Kultfigur in Netz und Politik

Bernie Sanders und der Hype im Netz: Was macht den Altlinken so cool?

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Autor/in
Philine Sauvageot
Philine Sauvageot

Bernie Sanders ist regelmäßig Gegenstand von Internet-Memes. Warum fahren besonders junge Menschen auf den 82-jährigen Sozialisten ab? Offenbar trifft er nicht nur mit seinen politischen Positionen einen Nerv, er wird auch als ein besonders integrer und unabhängiger Politiker geschätzt.

Bernie Sanders in seinen Wollhandschuhen
Ein Bild, das den Zeitgeist beschreibt: Das Bild des resignierten Bernie Sanders geht kurz nach der Amtseinführung um die Welt.

Miesepeter in Wollhandschuhen

Unvergessen ist die Meme-Welle um Bernie Sanders im Januar 2021: Bei der Amtseinführung von Joe Biden sitzt der linke Senator aus Vermont mit verschränkten Armen und Beinen, Parka und gestrickten Fäustlingen eingesunken auf einem Klappstuhl; im Gesicht eine schief sitzende OP-Maske.

Sanders Pose wirkt teilnahmslos, fast beleidigt. Zweimal hatte er sich bei den demokratischen Vorwahlen als Kandidat aufstellen lassen – erfolglos. Nun, mit 79 Jahren, war es das wohl.

Seine resignierte Körperhaltung, die US-Medien als „grumpy chic“, also miesepetrig, bezeichneten, drückte aber auch die Stimmung zu Beginn des zweiten Pandemiejahres aus.

Ein Grafitti mit Bernie Sanders
Sanders' ikonische Pose wurde auch zum Motiv für Streetart-Künstler.

Die Meme-Maschine läuft heiß

Sanders war nur als Gast geladen und sollte bei der Amtseinführung eigentlich keine Rolle spielen. Aber das Foto des offenbar leicht fröstelnden Politikers ging viral.

Innerhalb weniger Stunden stellten es kreative Internetnutzer*innen frei und montierten es in alle möglichen Momente der Weltgeschichte. Die Handwärmer schafften es sogar zu einem eigenen Twitter-Account.

Bernie Sanders
Seinem Heimatstaat Vermont brachte der Internet-Ruhm in fünf Tagen 1,8 Millionen Dollar ein: Fan-Artikel von Sanders waren zwischenzeitlich ausverkauft.

Während manche den Demokraten in ikonischen Filmen platzierten …

My fav Bernie memes... pic.twitter.com/ywbo8gCVds

… ließen ihn andere nachträglich an der Mondlandung teilhaben …

The internet really can be magical pic.twitter.com/Jrwkj2twii

Dann wieder gesellte sich Sanders neben die Vertreter der Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg, den Briten Winston Churchill, den US-Präsidenten Franklin Roosevelt und den sowjetischen Diktator Josef Stalin.

This is the best one I’ve seen so far fwiw pic.twitter.com/kd3fOgyyCb

Auch deutsche Internetseiten spielten den Trend mit, etwa der Fußballbundesligist Mainz 05.

#BernieSanders allein in der OPEL ARENA. 😢 Ihr fehlt! #mainz05 pic.twitter.com/lcviLZgEeB

Sanders fügte sich aber auch wunderbar in das berühmte Foto „Mittagspause auf einem Wolkenkratzer“ ein, das eine Gruppe Bauarbeiter während der Entstehung des Rockefeller Centers in New York zeigt.

Seine Unabhängigkeit spricht für ihn

Bernie Sanders, 1941 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren, schloss sich erst spät und dann auch nur zeitweise den Demokraten an, um in zwei Vorwahlen zunächst gegen Hillary Clinton, später gegen Joe Biden anzutreten.

Bernie Sanders bei einem TV Duell an der Seite von Hilary Clinton
Bei den Vorwahlen zur demokratischen Präsidentschaftskandidatur 2016 trat Sanders gegen Clinton an und es sah zunächst danach aus, als würde er das Rennen für sich entscheiden. Doch Sanders verlor im entscheidenden Staat Nevada, unter Umständen, die bis heute als umstritten gelten.

Die meiste Zeit seiner Laufbahn trat der studierte Politikwissenschaftler als Parteiloser an. Seine Unabhängigkeit ist auch finanzieller Art: Sanders verzichtete in seinen Wahlkämpfen auf Spenden von Großkonzernen und hielt keine privaten Spendendinner ab. Der Wahlkampffinanzierung durch die Wirtschaft steht er kritisch gegenüber; diesen Zustand bezeichnete er mehrfach als oligarchisch.

Bernie Sanders Buch „Es ist okay, wütend auf den Kapitalismus zu sein“ in der SWR2-Kritik:

Relativ ausgewogene Positionen

Sanders nennt seine politische Orientierung „democratic socialism“. Im Unterschied zu anderen Linken kritisiert er den antidemokratischen Charakter kommunistischer Staaten wie der Sowjetunion.

Auf diesen wenig radikalen Anstrich seiner Politik dürften sich viele einigen können, geht es ihm doch offenbar nicht um einen Umsturz des politischen Systems. Sanders strebt eine Mischform aus Marktwirtschaft und sozialen Leistungen durch den Staat an. Kommentatoren ordnen ihn darum der klassischen Sozialdemokratie zu. Andere bezeichnen ihn als Linkspopulisten.

Bernie-Fans auch selbst potenzielle Nutznießer seiner Politik

Junge Menschen dürften sich von Sanders Reformvorstellungen auch als potenzielle Nutznießer angesprochen fühlen: So fordert Sanders etwa die Abschaffung von Studiengebühren und eine bessere Kinderbetreuung.

Bernie Sanders
Bei den Wahlkampfveranstaltungen von Sanders ist das Publikum häufig auffallend jung und divers.

Über einen Schwangerschaftsabbruch sollen Frauen selbst entscheiden, nicht der Staat. Sanders befürwortet die Legalisierung von Cannabis und Marihuana. Außerdem schwebt ihm vor, jedem jungen Studierenden eine vierjährige Uniausbildung anzubieten – kostenfrei.

Ein Mann aus einfachen Verhältnissen als Identifikationsfigur

Über seine prekäre Herkunft spricht Sanders offen: Nachhaltig geprägt und politisiert habe ihn, dass der Job seines Vaters als Verkäufer von Farblacken die kleine Familie zwar ernährte, aber kaum Luxus erlaubte. Die Geldsorgen beschäftigten ihn sehr, sein Studium finanzierte er mit Teilzeitjobs, Zuschüssen und Darlehen, später arbeitete er unter anderem als Zimmermann und freier Dokumentarfilmer.

Dass Sanders im Netz so starken Anklang findet und junge Menschen anspricht, erklärt sich aber auch mit seinen Wahlkämpfen, die stärker als bei anderen Kandidaten in den sozialen Netzwerken stattgefunden haben.

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