Wer schon einmal für Ideen geworben oder Wahlkampf geführt hat, wird dem vermutlich zustimmen: Ohne eine non-verbal transportierte Emotion Menschen für sich zu begeistern, funktioniert selten gut.
Und Emotionen transportieren kann Musik so viel besser als Worte. So ist auch der aktuelle Wahlkampf-Song der frisch gekürten demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris für ihre Anhänger mehr als nur die Summe von Text und Melodie.
Der Song der Sängerin Beyoncé Knowles spielt als Wahlkampfsong seine Stärke im historischen Kontext des letzten Jahrzehnts aus – einer Zeit, in welcher der politische Ton gegenüber Nichtweißen in den USA rauer geworden ist und auch die Gewalt gegen Afroamerikaner für eine Spaltung der Gesellschaft gesorgt hat.
Der DJ wird zur Schlüsselfigur auf dem Parteitag
Wie sehr gerade die Demokraten in ihrem Wahlkampf auf Musik setzen, war besonders gut zu hören auf den kürzlich abgehaltenen Parteitagen in Chicago: Jeder Wortanteil wechselte sich konsequent mit Musik ab; DJ Cassidy, der eigens ernannte „Democratic Music Maestro“, heizte der Menge pausenlos ein.
Die Tradition des Wahlkampf-Songs reicht bis zu den ersten Tagen der amerikanischen Politik
Doch die musikalische Tradition ist nicht neu. Bereits George Washington nutzte während seines Wahlkampfs Lieder, die als Parodien populärer Melodien ihrer Zeit dienten.
Eine berühmte Hymne aus dem Jahr 1840, „Tippecanoe and Tyler Too“, spielte eine bedeutende Rolle bei der Wahl von William Harrison: sie erzählte von der Schlacht bei Tippecanoe und bescherte Harrison einen erdrutschartigen Wahlsieg.
In den modernen Kampagnen haben sich Songs, die nicht speziell für einen Kandidaten geschrieben wurden, sondern bereits als Hits etabliert waren, durchgesetzt. Diesen Trend startete Ronald Reagan, der während seiner Wiederwahlkampagne 1984 stets zu Lee Greenwoods patriotischem Klassiker „God Bless The USA“ die Bühne betrat.
„Don't Stop“ ist die Mutter aller modernen Wahlkampfhits
Ein weiterer ikonischer Moment war die Nutzung von Fleetwood Macs „Don't Stop“ durch Bill Clinton im Jahr 1992, was nicht nur seiner Kampagne half, sondern auch die Band auf der Wahlkampfbühne wiedervereinte.
Die Ironie hierbei: Der Song handelt eigentlich von der Trennung zweier Bandmitglieder, er spiegelt Christine McVies Gefühle nach ihrer Trennung von Fleetwood Macs Bassgitarrist John McVie nach acht Jahren Ehe wider.
Ganz anders liegt der Fall bei dem Wahlkampf-Song „Yes We Can“ von Will.i.am. Der besteht nämlich zur Gänze aus Zitaten aus Reden des Kandidaten Barack Obama. Dessen Botschaft „Yes We Can“ wurde dann auch definitiv überlebensgroß – der Song dürfte jedoch eher weniger dazu beigetragen haben.
Definitiv kein Händchen für den richtigen Wahlkampfsong hatte und hat Donald Trump in seinen bisher drei Präsidentschaftswahlkämpfen. Die Nutzung diverser Songs wurde ihm entweder untersagt (z.B. „Rockin' in the free world“ von Neil Young) oder die Songauswahl passte inhaltlich auffallend schlecht zu seiner Kampagne, wie „You Can't Always Get What You Want“ („Du kannst nicht immer das haben, was Du willst“) von den Rolling Stones.
Ein Song, den er immer wieder trotz des Verbotes spielte, was zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Band führte.
Ein Momentum für Bürgerrechte?
Nun scheint es mit „Freedom“ von Beyoncé seit langem wieder einen wirklich ikonischen Wahlkampfsong zu geben. Denn „Freedom“ ist ein Statement gegen Rassismus und Polizeigewalt, den Beyonce bereits 2016 veröffentlichte – kurz nachdem Trayvon Martin, Eric Garner, Michael Brown und Oscar Grant III bei rassistisch motivierten Vorfällen getötet worden waren.
Der Song ist ihren Müttern gewidmet, mit denen Beyoncé auch das Video zum Song gedreht hat. Und auch während der Black Lives Matter-Proteste 2020 nach der Ermordung von George Floyd wurde das Lied immer wieder gespielt. So wurde der Song zu einer Hymne gegen die Spaltung der Gesellschaft und gegen den Herrschaftsanspruch einer reichen, weißen Klasse.
Eine klarere Kampfansage einer schwarzen Präsidentschaftskandidatin als „Freedom" kann es wohl kaum geben – zumal ihrem Gegner Donald Trump neben Sexismus immer auch kaum verhohlener Rassismus vorgeworfen worden wird.