...und die meisten dieser Wagner-Anhänger wollen unter sich bleiben. Deswegen gibt es eine große Anzahl an verschiedenen Vereinen um den Komponisten, der ursprünglichste unter allen ist aber der „Richard-Wagner-Verband International“ mit Sitz in Bayreuth. Elfi Vomberg hat für ihre Publikation den Verein und seine Mitglieder in vier Ländern untersucht, um sich - grob gesagt - zwei Fragen zu stellen: Wer ist denn heute überhaupt noch Mitglied in einem Wagner-Verein? Und: Was macht so einen Wagnerianer überhaupt aus?
Streben nach Höherem
Die Studie war groß angelegt: Im Wagner-Jahr 2013 begonnen, befragte Vomberg über 500 Vereinsmitglieder des Richard-Wagner-Verbandes International aus Deutschland, Japan, Neuseeland und den USA. Der Fragebogen ist im Buch mitabgedruckt: 26 Fragen beispielsweise über die Gründe der Vereinsmitgliedschaft, wie viele verschiedene Wagner-Aufnahmen ein Mitglied besitzt oder wie oft die Bayreuther Festspiele besucht wurden. Vomberg führte auch mit vielen Mitgliedern persönliche Gespräche über den Wagner-Kult und kommt unter anderem zu dem Schluss, dass Vereinsmitglieder mit ihrer Verehrung oftmals nach etwas Höherem streben, als nach einem gewöhnlichen Opernerlebnis:
Wagner hören als gesellschaftliche Revolte
Die Wandlung der eigenen Persönlichkeit durch Wagners musikalisches und fleischliches Erbe ist generell ein großes Thema in der Publikation. Ganz konkret wird das am Beispiel der Mitglieder des Wagner-Verbandes in Japan gezeigt. Denn durch die Studie wird erstmals festgehalten, dass die weniger oder mehr stark ausgeprägte Rezeption der Wagner-Opern in verschiedenen Ländern rein kulturell begründet ist. So entsteht ein komplett anderes Bild zum Beispiel bei japanischen Wagner-Anhängern, dass dem kämpferischen Komponisten sicherlich gefallen hätte: Wagner hören als gesellschaftliche Revolte.
Die Familie Wagner und der Nationalsozialismus
Ein Thema kann bei einer aus Deutschland stammenden Arbeit über Richard Wagner nicht außer Acht gelassen werden und taucht gerade in dieser Publikation verständlicherweise immer wieder auf: Die Familie Wagner und der Nationalsozialismus. Dabei geht es hier nicht um die historische Aufarbeitung, sondern um den Umgang der Mitglieder des Wagner-Verbandes mit dem doch ziemlich belasteten Erben. Vomberg hat hierfür die Protokolle der Vereinssitzungen eingesehen. Dort, wo nicht immer alles schriftlich protokolliert wurde, konnte sie auf Tonbandaufnahmen zurückgreifen. Dass von Seiten der treuen Anhänger von Familie-Wagner kein Wunsch der Aufarbeitung besteht und dies nicht unbedingt ein Vorurteil sein muss, schildert sie folgendermaßen:
Gut gesammelte Fakten mit einer Portion Leichtigkeit
Das Buch „Wagner-Vereine und Wagnerianer heute“ ist sicherlich eine wissenschaftliche Publikation, doch die gut gesammelten Fakten könnten mit einer Portion Leichtigkeit sogar unter Wagnerianern für ein Schmunzeln sorgen. Die Unterteilung ist übersichtlich, es wird auch in das historische Phänomen des Wagnerianers eingeführt. Das gab es nämlich schon zu Lebzeiten des Komponisten. Die Auswertung der Sitzungsprotokolle der vergangenen Jahrzehnte ist ebenso neu wie die Befragungen der Mitglieder. Letztendlich ist es jedem selbst überlassen, ob diese Studie das Bild des Wagner-Verehrers bestätigt oder in ein neues Licht rückt, denn Elfi Vomberg hat vor allem Daten erhoben, ausgewertet und sie in einen größeren Zusammenhang gestellt. Und trotz aller Ernsthaftigkeit und emotionsgeladener Stimmung: ein Verein ist eben doch nur ein Verein.
Buch-Tipp vom 06.03.2019 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik