Der ESC hat sich stark verändert, nicht unbedingt zum Guten
2003 sicherte sich Sängerin Lou aus dem nordbadischen Waghäusel in Riga den 11. Platz. Damals hieß der ESC noch „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ und nicht nur der Name hat sich laut Lou in den letzten Jahren geändert.
Die Entwicklung des Eurovision Song Contest mache ihr zunehmend Sorgen: Man sehe bei der Vorauswahl der Songs mittlerweile kaum noch Unterschiede zu flachen Castingformaten wie „Deutschland sucht den Superstar“, kritisiert die Teilnehmerin. Viele Beiträge seien mittlerweile zum „Einheitsbrei“ verkommen.
Diese Tendenz schmerzt die Sängerin, denn immerhin sei der ESC der größte musikalische Wettbewerb der Welt und für sie als ehemalige Teilnehmerin natürlich eine Herzensangelegenheit.
Isaaks „Always on the Run“ fehlt es an Ohrwurmcharakter
Dem deutschen Beitrag in diesem Jahr, Isaak mit seiner Ballade „Always on the run“ räumt die Waghäuselerin wenig Siegchancen ein. Es fehle an Ohrwurm-Charakter, so Lou, er verfüge außerdem lediglich „über ein Mindestmaß textlicher Tiefe“. Beim Vorentscheid fieberte Lou für den Wiederholungstäter Max Mutzke mit.
Auch die Buchmacher sind von der deutschen Wahl in diesem Jahr nicht überzeugt. In den Wettbüros rangiert der deutsche Beitrag auf den hinteren Rängen. Un dennoch: „Beim ESC kann alles passieren“, meint Lou, die Isaak selbstverständlich trotz aller Kritik die Daumen drückt.
Vom Oktoberfest zum ESC
Ihren ESC-Titel „Let's Get Happy“ schrieb Lou nicht selbst, sondern Eurovision-Urgestein Ralph Siegel, der damals auf dem Münchener Oktoberfest auf die Sängerin aufmerksam wurde. Mit ihrer „Party Gang“ trat sie damals im Käfer-Festzelt auf.
Ihr gemeinsamer Freund Roberto Blanco stellte sie an jenem Abend Ralph Siegel vor. Die Weichen für die Zusammenarbeit waren noch am selben Abend gestellt und Lou begab sich auf ESC-Kurs.
Doch dieser brauchte zwei Anläufe: Bereits 2001 trat Lou, damals noch mit Band, beim Vorentscheid zum ESC an. Sie landete auf dem dritten Platz, zum ESC nach Kopenhagen fuhr damals Schlager-Sängerin Michelle mit „Wer liebe lebt“. Zwei Jahre später klappte es dann
Die Musik spiele kaum noch eine Rolle
Schaut man sich heute Lous Auftritt aus Riga an, sieht man schnell, wie viel sich in den letzten zwanzig Jahren beim ESC verändert hat. Von überladenen Bühnenshows, wie man sie in den diesjährigen Halbfinal-Shows bereits gesehen hat, war damals noch nichts zu entdecken.
Lou wurde 2003 lediglich von ein paar Backgroundsängerinnen und -sängern unterstützt, die mit kleinen Tanzeinlagen die Performance begleiteten. So war es Usus in den frühen Nullerjahren. Genau dieser Unterschied sei das Kernproblem des ESC heutzutage, findet Lou: Die Musik stehe nicht mehr im Fokus, es gehe nur noch um eine möglichst aufgeblasene Show.
Aus einem ernstzunehmenden Musikwettbewerb sei eine große Party geworden, die Glanz und Glamour wie in früheren Jahren vermissen lässt. Dafür stehen laut der Sängerin eher Skurrilitäten im Vordergrund, so Lou. Modernisierungen seien wichtig, aber nicht in jedem Fall ist das auch gelungen, kritisiert die Sängerin.
Viel Druck, aber auch große Chance
Der ESC sei vor allem auch für gestandene Künstler ein Wagnis: Die Stimmung könne schnell kippen, erklärt Lou. Der ganze Wettbewerb sei bei Fans wie Medien sehr emotionsgeladen und mit viel Druck verbunden.
Erreicht man keine gute Platzierung, hagelt es Kritik. So sei es auch bei ihr damals gewesen, für den elften Platz wurde sie harsch kritisiert. Damit müsse man umgehen können, meint die Sängerin.
Gleichzeitig könne eine Teilnahme auch Chance und Sprungbrett sein. Sich grenzübergreifend einem so großen Publikum präsentieren zu können, sei eine einzigartige Möglichkeit für Künstler, meint die Sängerin: „Das kann ungeahnte Türen öffnen“.
Musik spielt noch immer eine Rolle bei Lou
Was macht die Sängerin, die immer noch in Waghäusel lebt, 21 Jahre nach ihrem ESC-Auftritt? Gemeinsam mit Schauspieler Gedeon Burkhard ist Lou derzeit auf einer Lesetour mit der selbstgeschriebenen, komödiantischen szenischen Lesung „Liebe, Lust und Hexenschuss“.
Natürlich spielt auch hier die Musik eine zentrale Rolle: Im Mittelpunkt steht Lou, die die Rolle einer frustrierten Hausfrau spielt. Sie ringt mit der Scheidung und bietet dabei immer wieder gesangliche Einlagen.
Auf die Idee dazu sei sie während der Corona-Pandemie gekommen, erzählt Lou. Nach dieser trostlosen Zeit wollte sie den Menschen wieder einen Grund geben zu lachen.