Schon die alten Ägypter küssten sich gerne auf den Mund
Manche Forscher betrachten das Küssen als ein wenig romantisches Relikt der Fütterung von Mund zu Mund. Auch die Idee, dass nach Sigmund Freud ein Kuss an das Saugen an der Mutterbrust erinnert, ist kein Grund, im Erwachsenenalter damit fortzufahren. Vielmehr gibt es handfeste, andere Gründe.
Und vielleicht wussten das auch schon die Bewohner im Alten Mesopotamien und Ägypten, wo Wissenschaftler in Keilschrift-Texten Belege für romantische Küsse auf den Mund fanden – von vor über 4500 Jahren. Kisses forever!
Verliert das Küssen an Bedeutung? Kuss-Experte Hektor Haarkötter im Gespräch:
Die Wissenschaft des Küssens: Philematologie
Es gibt sogar eine Wissenschaft dazu. Philematologie wird dieser Zweig der Wissenschaft nach dem altgriechischen Wort für den Kuss (phílēma) genannt.
Viele Studien zeigen, dass die ganze Welt unterschiedlich küsst: Ureinwohner des Sudans zum Beispiel tun es gar nicht, wie auch viele indigene Völker Mittelamerikas. Vielleicht würden sie es mehr tun, wenn ihnen die Vorteile bewusst wären und dass alle, die küssen, in der Regel länger leben.
Ein Bootcamp für unser Immunsystem
Denn: „Küssen ist gesund“ – dieser Satz klingt wie aus dem Mund eines Teenagers, der gerade versucht, sein erstes Date zu überzeugen. Doch in Wahrheit steckt mehr dahinter.
Beim Küssen tauschen wir Keime aus, was (entgegen der ersten Ekelreaktion) eigentlich eine Art Bootcamp für unser Immunsystem ist. Eine Art Schutzimpfung, nur viel angenehmer.
Wie ein Miniurlaub für die Seele
Dann die Sache mit dem Herz-Kreislauf-System: Ein leidenschaftlicher Kuss bringt den Puls in die Höhe, die Blutgefäße weiten sich. So wird indirekt der Blutdruck gesenkt.
Wenn beim nächsten Arztbesuch also das Gespräch auf den Bluthochdruck fällt, lohnt es sich vielleich zu erwähnen, dass man einfach mehr küssen sollte. Der Arzt wird vermutlich schmunzeln, aber nicht widersprechen.
Küssen als Stressabbau? Absolut! Es ist wie ein Miniurlaub für den Geist. Statt jedoch in die Ferne zu schweifen, kann man auch in die Arme einer anderen Person reisen.
Und während man sich in diesem entspannten Zustand befindet, trainiert man noch 34 Gesichtsmuskeln. Ein natürliches Facelifting sozusagen, das vor den Spuren der Zeit schützt – oder zumindest vor einigen davon. Ganz zu schweigen von den 112 Nacken- und Halsmuskeln im Einsatz.
Küssen regt den Kalorienverbrauch an
Aber das Beste ist: Küssen macht schlank. Nun, zumindest ein bisschen. Ein intensiver Kuss verbrennt bis zu 15 Kalorien. Das mag nicht nach viel klingen, doch man bedenke: Ein paar Küsse hier, ein paar Küsse dort, und schon ist das Stück Schokolade von eben wieder wettgemacht.
Küssen steigert zudem das Selbstwertgefühl. Es ist eine Art Bestätigung: Jemand hat entschieden, dass man selbst küssenswert ist. In einer Welt, in der wir ständig nach Validation suchen, ist das doch ein ziemlich gutes Gefühl.
Küssen setzt das Trio infernale der guten Laune frei
Zum Schluss noch ein Wort zu den Glückshormonen. Küssen setzt Dopamin, Serotonin und Oxytocin frei. Dieses Trio infernale der guten Laune sorgt dafür, dass wir uns wohlfühlen, entspannen und das Leben ein bisschen weniger ernst nehmen.
Heute küssen sich Mann und Frau – und bestimmt auch Mann und Mann sowie Frau und Frau – angeblich im Schnitt etwa zwölf Sekunden lang. Vor rund 40 Jahren waren es noch knapp die Hälfte.
Der Mensch kommt in seinem langen Menschenleben auf geschätzte 100.000 Küsse. Wer noch viel mehr küsst, lebt sogar bis zu fünf Jahre länger, haben Wissenschaftler herausgefunden.
Also bitte Lippen spitzen
Lasst uns die Lippen spitzen und die Wissenschaft beiseitelegen. In einer Welt, die sich zunehmend digitalisiert und entfremdet, könnte die Lösung für viele unserer Probleme in einer der ältesten und natürlichsten menschlichen Handlungen liegen: dem Küssen. Die Mitmenschen werden es danken.