Essay Flower-Power

Unkraut vergeht nicht – Von fiesen Flechten, bösen Blumen und fantastischen Pflanzen im Film

Stand
Autor/in
Rüdiger Suchsland

Das Kino erinnert uns daran, dass auch die Natur der Pflanze keineswegs nur gut ist. Im Gegenteil: Über die Zeit liefern diverse Filme Beispiele dafür, wie zerstörerisch Blumen und Bäume sein können.

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Pflanzen als Verkörperung der „Rache der Natur“

Die Hölle ist grün. Zumindest in dem halben Dutzend Filme, die „Grüne Hölle“ heißen, oder diese Worte im Titel tragen. Um Politik geht es da nicht, sondern um Natur, genau gesagt um Pflanzen, die zur Bedrohung für Menschen werden.

Manchmal nur passiv, in Form eines undurchdringlichen Dschungels, der außer wilden Tieren auch Schlingpfanzen, ätzende Blüten, giftige Kräuter und allerlei Dornengerank birgt.

Oft aber aktiv in Form von irgendwie "denkenden" oder "fühlenden" Pflanzen, gewissermaßen als Verkörperung der "Rache der Natur".

Pflanzen im Film mehr als schmückendes Beiwerk

Nur scheinbar ist die Natur im Kino reine Kulisse. Tatsächlich zeigt gerade im Blick auf Pflanzen und das Vegetative das Kino seine Stärke als das Medium der Irritation und Verunsicherung, als die Kunst, die die Eindeutigkeit der Worte mit der Uneindeutigkeit der Bilder konfrontiert, und uns Impressionen mit auf dem Weg gibt, die lange in uns weiterarbeiten. 

Erinnern wir uns nur nochmal an den „Kleinen Horrorladen“ und an „Audrey II“. Diese zunächst niedliche, dann auf gigantische Größe anwachsende und singende Topfpflanze ist das wohl berühmteste Gewächs des Kinos – und ein Menschenfresser.

Im ursprünglichen Finale gibt es kein Happy End, sondern die Machtübernahme der Welt durch Pflanzen – das passte nicht in die Zeit und in einen Film, der sich zwar über sadistische Zahnärzte lustig macht, aber bitte nicht über sadistische Pflanzen.

Heilserwartung an Pflanzen fehl am Platz

Eine ganze Generation sah in den 80er-Jahren diese Musicalverfilmung von Muppets-Erfinder Frank Oz. Sie zeigt uns: Wer von Pflanzen immer noch nur das Gute und von der Natur das Heil erwartet, der ist – gelinde gesagt – zumindest naiv.

Pflanzen sind nicht das Gute. Und sie sind auch nicht klüger als wir. Sie denken nicht, sondern sie wachsen; und wenn manche Menschen mit ihnen sprechen, sind sie selber schuld.

Der Film „High Life“ und die Eroberung des Weltraums

Zwei Frauen aus Europa haben das Motiv böser Pflanzen in letzter Zeit aufgegriffen: In "High Life", einem Science-Fiction-Film, erzählt die Französin Claire Denis mit eindrucksvoller Bildkraft von einem Raumschiff.

Die Passagiere haben, um mit Vitaminen versorgt zu sein, eine komplettes Gewächshaus mit Kräutergarten und Gemüsebeet an Bord. Mit der Zeit macht sich dies selbstständig, und irgendwann haben die Pflanzen alles übernommen und das ganze technische Equipment des Raumschiffs ist vermoost und umwurzelt. Wie ein Dornröschenschloss des 22.Jahrhunderts.

André Benjamin alias Andre 3000 von der Band Outkast spielt den Verbrecher Tcherny.
Zunächst ist noch alles gut, dann übernehmen die Pflanzen in „High Life“ die Kontrolle.

Pflanzen als das Monströse in der Natur – und im Film

„Little Joe“ von der Österreicherin Jessica Hausner ist weniger niedlich, als der Titel suggeriert: Hausner erzählt von einer nahen Zukunft, in der Biotechnik an der Tagesordnung ist.

„Little Joe“ ist eine genetisch veränderte Pflanze, die Menschen mit einem Duftstoff infiziert, der Gefühle erzeugt. Hausners Film zeigt das trügerische Wesen der Natur: Denn diese Blume manipuliert ihre Erzeuger.

Auch hier sind Pflanzen in erster Linie getreu der Prinzipien der Evolutionstheorie am eigenen Überleben interessiert. Bereitwillig opfern sie die Menschen - wenn es nur ihnen selber dient. Interessanterweise sind Filme über Pflanzen fast immer Horrorfilme.

Denn Pflanzen repräsentieren in unserer Kultur mehr noch als jedes Tier das Fremde, Unverständliche. Sie sind das Monströse in der Natur. Weil sie auch ein bisschen absurd sind, bringen Pflanzen die menschlichen Filmemacher auch auf absurde Gedanken.

Der Mörder ist immer die Pflanze

Neben den vielen „Blumen des Schreckens“ – so ein weiterer Film aus den 60er Jahren, in denen Blumen gewaltig wachsen und mörderisch werden –, gibt es im Kino auch viele absurd-monströse Bäume: „Trees“ heißt tatsächlich eine Parodie auf „Der Weiße Hai“, in der die Dialoge manchmal wortgleich übernommen werden.

Scharfe Zähne haben in diesem Film tödliche Pflanzen die Wanderer und Camper im Wald morden. Ernstgemeint ist dagegen „Das Happening“ von M. Night Shyamalan über Bäume, die ein Nervengift freisetzen, das Menschen in den Selbstmord treibt.

Da hilft es auch nichts, dass der Held sie irgendwann umarmt und mit ihnen spricht. Das Kino erzählt uns, was an Pflanzen böse und gefährlich ist. Die Pflanzen des Kinos zeigen uns, warum die Natur unkontrollierbar und warum sie unmenschlich ist. Es gilt darum: Wir Menschen können den Pflanzen und der Natur keineswegs vertrauen. Der Mörder ist immer die Pflanze. 

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