Erster Band
In "Fiktive Tänze" wird ein einfaches Bewegungsmodell (eine Abfolge von zwölf Vierteln) in verschiedenen Zusammenhängen durchleuchtet. Die einzelnen Tänze beschreiben letztlich ein und dasselbe Objekt aus verschiedenen Perspektiven bzw. in verschiedenen Zuständen.
In eine Überschrift gefasst, könnte die Fragestellung folgendermaßen lauten: Wie kann sehr Unregelmäßiges scheinbar regelmäßig wirken und umgekehrt sehr Regelmäßiges scheinbar unregelmäßig? All dies vor dem Hintergrund körperlicher Bewegungsmodelle, und seien diese auch noch so stilisiert.
In "Gerader Tanz" wird das vermeintlich einfache Modell exponiert. Aber bereits in diesem ersten Tanz verschleiert die gleichmäßige Fassade lediglich die extremen Unregelmäßigkeiten im Inneren der Musik.
In "Kurzer Rausch" beginnt das Modell zu zersplittern. Die Zeitspanne von zwölf Vierteln als Rahmen bleibt zwar erhalten, diese werden nun jedoch vollkommen ungleich aufgeteilt, so dass der Puls abhanden kommt. Stattdessen bilden sich verschiedene Mikrotempi aus, die das Zeitempfinden schwanken lassen. Dadurch aber, dass das Modell als Ganzes in sich wiederholt wird, stürzt es noch nicht ein.
In Schwieriger Tanz schließlich gleicht das metrische Gerüst der zwölf Viertel nur noch einem entkernten Gebäude. Es gibt die immer gleichen Bausteine, die sich zu zwölf Vierteln formieren, ihre Anordnung hingegen ist variabel. Und zwar variabel in einer ganz besonderen Form: nie hat eines der Motive zweimal die gleichen Nachbarn. Trotz der starken Betonung des metrischen Großverlaufs der zwölf Viertel – und einer somit suggerierten Regelmäßigkeit – stimmt im Inneren gewissermaßen nichts: ein Umstand, der den Tanz schließlich kollabieren lässt.
Die dazwischen liegenden Tänze 2 und 4 sind ebenfalls eng mit dem Ausgangsmodell verknüpft. Allerdings werden hier die Muster stärker gebrochen und die einzelne, isolierte Bewegung tritt in den Vordergrund.
Der zweite Band der "Fiktiven Tänze" wird am 6. Februar 2009 vom Ensemble Intercontemporain in Paris uraufgeführt.
- Festivaljahrgänge
- Donaueschinger Musiktage 2008
- Themen in diesem Beitrag
- Arnulf Herrmann, Fiktive Tänze Erster Band für siebzehn Musiker
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