Einheitsbrei statt Einzigartigkeit?

Sängerin Lou kritisiert den ESC: „Die Musik steht nicht mehr im Fokus“

Stand
Autor/in
Samira Straub

Auch wenn das ESC-Fieber für sie alljährlich mit dazu gehört, übt Sängerin Lou scharfe Kritik an dem Wettbewerb, bei dem sie 2003 in Riga selbst für Deutschland auf der Bühne stand. Statt um die Musik ginge es mittlerweile nur noch um Show, meint die Waghäuselerin im Gespräch mit SWR Kultur.

Lou Hoffner in Riga 2003
Mit ihrem Gute-Laune-Titel „Let's Get Happy“ vertrat Lou 2003 Deutschland in Riga. Ihr Markenzeichen: die leuchtend roten Haare.

Der ESC hat sich stark verändert, nicht unbedingt zum Guten

2003 sicherte sich Sängerin Lou aus dem nordbadischen Waghäusel in Riga den 11. Platz. Damals hieß der ESC noch „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ und nicht nur der Name hat sich laut Lou in den letzten Jahren geändert.

Die Entwicklung des Eurovision Song Contest mache ihr zunehmend Sorgen: Man sehe bei der Vorauswahl der Songs mittlerweile kaum noch Unterschiede zu flachen Castingformaten wie „Deutschland sucht den Superstar“, kritisiert die Teilnehmerin. Viele Beiträge seien mittlerweile zum „Einheitsbrei“ verkommen.

Diese Tendenz schmerzt die Sängerin, denn immerhin sei der ESC der größte musikalische Wettbewerb der Welt und für sie als ehemalige Teilnehmerin natürlich eine Herzensangelegenheit.

Isaaks „Always on the Run“ fehlt es an Ohrwurmcharakter

Dem deutschen Beitrag in diesem Jahr, Isaak mit seiner Ballade „Always on the run“ räumt die Waghäuselerin wenig Siegchancen ein. Es fehle an Ohrwurm-Charakter, so Lou, er verfüge außerdem lediglich „über ein Mindestmaß textlicher Tiefe“. Beim Vorentscheid fieberte Lou für den Wiederholungstäter Max Mutzke mit.

Isaak
Beim Vorentscheid erhielt der 29-jährige Isaak sowohl von der Jury als auch vom Publikum die begehrten 12 Punkte. Ob er diesen Erfolg in Malmö wiederholen kann?

Auch die Buchmacher sind von der deutschen Wahl in diesem Jahr nicht überzeugt. In den Wettbüros rangiert der deutsche Beitrag auf den hinteren Rängen. Un dennoch: „Beim ESC kann alles passieren“, meint Lou, die Isaak selbstverständlich trotz aller Kritik die Daumen drückt.

Vom Oktoberfest zum ESC

Ihren ESC-Titel „Let's Get Happy“ schrieb Lou nicht selbst, sondern Eurovision-Urgestein Ralph Siegel, der damals auf dem Münchener Oktoberfest auf die Sängerin aufmerksam wurde. Mit ihrer „Party Gang“ trat sie damals im Käfer-Festzelt auf.

Ihr gemeinsamer Freund Roberto Blanco stellte sie an jenem Abend Ralph Siegel vor. Die Weichen für die Zusammenarbeit waren noch am selben Abend gestellt und Lou begab sich auf ESC-Kurs.

Lou Hoffner und ihre Partygang
Mit ihrer „Party Gang“ war Lou in ganz Deutschland unterwegs, was schließlich zum Sprungbrett für die ganz große Bühne wurde.

Doch dieser brauchte zwei Anläufe: Bereits 2001 trat Lou, damals noch mit Band, beim Vorentscheid zum ESC an. Sie landete auf dem dritten Platz, zum ESC nach Kopenhagen fuhr damals Schlager-Sängerin Michelle mit „Wer liebe lebt“. Zwei Jahre später klappte es dann

Lou
Ralph Siegel zählt zu den erfolgreichsten Komponisten und ist ein Urgestein des Wettbewerbs: Insgesamt 25 Titel aus seiner Feder gingen beim ESC ins Rennen.

Die Musik spiele kaum noch eine Rolle

Schaut man sich heute Lous Auftritt aus Riga an, sieht man schnell, wie viel sich in den letzten zwanzig Jahren beim ESC verändert hat. Von überladenen Bühnenshows, wie man sie in den diesjährigen Halbfinal-Shows bereits gesehen hat, war damals noch nichts zu entdecken.

Eurovision 2003 Germany - Lou - Lets Get Happy (12th)

Lou wurde 2003 lediglich von ein paar Backgroundsängerinnen und -sängern unterstützt, die mit kleinen Tanzeinlagen die Performance begleiteten. So war es Usus in den frühen Nullerjahren. Genau dieser Unterschied sei das Kernproblem des ESC heutzutage, findet Lou: Die Musik stehe nicht mehr im Fokus, es gehe nur noch um eine möglichst aufgeblasene Show.

Heute wird beim ESC viel Fokus auf das Drumherum gelegt: Kostüm, Licht, Feuer. Nur nicht auf die Musik, die eigentlich im Vordergrund stehen sollte.

Aus einem ernstzunehmenden Musikwettbewerb sei eine große Party geworden, die Glanz und Glamour wie in früheren Jahren vermissen lässt. Dafür stehen laut der Sängerin eher Skurrilitäten im Vordergrund, so Lou. Modernisierungen seien wichtig, aber nicht in jedem Fall ist das auch gelungen, kritisiert die Sängerin.

Indiv
Favorit auf den Sieg ist in diesem Jahr Kroatien mit dem Sänger „Baby Lasagna“. Auch bei diesem Auftritt spielt Pyrotechnik eine große Rolle.

Viel Druck, aber auch große Chance

Der ESC sei vor allem auch für gestandene Künstler ein Wagnis: Die Stimmung könne schnell kippen, erklärt Lou. Der ganze Wettbewerb sei bei Fans wie Medien sehr emotionsgeladen und mit viel Druck verbunden.

Erreicht man keine gute Platzierung, hagelt es Kritik. So sei es auch bei ihr damals gewesen, für den elften Platz wurde sie harsch kritisiert. Damit müsse man umgehen können, meint die Sängerin.

Gleichzeitig könne eine Teilnahme auch Chance und Sprungbrett sein. Sich grenzübergreifend einem so großen Publikum präsentieren zu können, sei eine einzigartige Möglichkeit für Künstler, meint die Sängerin: „Das kann ungeahnte Türen öffnen“.

Musik spielt noch immer eine Rolle bei Lou

Was macht die Sängerin, die immer noch in Waghäusel lebt, 21 Jahre nach ihrem ESC-Auftritt? Gemeinsam mit Schauspieler Gedeon Burkhard ist Lou derzeit auf einer Lesetour mit der selbstgeschriebenen, komödiantischen szenischen Lesung „Liebe, Lust und Hexenschuss“.

Natürlich spielt auch hier die Musik eine zentrale Rolle: Im Mittelpunkt steht Lou, die die Rolle einer frustrierten Hausfrau spielt. Sie ringt mit der Scheidung und bietet dabei immer wieder gesangliche Einlagen.

Lou Hoffner und Gedeon Burkhard
Gedeon Burkhard ist in Deutschland vor allem für seine Rollen in „Kommissar Rex“ oder „Alarm für Cobra 11“ bekannt.

Auf die Idee dazu sei sie während der Corona-Pandemie gekommen, erzählt Lou. Nach dieser trostlosen Zeit wollte sie den Menschen wieder einen Grund geben zu lachen.

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Samira Straub