Woodstock der Blasmusik

Mehr als Marsch und Ufftata

Weg von alten Klischees: Der Hype um Blasmusik

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Theresa Berwian
Theresa Berwian, Team SWR Kultur

Von wegen altbacken und eingestaubt: Vorbei ist die Zeit, in der Blaskapellen nur Marsch, Walzer oder Polka in altbackenen Festzelten gespielt haben. Denn Bands wie Meute, LaBrassBanda oder Querbeat füllen mittlerweile Hallen mit ihrer Blasmusik. Aber was macht die Faszination aus?

Blasmusik kennt keine musikalischen Grenzen

Tracht und Tradition – Daran denken wohl die meisten, wenn sie von Blasmusik hören. Doch öde Blaskapellen in Uniform, die auf Dorffesten nur Märsche oder Polkas spielen, waren gestern. Heute sind Blasinstrumente längst massentauglich.

Ein Grund dafür: Blasmusik ist vielfältiger als alte Klischees suggerieren. Genre-Grenzen werden zunehmend überwunden. Die Hamburger Techno-Marching-Band Meute zum Beispiel ist im House und Techno unterwegs. Mit ihren akustischen Instrumenten übernehmen sie den Job eines DJs, so beschreiben sie selbst ihre Musik.

Weg von alten Klischees: Der Hype um Blasmusik
Die elfköpfige Band Meute tritt nicht nur in Deutschland auf, sondern erfreut Fans weltweit mit Auftritten.

Brass findet längst auch auf Pop- und Rock-Festivals statt

Aber es geht auch noch mehr Mainstream: Querbeat aus Köln begeistern mittlerweile längst nicht mehr nur zu Karneval. Die 13-köpfige Band macht Brasspop mit Trompeten, Posaunen, Saxofonen sowie Schlagzeug, E-Bass und E-Gitarre. Sie sind nicht nur ein fester Bestandteil des Kölner Karnevals, sondern haben auch schon auf großen Festivals wie dem Parookaville gespielt.

Ähnliches gilt für LaBrassBanda, bei denen ihre bayerische Herkunft noch stark erkennbar ist. Ihre Musik beinhaltet aber nicht nur Einflüsse aus der Volksmusik, vielmehr beschreiben sie ihren Sound selbst als „Bayerischen Gypsy Brass“ oder „Alpen-Jazz-Techno“.

Weg von alten Klischees: Der Hype um Blasmusik
Auch LaBrassBanda sind mittlerweile eine feste Konstante auf den deutschen Pop- und Rock-Festivals. Sie traten beispielsweise schon beim Taubertal-Festival im baden-württembergischen Rothenburg ob der Tauber auf.

Cover-Versionen von bekannten Songs aus den Charts

Doch das ist längst nicht alles in Sachen Vielfalt. Hört man sich durch das Repertoire von namhaften Blechblasbands, findet man bekannte Songs aus allen Dekaden des Pop und Rock. Egal ob „Funkytown“ von Lipps Inc., „Shake it off“ von Taylor Swift, „Sexual Healing” von Marvin Gaye, „Hello“ von Adele, „Schrei nach Liebe“ von Die Ärzte oder „Creep” von Radiohead – alles scheint möglich.

Die Bands interpretieren die Hits auf ihre Weise, beispielsweise mit Posaunen und Trompeten statt E-Bass und Gitarre. Bei Konzerten können die Bands so nicht nur ihr Publikum überraschen, sondern auch zum Mitsingen animieren.

Junge Nachwuchsmusiker aus Rheinland-Pfalz starten durch

Blasmusik neu denken – das ist auch das Motto einer Band aus Rheinland-Pfalz: Die Brassers haben mit ihrer Musik nicht nur den Weltmeister-Titel beim World Music Contest in Kerkrade gewonnen, sondern dieses Jahr auch auf dem Woodstock der Blasmusik in Österreich überzeugt.

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Dieser Auftritt beim bekanntesten Blasmusik-Festival der Szene ist ein wahrgewordener Traum für die Brassers. In ihrem Repertoire haben sie Klassiker wie „Rosamunde“ über Ballermannhits, „Perfect“ von Ed Sheeran bis hin zu „Roller“ von Apache 207.

ARD Mediathek Doku: Eine Blas-Band und ihr Traum

Die „Brassers“ setzen zum großen Sprung an: Mit moderner Blasmusik wollen die 12 Musiker aus Musikvereinen in Rheinland-Pfalz ihr Publikum begeistern – fernab von „Dicke-Backen-Musik“.

Auf dem Woodstock der Blasmusik haben aber längst nicht nur die Brassers überzeugt. Vier Tage lang haben dieses Jahr rund 80.000 Menschen die Musik gefeiert – Love, Peace & Blasmusik. Seit das Festival 2011 gestartet ist haben sich die Besucherzahlen eigenen Angaben zufolge verzehnfacht. Dabei zeigt sich noch ein Grund für den Hype um diese Musik: Blasmusik ist Generationenübergreifend. Durch die Vielfalt der Musik und den Mix der Stile ist buchstäblich für jeden was dabei.

Weg von alten Klischees: Der Hype um Blasmusik
Fäaschtbänkler, LaBrassBanda oder Ernst Hutter & die Egerländer Musikanten: Beim Woodstock der Blasmusik treten alle große Namen der Szene auf. Die Fans freuen sich.

Ob jung oder alt: Blasmusik ist für jede Generation

Das ist nicht nur bei Festivals wie dem Woodstock so, sondern auch da zu sehen, wo viele Blasmusiker mal klein anfangen: in Musikvereinen. In vielen Orten in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es Orchester oder Blaskapellen. Laut der beiden Blasmusikverbände sind es zusammengenommen rund 136.000 aktive Musikerinnen und Musiker.

Davon fangen viele schon als Kinder an und manche bleiben auch ihr Leben lang aktive Hobbymusiker. In den Musikvereinen kommen deshalb alle Generationen zusammen und musizieren gemeinsam.

Weg von alten Klischees: Der Hype um Blasmusik
Bei Volksfesten wie dem Frühlingsfest auf dem Cannstatter Wasen tanzen die Massen zu Brassbands.

Und à propos musizieren: Es mag offensichtlich sein, aber Blasmusik hat noch einen anderen Vorteil: Blasmusik ist immer hausgemachte Musik. Musikerinnen und Musiker begeistern mit ihren instrumentalen Fähigkeiten durch jahrelanges Üben.

Klar, das gilt natürlich auch für andere Genres, wie etwa die Klassik oder der Jazz. Aber gerade in der Blasmusik finden sich viele aktive Hobbymusiker, die eine besondere Leidenschaft mitbringen. Auf einem Volksfest, einer Kirmes oder bei einem Weinfest löst das mehr beim Publikum aus als der Alleinunterhalter, bei dem die meisten Instrumente nur elektronisch zugespielt werden.

Gesellschaft Blasmusik und Brass Bands – Vom Zapfenstreich bis Hip-Hop

Seit dem Mittelalter spielen Bläserorchester auf. Anfangs waren Trompeter und Posaunisten vor allem in Militärkapellen aktiv, heute spielen in ganz Deutschland fast 500.000 Laien in Musikvereinen.

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