EM 2024

Das Stadion der Träume zur Fußball-EM – Doppelpass zwischen Kunst und Fußball

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AUTOR/IN
Christoph Leibold

Am 10.5. wird in München das „Stadion der Träume“ eröffnet. Es ist ein Projekt im Rahmen des Kulturprogramms der Euro 2024 und wird schon vor dem Turnier, am 10.5., in der FatCat in München (also ehemals Gasteig), seine Tore öffnen. Die Idee stammt vom Münchner Autor Albert Ostermaier. Bei weitgehend freiem Eintritt wird es Konzerte geben, Lesungen, Podiumsdiskussionen, Theaterstücke – immer geht es um Fußball und Gesellschaft.

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Fußball - bester Bühnenstoff

Andy Brehme und Roberto Baggio: Der eine verwandelte den siegbringenden Strafstoß im WM-Finale 1990 sicher, der andere ballerte den entscheidenden Elfer im Endspiel vier Jahre später über die Latte. Der Fußball produziert unablässig Helden – strahlende wie tragische. Bester Bühnenstoff.

Eine Reihe von Fußballer-Dramen bildet daher die zentrale Achse im Programm des Stadions der Träume. Das Stück über Baggio hat dessen italienischer Landsmann Davide Enia geschrieben, das über Brehme Nuran David Calis.

Fußball als großes Theaterstück

Weitere Theatertexte kommen von Olga Bach, Natalia Blok oder Friedrich Ani, der fantasieraumöffnende Pass zu allem von Albert Ostermaier, der möglichst breite Spielfreude entfesseln will:

 „Nichts ist schöner, als vor einem Fußball drüber zu spekulieren, was wird passieren? Welche Spielzüge? Welche Spielkultur? Welche Systeme? Das heißt, Fußball ist ja nicht nur 90 Minuten oder 90 Minuten plus X. Sondern es ist die Zeit davor, währenddessen. Das ist eigentlich ein großes, großes Theaterstück mit ganz vielen verschiedenen Erzählsträngen.“

 Der Traum des Fußballs ist der des gemeinsamen Spiels

Zu den Erzählsträngen des Stadions der Träume gehören neben den Theaterstücken auch Konzerte, etwa mit DJ Hell, Lesungen und vor allem Diskussionsveranstaltungen. Denn: Albert Ostermaier will ja nicht einfach Helden in kurzen Hosen abfeiern, sondern den Traumpass verwerten, den der Fußball liefert.

„Der Traum des Fußballs ist ja der Traum des gemeinsamen Spiels“, sagt Ostermaier. „Ich hab‘ das immer wieder in der ganzen Welt erlebt, dass der Fußball die Möglichkeit hat, dass Du über das Spiel ins Gespräch kommst.“

Antisemitismus, Rassismus - es geht auch um die Schattenseiten des Fußballs

Eine Utopie, die im Idealfall Wirklichkeit werden kann, aber auch immer wieder an ihr zu zerschellen droht. Daher geht es im Stadion der Träume auch um die Schattenseiten. Kommentator Marcel Reif beispielsweise spricht über Antisemitismus im Fußball. Oder Ex-Ball- und Gelegenheits-Bühnenkünstler Jimmy Hartwig sowie die Schauspielerin und ehemalige Fußballerin Shary Reeves reden über Rassismus auf dem Rasen wie den Rängen.

Reeves hat solche Momente immer wieder erleben müssen „…wo Du richtig so von der Seite nochmal eine reingedrückt kriegst: was willst’n Du eigentlich hier? Geh doch dahin, wo Du hingehörst!“

 Die ernüchterte Feststellung von Jimmy Hartwig: „Alle Leute, die das machen, haben geschichtlich nix dazugelernt!“

Kein zweites Sommermärchen

Um ein Zeichen dagegen zu setzen, ist das Stadion der Träume bewusst nicht dazu konzipiert, ein zweites Sommermärchen nach dem WM-Vorbild von 2006 samt Deutschlandfahnenmeer heraufzubeschwören. Die britische Künstlerin Morag Myerscough hat die improvisierte Arena aus Stahltribünen vor dem Münchner Kulturzentrum Gasteig mit farbenfrohen Außenwänden verkleidet.

Kunterbunt statt Schwarz-Rot-Gold lautet also die Devise. Filmregisseur Hans Steinbichler, der einen Film mit dem Titel „The Holy Game“ zum Programm beisteuert, hält sie für die einzig richtige:

 „Wir haben eine Antisemitismus-Debatte, die unvorstellbar war. Wir haben im Osten jetzt Wahlen, wo wir befürchten müssen, dass rechtsradikale Parteien Parlamentsmehrheiten bekommen. Deswegen finde ich es so wichtig, hier 2024 nicht die rosa Brille aufzusetzen, sondern hinzuschauen, wo es auch weh tut.“

Auch in Stuttgart wird es ein Stadion der Träume geben

Albert Ostermaiers Doppelpass zwischen Kickern und Künstlern kam so gut an, dass die meisten anderen EM-Ausrichterstädte nach dem Münchner Vorbild ebenfalls Stadien der Träume errichtet haben.

Das Stadion der Träume in Stuttgart beispielsweise wird am 16. Mai auf dem Marienplatz eröffnet. Dort gibt es Poetry Slams, eine Ausstellung über die Rolle von Juden im deutschen Fußball oder eine Art Trainingscamp, in dem man üben kann, zu streiten – nach Fairplay-Regeln!

Ganz im Sinne des Erfinders Albert Ostermaier: „Wir können die Welt nur besser machen durch Herzensbildung und durch die Bildung, dass wir lernen zuzuhören. Allen verschiedenen Stimmen zuzuhören. Und zuzuhören ist auch eine Art des Zusammenspiels.“

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