Am Ende, im Finale der neunten Sinfonie, wagt Beethoven noch einmal Ungeheuerliches. Ein Schluss-Satz mit Vokalsolisten und Chor. Und am Beginn: ein Wachmacher!
Wagner und Adorno als stellvertretend genannte prominente Kronzeugen
Fragen über Fragen! Autor Karl-Heinz Ott weiß, dass er sie nicht alle wird beantworten können. Das liegt in der Natur der Sache. Denn über Beethovens Neunte haben schon viele kluge Köpfe gesprochen und geschrieben, und so verliert sich Ott auf diesen Seiten in einer Fülle von Anspielungen und Verweisen, mit Wagner und Adorno als hier stellvertretend genannten prominenten Kronzeugen.
Lebendige Sprache
Noch einmal, nach rund 250 Seiten, bekommt der Leser Vorzüge und Probleme dieses Buches in gebündelter Form vorgesetzt: Da ist Otts anschauliche, lebendige Sprache, da ist seine Fähigkeit, Fragen zu stellen, die uns auch mehr als zwei Jahrhunderte nach Entstehung der neun Beethoven-Sinfonien immer noch bewegen. Da sind aber auch die vielen Randerscheinungen, die zeigen, was Ott alles gelesen hat und die dann oft Neben-Aspekte beleuchten, die für sich genommen schon ein kleines Buch wert wären. So heißt es im Anschluss an die Ausführungen zur sechsten Sinfonie in einem eigenen Kapitel: Orpheus gegen Prometheus.
Mutige Vergleiche
Nein, Beethoven zerstört Formen nicht nach „Lust und Laune“, wie Ott behauptet, und er schlägt auch keinen Bogen um die Sonatenform – er entwickelt sie weiter, testet sie aus, führt sie an Grenzen. Ott setzt einige Male Thesen in die Welt, die sich so nicht halten lassen. Doch all das nimmt man in Kauf, weil der Autor gut erzählen kann. Mit anschaulichen Bildern und mutigen Vergleichen gelingt es Ott, auch dem Laien zu erklären, warum Beethovens Musik so außergewöhnlich ist, etwa im Trauermarsch der Eroica":
Neun Sinfonien als exemplarischer Fall
Die neun Sinfonien sind für Karl-Heinz Ott ein exemplarischer Fall. Sie spiegeln Beethoven, den Musiker, den Künstler, sie spiegeln aber auch übergreifend eine ganze Epoche voller Unruhe. Auf jedes Sinfonien-Kapitel lässt Ott weiterführende Betrachtungen folgen, die sich teilweise jedoch etwas verlieren. Ott bedient sich ein wenig wahllos aus dem Füllhorn seines Wissens und seiner Lesefrüchte. Weniger hätte hier mehr sein können. Dennoch folgt man seinen Ausführungen über weite Strecken gern, weil er in seinem Buch etwas von jener Sogkraft spiegelt, die Beethovens Musik im Allgemeinen und seine Sinfonien im Besonderen auszeichnet.
Buch-Tipp vom 13.2.2019 aus der Sendung SWR2 Treffpunkt Klassik