Zwei Geheimtipps
28 Jahre jung ist Samuel Hasselhorn aus Göttingen. Er singt Bariton. Im Mai dieses Jahres hat er in Brüssel den Reine-Elisabeth-Preis gewonnen. Mit seiner neuen CD - es ist erst die zweite seines Lebens – greift er auch gleich nach den höchstdotierten Kronjuwelen der Liedkunst. Eine kleine Herbstmusik: In Erinnerung an den wunderschönen Monat Mai, in dem alle Knospen springen, beginnt der Liederzyklus „Dichterliebe“ op.48 von Robert Schumann, nach Versen von Heinrich Heine. Gesungen wurde das Lied von Samuel Hasselhorn, sein Klavierpartner: Boris Kusnezow. Diese beiden Namen sollte man sich merken!
Boris Kusnezow ist einer der Geheimtipps aus der Pianisten-Starschmiede Hannover, die Igor Levit, Severin von Eckardstein, Elisabeth Brauß und viele andere hervorgebracht hat. Er ist einer der wenigen, die sich im Aufbaustudium auf Liedbegleitung spezialisierten. Längst ist Kusnezow ein Mehrfach-Preisträger, mit seinem feinen Klangbild, der intelligenten Nuancierung, im Zusammenspiel ein gesuchter Kammermusiker. Und Hasselhorn? Dieser junge Bariton wurde wahrlich von den Musen gesegnet! Er hat eine wunderschön timbrierte Samtstimme! Und so smart geht er damit um, so geschmeidig weiß er die Dynamik zu dosieren, so eigenwillig und pointenreich gestaltet er die Phrasen und so selbstverständlich verströmt sich sein Legatofluss, in allen Lagen, dass man, wäre er nicht so jung, fast von Routine sprechen möchte.
Samuel Hasselhorn, 28, ebenfalls ausgebildet an der Musikhochschule in Hannover, gehört seit Beginn dieser Spielzeit dem Ensemble der Wiener Staatsoper an – seine erste Festanstellung. Aber er hat längst etliche Stipendien, Auszeichnungen und Opernstudios absolviert. Just in den letzten Monaten hatte Hasselhorn einen Lauf, bei dem einem vom bloßen Zugucken schwindelig werden konnte. Er holte bei allen großen Gesangswettbewerben erste Preise, von Brüssel bis Heidelberg, darunter den Emmerich-Smola-Preis „SWR Junge Opernstars“. Sein erstes Album mit Liedern von Schubert, Pfitzner und Reimann kam vor vier Jahren heraus, das versprach schon viel. Das neue Schumann-Album ist jetzt das, was man einen Wurf nennt. Kusnezow und Hasselhorn ergänzen sich in allen Wechselfällen des widerstreitenden Ausdrucks, wie Yin und Yang. Nur für das Stilmittel der Ironie sind die beiden eventuell doch noch etwas zu jung…
Einmal quer durch die Musikgeschichte
Dieses Album, das die beiden beim kleinen Label GWK-Records herausgebracht haben, heißt übrigens „Dichterliebe Hoch 2“ - weil es eben nicht nur die bekannten sechzehn Schumannlieder präsentiert. Ein kompletter zweiter „Dichterliebe-Zyklus“ ergänzt den Schumannschen: weitere sechzehn Lieder nach Heine, in der gleichen Reihenfolge, freilich vertont von anderen Komponisten: quasi ein „Dichterliebe“- Pasticchio. Hasselhorn und Kusnezow haben recherchiert und gesammelt und galoppieren nun, Schumanns-Heine-Spur folgend, einmal quer durch die Musikgeschichte, von Franz Liszt über Hugo Wolf bis Edvard Grieg, von Carl Löwe über Mendelssohn bis zu dem Bochumer Komponisten Stefan Heucke. Manche Zutat in diesem Pasticchio ist enttäuschend konventionell, anderes stilistisch immerhin typisch für die Handschrift des jeweiligen Komponisten; aber interessant ist jedes einzelne dieser Lieder, in seiner individuellen Einsamkeit, verpflanzt in bunte Nachbarschaft. Beim Blindhören könnte man ein Ratespiel veranstalten.
CD-Tipp vom 23.9.2018 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik - Neue CDs