In den vergangenen Jahren aber hat das Brücken-Bauen für den 54-jährigen Fazil Say nochmal ganz andere Dimensionen angenommen – in Zeiten, wo sich ganz in unserer Nähe Länder und Völker bekriegen und wo es ganz unmittelbar bei uns notwendiger denn je erscheint, Brücken zu bauen: Brücken von Mensch zu Mensch in einer zunehmend zerrissenen Gesellschaft.
Fazil Say am Klavier: Eine eindruckvolle Symbiose
Für jeden, der den Pianisten schon mal im Konzert erlebt hat, ist das eine eindrucksvolle Symbiose. Da sitzt er, mit seiner leicht buckligen Gestalt, und beugt sich über die Tasten, als würde er in ihnen versinken wollen.
Die Musik unter seinen Händen scheint unmittelbar dem Moment zu entspringen, scheint ihm wie in einer Improvisation aus den Fingern zu fließen – und oft auch über die Lippen, wenn er innig mitsummt zu seinem Spiel.
Aber die fantastischen Gestalten, die da beim Spiel entstehen und den Raum erobern: Ihnen lauscht Fazil Say so gebannt wie wir Zuhörer – so, als seien sie schon ganz losgelöst von seinem Spiel. Es ist, als würde er sich selbst zuhören – und dabei staunen wie wir.
Fazil Say als Komponist: Niemals avantgardistisch
„Seligkeiten“: So nennt Fazil Say das, was die Musik ausdrücken kann, das, was er mit der Musik ausdrücken will. Deshalb klingt die Musik, die Fazil Say komponiert, nie abstrakt, nie avantgardistisch.
Sie will Botschaft sein, sie will sprechen, ganz ohne Worte. Sie kommt bei Fazil Say von tief innen: Sie kommt von Herzen, und sie möchte wieder zu Herzen gehen.
Als Komponist hat Say sich immer wieder gerne dem Klang der Städte seiner türkischen Heimat genähert, hat ihnen nachgespürt, der Aura ihrer Geräusche, Lichtstimmungen und Düfte. Für ihn sind diese musikalischen Städteporträts ein Stück weit auch Erinnerungsarbeit.
Fazil Say als politisch denkender Künstler
Eingemischt hat sich Fazil Say schon fast immer. Für ihn, der sich als politisch denkender Künstler versteht, eine Selbstverständlichkeit. Die Konsequenzen können machmal schmerzhaft sein, aber Fazil Say nimmt sie in Kauf. So etwa auch im vergangenen Oktober, unmittelbar nach den Terroranschlägen der Hamas gegen Israel.
Da meldet sich Say über seine Kanäle in den sozialen Medien zu Wort: Er wirft Israel Genozid vor und ergreift Partei für die Palästinenser. Die Folge: In der Schweiz, wo Say zu diesem Zeitpunkt gastieren sollte, werden alle mit ihm geplanten Konzerte kurzfristig abgesagt. Denn er hat sich schlicht die Freiheit genommen, als politischer Künstler zu sprechen, nicht als Diplomat.
Dass Fazil Say mit seinem Bekenntnis für die palästinensischen Zivilisten ausgerechnet auf einen Tweet des türkischen Präsidenten Erdoğan reagierte und ihm in dieser Sache zustimmte, war gerade das für viele Außenstehende ein Ärgernis.
Berühmt geworden mit „Alla turca Jazz“
Das Stück, das Fazil Say populär gemacht hat, war „Alla turca Jazz“, eine spielerisch-verspielte Hommage auf Mozart und dessen „Rondo alla turca“.
Da kommen bei Fazil Say Orient und Okzident zusammen, auf eine tollkühn umgekehrte Weise. Denn es ist Say, der Türke, der Mozarts „türkischer Musik“ einen kräftigen Schluck Westen einflößt und sie verquickt mit dem Jazz-Spirit.