Schafe und Rinder zu hüten gehörte um 1600 für viele Menschen zum täglich Brot. Wahrscheinlich haben sich deshalb auch viele mit dem Text und der Musik dieses Liedes identifiziert, das von der beinahe kindlichen Weihnachtsfreude der Hirten erzählt.
"Underdogs" erfahren als erstes die gute Nachricht
Hirten sind Nomaden – haben keinen festen Wohnsitz und beinahe keinen Besitz; wahrscheinlich nicht viel mehr als die Kleider, die sie am Leibe tragen. Die Hirten halten sich ständig bei ihrer Herde auf und geben acht, dass keines der Schafe sich verirrt oder krank wird. Auch die Nächte verbringen sie im Freien; auf den Feldern um Bethlehem. Die Hirten sind einfache Leute, ungebildet, auf sich selbst gestellt und ein bisschen verwahrlost. So manchem sesshaftem Ackerbauern sind sie ein Dorn im Auge; man hält sie für unehrliche Leute und begegnet ihnen mit Misstrauen.
"Underdogs" würde man diese Hirten heute nennen; ausgerechnet sie erfahren als erste von der Geburt Christi. Weihnachten setzt die gesellschaftliche Ordnung außer Kraft. Die Hirten sind zwar äußerlich arm, aber innerlich reich. Seit über 10.000 Jahren halten Menschen Schafe als Nutztiere – zunächst in der Gegend des heutigen Iran und Irak. Von dort aus wandern die Tiere gemeinsam mit den Menschen gen Norden und Westen – da, wo es feucht und kalt ist, halten sie sich eigentlich gar nicht gerne auf. Aber sie sind robust und anpassungsfähig und finden auch in kargen Heidelandschaften noch genug Futter – oder an steinigen Hängen, wo viele andere Tiere kapitulieren.
Nur gut 2 Millionen Schafe gibt es in Deutschland
Etwa eine Milliarde Schafe leben heute auf der Erde, die meisten davon in Asien. Deutschland ist schafsmäßig sehr dünn besiedelt: gut 2 Millionen Schafe gibt es hier, alte Rassen wie das Rhönschaf, das Bergschaf oder das Brillenschaf, aber auch neuere Züchtungen wie das Merinoschaf, eines der wichtigsten Woll-Schafe.
Seit vielen Jahren zieht der Schäfermeister Thomas Stum mit seiner großen Herde durch den Westerwald, mit weit über tausend Tieren. Sein typischer Arbeitstag ist gut zwölf Stunden lang. Die meiste Zeit verbringt er draußen, auch im Winter. Dann geht er "auf die Walz". Die Schafe treten dabei das Gras fest, das von Mäusen und anderen Tieren aufgewühlt wurde, wie eine Walze.
Diese Walzen-Funktion nutzt man auch in Küstengebieten: für den Schutz von Deichen. Schafe leisten einen unschätzbaren Beitrag, um Deichbrüche zu vermeiden. Und auch in Heidegebieten sind sie wichtige Landschaftspfleger; ohne Schafe würde sich die Heide innerhalb kürzester Zeit in Wald und Steppe verwandeln.
Schafzucht wegen der Wolle lohnt sich nicht mehr
Bis in die 1950er Jahre hat man bei uns Schafe vor allem wegen ihrer Wolle gezüchtet. Das hat sich längst geändert – seit Baumwolle und chemische Fasern so günstig sind. 1950 hat ein Schäfer für ein Kilo Wolle noch 4,50 DM bekommen, heute sind es nur noch zwischen 50 und 75 Cent. Das lohnt sich nicht mehr für die Schäfer, sie machen beim Scheren sogar Verluste, müssen die Schafe aber natürlich trotzdem regelmäßig scheren.
In Neuseeland kann man viel günstiger Wolle produzieren; von dort importieren wir auch den Großteil der Wolle. In Deutschland verdienen die meisten Schäfer ihr Geld mit der Fleischproduktion; allerdings wird man auch davon nicht reich. Ohne staatliche Unterstützung kämen sie nicht über die Runden.
Schafe haben einen schlechten Ruf
Schafe haben den Ruf, dumm, feige und träge zu sein. "Das ist eine grobe Unterschätzung", meint Schäfermeister Thomas Stum: "Ihr IQ liegt knapp unter dem von Schweinen, er entspricht ungefähr dem von Rindern. Verhaltensbiologen wissen, dass Schafe erstaunlich neugierig und lernfähig sind. Sie können zum Beispiel Dutzende von Artgenossen am Gesichtsausdruck unterscheiden – selbst wenn sie sie Monate lang nicht mehr gesehen haben. Schafe sind auch in der Lage, Gefühle zu zeigen: An ihrer Mimik lässt sich ablesen, wie es ihnen geht"."
Textdichter und Komponist unbekannt
Zurück zu "Als ich bei meinen Schafen wacht". Irgendwann in der Zeit um 1600 ist es entstanden. Wer das Lied getextet und wer die Musik dazu erfunden hat, ist nicht bekannt. Schafe und Rinder zu hüten gehörte damals für viele Menschen zum täglich Brot. Wahrscheinlich haben sich deshalb auch viele mit dem Text und der Musik dieses Liedes identifiziert, das von der beinahe kindlichen Weihnachtsfreude der Hirten erzählt. Und das so ungeniert die Worte "froh, froh, froh" in einen Reim packt mit dem lateinischen Lobpreis Gottes, dem "Benedicamus Domino".