor/in
Antoine Beuger