Reicht eine makellose Polit-Karriere?

Vernunftkandidatin Kamala Harris – Wieso Bürgernähe jetzt alles entscheidet

Stand
Autor/in
Julian Burmeister
Julian Burmeister

Nach dem Ausscheiden von Joe Biden aus dem Präsidentschaftsrennen ist Vizepräsidentin Kamala Harris die logische Nachfolgerin. Was hat sie „Lichtgestalt“ Trump entgegenzusetzen?

In der politischen Landschaft der USA ist Kamala Harris eine absolute Ausnahmeerscheinung: Sie ist „Person of Color“ mit indischen und jamaikanischen Wurzeln und hat sich als erste schwarze Frau bis an die Spitze der Nation hochgearbeitet. Ihre Eltern, beide renommierte Wissenschaftler, waren in die Staaten eingewandert.

Von der Anwaltsassistentin zur Vizepräsidentin

Dabei war die Karriere von Harris lange nichts besonderes: Nach ihrem Jurastudium – zuvor studierte Harris auch Wirtschafts- und Politikwissenschaften – arbeitet sie ab 1990 zehn Jahre lang als Assistentin zweier kalifornischer Bezirksanwälte, dann drei Jahre derselbe Job für den kalifornischen Staatsanwalt.

2007: Kamala Harris vor der Wahl zur Bezirksstaatsanwältin
2007: Kamala Harris vor der Wiederwahl zur Bezirksstaatsanwältin

Erst 2003 kommt Harris‘ Karriere in Bewegung, als sie die Wahl zur Bezirksstaatsanwältin gewinnt und dann 2010 ohne echte Gegner die Staatsanwältin Kaliforniens wird. 2016 kandidiert die Demokratin dann mit Erfolg für den Senat und bewirbt sich 2020 als Präsidentschaftskandidatin.

Eine makellose Karriere, von Kalkül geprägt

Kamala Harris hat, das darf so festgehalten werden, das politische System der USA als gleich mehrfache Außenseiterin erfolgreich durchgespielt. Sie hat dabei oft klug taktiert und sich von ihren früheren Entscheidungen und Gesetzen distanziert, wenn die ihr gefährlich werden konnten.

Kamala Harris im Wahlkampf um den Senatssitz 2015
Kamala Harris im Wahlkampf um den Senatssitz 2015.

Nur ob das bei dieser Wahl ausreicht? Harris steht als Liberale nicht nur für Chancengleichheit, Frauenrechte, Umweltschutz und Fortschritt – also alles, was den MAGA-Anhängern unter Trump als politisch korrekt, unheilig und zutiefst verabscheuungswürdig gilt.

Eine Anwältin, welcher der Ruf einer Karrieristin anhängt

Harris steht auch für das gebildete Amerika: für eine Elite, deren Machtanspruch sich schon allein aus ihrer intellektuellen Überlegenheit ergibt. Sie konnte in ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin bisher kaum an Profil gewinnen, Gegner sprechen ihr die Menschlichkeit ab.

Ihre Fans dagegen feiern gerade jetzt wieder den wohl menschlichsten Moment der Kamala Harris – ihr Coconut-Tree-Zitat aus dem vergangenen Jahr:

“You exist in the context of all in which you live and what came before you.” -Kamala Harris Inspo: @★antonio★ #lfk #vp

Harris hatte dabei ihre Mutter zitiert und dabei auf sehr natürliche Art gelacht. Und solche Momente werden im Wahlkampf für sie jetzt die wichtigsten sein.

Sie ist keine Frau des Volkes

Es gibt von ihr wenig „Frau-des-Volkes“-Bilder. Keine Bilder vom Streetballturnier auf dem Kiez, keine eigenen Kinder, die zu ihrer Mutter aufschauen (was an sich natürlich auch keine Rolle spielen sollte). Wer sucht, findet einen einsamen Besuch bei einem College-Footballspiel und vor allem: Keine Bilder vom prachtvollen Gemüsegarten.

Kamala Harris wirft die Münze vor einem College-Footballspiel
Kamala Harris wirft die Münze vor einem College-Footballspiel

Michelle Obamas langer Schatten

Und beim Thema Gemüsegarten wird es Zeit, auf den Schatten von Kamala Harris zu kommen: Michelle Obama. Auch eine schwarze Frau, auch Anwältin. Beide Jahrgang 1964, Obama ist ein halbes Jahr älter als Harris und hat den Abschluss ein Jahr vor ihr gemacht.

Michaelle Obama und Grundschüler arbeiten im Gemüsegarten des Weißen Hauses
2016: Michelle Obama und Grundschüler arbeiten im Gemüsegarten des Weißen Hauses

Die Vergleiche liegen also nahe und werden dann auch schnell unfair, vor allem wenn Harris die Kinderlosigkeit zum Karriere-Vorwurf gemacht wird.

Falls Harris die Kandidatin der Demokraten werden sollte, wird sie also immer an den traumhaften Umfragewerten der ehemaligen First Lady gemessen werden: 50 Prozent hatte Obama bei einer Umfrage noch Anfang Juli 2024 erreicht.

Michelle Obama spricht zur Eröffnung der US Open 2023
Staatstragend? Michelle Obama spricht zur Eröffnung der US Open 2023

Zum Vergleich: Harris liegt aktuell bei ca. 42 Prozent der potentiellen Wählerstimmen und damit etwa drei Punkte hinter Donald Trump. Es gilt also noch viele Sympathie-Punkte zu gewinnen bis zur Wahl am 5. November.

Und dafür muss sich Kamala Harris vielleicht nicht unbedingt der breiten amerikanischen (Sub-)Kultur der berüchtigten, wahlentscheidenden Swing-States anbiedern, in denen es übrigens wirtschaftlich immer noch düster aussieht und in denen Juristen gerne als Feindbilder dienen. Ganz um eine Charmeoffensive wird sie dort jedoch sicher nicht herumkommen.

Internet-Hype um Charli XCX-Album Kamala Harris und der „Brat Summer“: Ein Pop-Phänomen erreicht den US-Wahlkampf

Auf TikTok ist der „Brat“-Sommer angebrochen. Hintergrund ist ein Pop-Album von Charli XCX. Auch das Wahlkampf-Team von Kamala Harris ist auf den Internet-Trend aufgesprungen.

Mehr zur US-Wahl 2024

Forum Vereint für Kamala Harris – Nach dem Parteitag der US-Demokraten

Claus Heinrich diskutiert mit
Andrew Denison, Direktor Transatlantic Networks
Prof. em. Dr. Christine Landfried, Politikwissenschaftlerin, Uni Hamburg
Jörg Wimalasena, politischer Korrespondent WELT

Forum SWR Kultur

Verhilft „Freedom“ Kamala Harris zum Sieg? Wenn Songs einen Wahlkampf beflügeln

Der richtige Soundtrack zum Wahlsieg: selten war er so heiß begehrt wie in unserer Zeit. Aber welche Titel haben eigentlich bei US-Präsidentschaftswahlen besonders gut funktioniert?

Forum Bidens Rückzug – Ist Trump noch zu schlagen?

Thomas Ihm diskutiert mit
Arthur Landwehr, ehemaliger ARD-Korrespondent Washington
Prof. Dr. Britta Waldschmidt-Nelson, Historikerin Universität Augsburg
Jörg Wimalasena, Politischer Korrespondent „Die Welt"

Forum SWR Kultur

Forum Triumph für Trump – Ist die US-Wahl schon entschieden?

Gregor Papsch diskutiert mit
Cathryn Clüver-Ashbrook, Politikwissenschaftlerin, Bertelsmann-Stiftung
Arthur Landwehr, ehemaliger ARD-Korrespondent Washington
Dr. Christoph von Marschall, „Der Tagesspiegel"

Forum SWR Kultur

Harris oder Trump? Die Wirksamkeit der TV-Duelle: Wahlkampf und Wortgefecht

TV-Duelle spielen eine immer größere Rolle im Wahlkampf. Sie sind eine Art „unterhaltsame Politik“, die viele Menschen bei der Wahl beeinflussen kann.

Nach Bidens TV-Blamage George Clooney fordert Biden-Rücktritt – Wie Hollywood die US-Politik beeinflusst

George Clooney hat Joe Biden zum Rücktritt aufgefordert. Der US-Präsident verliert damit einen seiner prominentesten Unterstützer. Wie weit reicht der Einfluss Hollywoods?