Es sind Summen, die völlig astronomisch klingen: Das SoFi Stadium in Inglewood vor den Toren von Los Angeles ist mit knapp 5 Milliarden Euro Baukosten das teuerste Stadion weltweit. Das Areal ist doppel so groß wie der Vatikan – entstanden auf einer ehemaligen Pferderennbahn. Projekte in solcher Dimension wären in Deutschland vermutlich nicht möglich.
Das Kolosseum: Brot und Spiele für den Frieden im Imperium
Schon in der Antike werden Erhebungen mit stufenförmigen Reihen gebaut, damit möglichst viele Menschen zum Beispiel Sportereignisse verfolgen können. Ein „Stadion“ ist ein antikes griechisches Längenmaß von 600 Fuß. Von diesem Maß wurde die Bezeichnung auf die Wettkampfanlage übertragen. Also auf die Laufbahn und die entlang laufenden Zuschauertribünen.
Das Motto „Brot und Spiele“ beschrieb im alten Rom, wie man die Bevölkerung durch große Massenveranstaltungen ruhig stellen konnte. Machthaber wie Julius Ceasar sicherten sich den Rückhalt der Bevölkerung, indem sie große Mengen Nahrung verschenkten und unterhaltsame, pompöse Spiele veranstalteten.
Aus den römischen Amphitheatern hat sich die Form des modernen Stadions entwickelt. Man denke an das bekannteste Beispiel – das Kolosseum in Rom. Baulich waren die Stadien dabei immer Prestigeobjekte.
Stadien kosten die Steuerzahler Millionen
Gebündelte Begeisterung auf dem Platz und den Rängen: Auch in „modernen Stadien ist das Wichtigste das Spektakel. Das Bewusstsein des Einzelnen verschwimmt in kollektiven Emotionen“, hat der Architekt Volkwin Marg gesagt. Stadienbauten in Warschau oder Berlin haben ihm weltweiten Ruhm eingebracht.
Bei den Spielen im Fußballstadion wird es deutlich: Das Massenereignis ist hochemotional. Während der EM wird jede Nation wieder erleben, wie – trotz aller innenpolitischen und weltpolitischen Entwicklungen – plötzlich das „Wir“-Gefühl zurück ist.
Während der EM werden in den zehn „Host Cities“ – den Spielorten in Deutschland – die Stadien zu Epizentren der Stadt. Dafür wurden keine Kosten gescheut. Bestes Beispiel: Stuttgart. Um die MHPArena fit für die Europameisterschaft zu machen und den Anforderungen des Europäischen Fußballverbandes UEFA zu genügen, wurden 139,5 Millionen Euro in die Modernisierung gesteckt. Daran gab es viel Kritik.
Stadionneubau in Freiburg spaltet die Stadt
Für die Fans des FC Freiburg ist das neue Europa-Park-Stadion bei seiner Fertigstellung 2021 ein Schritt in die Zukunft ihres Vereins. Für viele Freiburger*innen aber war der Bau mit moderner Architektur ein Dorn im Auge. Der Verein brauchte ein neues Stadion, weil das alte in einem Wohngebiet lag und nicht weiter ausgebaut werden konnte.
Ein Problem: Es fehlen lukrative VIP-Lounges. Solche Plätze bringen den Vereinen viel Geld. Obwohl 58,2 Prozent bei einem Bürgerentscheid für den Stadion-Neubau in der Nähe des Stadtgebietes Mooswald entschieden haben, klagen am Ende Anwohnende wegen Lärmbelästigung.
Rechtsstreit um neues Stadion
Es folgt ein jahrelanger Rechtsstreit. Schon vor Baubeginn hatte man sich mit einer Bürgerinitiative gegen den Bau eingesetzt. Man fürchtete die Geräuschkulisse und die Blechlawinen von Autos, die zu den Spielen heranwalzen. Vom SC Freiburg heißt es damals, die Diskussion werde „hysterisch“ geführt. Die Gegner würden sich verhalten, als ob dort ein „atomares Endlager“ gebaut werden würde.
Am Ende wird ein Vergleich geschlossen. Die Stadt darf eine benachbarte, zehn Hektar große Waldfläche in den nächsten 30 Jahren nicht bebauen und soll sich dafür einsetzen, sie in das bereits bestehende Vogelschutzgebiet aufzunehmen. Im Stadtteil Mooswald sollen Spielplätze und Begegnungsstätten finanziell unterstützt werden.
Die schwierige Suche nach einem passenden Standort für Stadien haben auch schon andere Städte mit Promifußballclub hinter sich. Auch gegen die Arena, in der der FSV Mainz 05 inzwischen spielt, gab es eine Bürgerinitiative.
In Kaiserslautern prägt das Stadion das Stadtbild
Während viele Stadien inzwischen weiter draußen gebaut werden, allein schon um das Dauerproblem der Parkmöglichkeiten zu lösen, ist das traditionsreiche Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern mitten in der Stadt. Erhöht auf dem Betzenberg prägt es seit 1920 das Stadtbild.
Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde es aufwändig umgebaut. Auch Nachhaltigkeit sollte dabei eine Rolle spielen. Einzigartig sind Photovoltaikanlagen auf mehreren der Dächer.
Die Architektur der Fußballarena prägt die Umgebung. Seit längerem wird diskutiert, wie man das Umfeld des Stadions und das Areal besser nutzen könnte. Schließlich wird das Stadion nur zu wenigen Terminen im Jahr bespielt.
Generationenübergreifendes Quartier soll auf dem Betzenberg entstehen
Ideen gab es in der Vergangenheit so einige, seit die städtische Stadiongesellschaft im Jahr 2021 eine Entwicklung und Vermarktung der Flächen ins Auge fasste. Denn damit sollen Ausfälle an Pacht-Einnahmen für das Stadion kompensiert werden, so damals der Plan.
Es folgten unter anderem Workshops, auch mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Betzenbergs. Jetzt soll ein neues Quartier mit mehr als 400 Wohnungen entstehen. Unter anderem auch mit Kindergarten und Jugendtreff und einem Gebäude, in dem junge und alte Menschen sowie Menschen mit und ohne Behinderung zusammenleben.
Das alles umgeben von Bäumen und damit auch abgeschirmt von Fans, die ins Stadion wollen. Das Stadion ist hier architektonisch und gesellschaftlich ganz zentral für die Umgebung.
Eine Stuttgarter Ausstellung beleuchtet die Rolle des Sports in der Stadt
Architektur bezeugt die Hinwendung zur Vermarktungsmaschinen
Wie sich die Stadien in Hinblick auf ihre Architektur mit den Jahren verändert haben, ist spannend, gerade auch im Rückblick auf die Neubauten der Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Es ging und geht um eine maximale Vermarktung des Entertainments.
Das zeigt sich auch darin, dass die Arenen alle nach unterschiedlichen Konsumgruppen – VIP, Presse, Normalos und Fanblöcke – unterteilt sind. Experten gehen davon aus, dass sich dieser achitektonische Aspekt in Zukunft noch weiter zuspitzen wird. Stadien werden zu Vermarktungsmaschinen. Die Träger erhoffen sich dadurch mehr Gewinne.
Wenn Stadien zu Architektur-Ikonen werden
Welchen Einfluss die Architektur der Stadien gerade mit Blick auf ihre Akzeptanz in der Bevölkerung haben kann, zeigt das Münchner Olympiastadion von 1972. Es wurde zum Symbol einer neuen Leichtigkeit der westdeutschen Nachkriegsarchitektur.
Das Zusammenspiel von Architektur und Stadtlandschaft prägte damals das Gesellschaftsbild eines neuen Deutschlands. Nichts sollte bei den Olympischen Spielen 1972 an die Gleichschaltung der Massen, die von den Spielen 1936 in Berlin im kollektiven Gedächtnis geblieben waren, erinnern.
Stattdessen arbeitet man mit der Natur. Das Stadion wirkt nicht massiv, es besticht durch Transparenz und Leichtigkeit. Was hier geglückt ist: Die Olympia Sportstätte ist kein sogenannter „weißer Elefant“ geworden.
Weiße Elefanten: Auf die Olympischen Spiele folgt die Nutzlosigkeit
Die Gefahr von Sport-Großereignissen wie den Olympischen Spielen: Es entstehen teure und pompöse Stadien, die sich meist unmittelbar nach Ende der Veranstaltung als völlig unnütz erweisen. Ihre spätere Nutzung ist nicht gesichert und die Steuerzahler bleiben auf den Folgekosten sitzen.
Eine grundsätzliche Lektion daraus: Stadien könnten einen größeren Anteil am städtischen Leben haben, wenn man sie auch jenseits der Spielzeiten bespielt. Als Mehrzweckhallen, in denen fortwährend städtisches Leben stattfindet. Wieder lohnt der Blick nach Rom: Auch die Piazza Navona ist ursprünglich als eine Rennbahn entstanden, der Platz hat die Jahrhunderte überdauert.
Zukunft von Stadien
Egal, welche Stadien-Neubauten in der Zukunft noch entstehen – ganz entscheidend scheint zu sein, wo das Stadion gebaut wird und wie die lokale Mentalität der jeweiligen Stadt ist. Die sollte bei der Planung im Idealfall mitgedacht werden. Das Streben nach einem städtebaulichen Highlight allein wird nicht dazu führen, dass der Bau von den Fans und der restlichen Bevölkerung angenommen wird.
Ganz klar ist aber: Die Stadion-Architektur hat sich in den letzten Jahren stark verändert und weiterentwickelt. Auch wenn die Anfänge – wie das Kolosseum in Rom – noch immer erkennbar sind. Und natürlich wie die „Stadionwurst“ die Zeit überdauert.