Bunte Eier und bunte Trachten als unverfängliche Hingucker
Wenn Ostern vor der Tür steht, begegnet man ihnen wieder überall: Sorbische Ostereier, sorbische Osterreiter und auch andere, weniger bekannte sorbische Osterbräuche wie etwa das Ostersingen oder das Osterwasser werden dann von der deutschen Presse dankend für die Berichterstattung herangezogen.
Man sieht bunte Eier, Frauen in bunter Tracht und bunt geschmückte Pferde. Männer in Zylinder und Gehrock verkünden zu lithurgischen Gesängen auf Obersorbisch – ja, es gibt zwei sorbische Sprachen! – die frohe Botschaft von der Auferstehung Jesu. Was für Bilder!
Für die Medien eignen sie sich gut, um einmal jährlich die kulturelle Vielfalt Deutschlands zu zelebrieren, auch um den medialen Bildungsauftrag zu erfüllen – und gleichzeitig die Sendung oder Seite mit netten, unverfänglichen Hinguckern zu versehen.
Dabei ist die anerkannte nationale Minderheit Deutschlands weitaus mehr als ein Folklore-Thema für die Medien.
Sorbische Kultur ist viel mehr als Ostern
Exotisierung heißt hier das Stichwort, denn wenn Ostern bei den katholischen Sorben eines nicht ist, dann ein hübsches Schauspiel für Touristen und Medien – es ist gelebte Kultur. Und sie beschränkt sich nicht auf Ostern. Wir sollten endlich damit aufhören, sorbische Kultur durch heimelige Gute-Laune-Berichte zu verniedlichen.
Was wir bei anderen Minderheiten gelernt haben nicht zu tun, trifft die Sorben nach wie vor mit voller Wucht.
Dabei sollte man sich vor Augen führen, dass sie als Angehörige eines im heutigen Deutschland sesshaft gewordenen Volks gerade von der deutschen Mehrheit seit Karl dem Großen in ihrem angestammten Heimatgebiet unterdrückt wurden.
Die Germanisierungstendenzen hörten auch danach nicht auf. Besonders schlimm waren sie während des Nationalsozialismus, als die Sorben kurzerhand zu „wendischsprachigen Deutschen“ verklärt und die flächendeckende Assimilation mit Sprachverboten vorangetrieben wurde.
Die Energie-Politik der DDR und auch danach führte zur Abbaggerung ganzer sorbischer Dörfer für den Braunkohletagebau. Die Kultur, die dadurch zerstört wurde, kommt nicht wieder. Auch die politische Wende und der Wegzug vieler junger Menschen in größere Städte und den Westen Deutschlands machen der Minderheit mehr zu schaffen als der Mehrheitsgesellschaft.
Minderheitenschutz provoziert Neid – auch darüber sollte man einmal berichten
Die Folge: Die Sorben – ein Volk, das wegen des deutschen Verbots einer Volkszählung nicht klar numerisch umrissen werden kann – sind heute mit ihren rund 60.000 aktiven Sprecherinnen und Sprechern eine Minderheit im Osten Deutschlands.
Sie genießen seit der DDR-Zeit zwar einen gewissen Schutz, haben in den Siedlungsgebieten in der Ober- und Niederlausitz eigene Schulen und Kindergärten, eigene Zeitungen und auch öffentlich-rechtliche sorbischsprachige Radio- und Fernsehsendungen.
Doch gerade diese „Besonderheit“ führt auch zu etlichen Vorurteilen und bisweilen sogar Hass und Missgunst gegenüber Sorbinnen und Sorben, wie Untersuchungen bestätigen.
Angst vor der Bedeutungslosigkeit
Und die Sorben haben Sorgen: Vor schwindenden Sprecherzahlen und weniger Engagement aus den eigenen Reihen, vor einer zunehmend rechten Öffentlichkeit, gerade auch in den Siedlungsgebieten. Und davor, eines Tages nicht mehr von der Mehrheit geschützt zu werden – einfach, weil vielleicht kaum mehr jemand weiß, wer diese Minderheit ist.
Oder weil sie von der Mehrheitsgesellschaft nur noch als Eier bemalendes, Trachten tragendes und singendes „Völkchen“ wahrgenommen werden. Die Klischees, die in den Medien über die Sorben verbreitet und immer wieder erneuert werden, zeigen jedenfalls diese Tendenz deutlich auf.
Was bitte soll man an solch einer anachronistisch wirkenden Folklore noch schützen müssen? Und sind bekennende Sorbinnen und Sorben nicht eh unpopulärerweise sehr heimatverbunden, womöglich religiös und auch noch stolz darauf?, könnten böse Zungen dann behaupten.
Rechte Brandstifter vereinnahmen auch die Sorgen der Sorben
Es wird also allerhöchste Zeit, dass die Sorben auch außerhalb der Ostertage und sorbischsprachiger „Spezial“-Medien in Deutschland einen Platz erhalten. Dass wahrheitsgemäß und ohne Vorurteile – egal ob positiv oder negativ – über sie berichtet wird. Dass ihre Sorgen auch in den Mehrheitsdiskurs eingebracht, und damit ernst genommen werden.
Probleme müssen klar benannt werden, auch der Umstand, dass viele Sorben und Sorbinnen das Gefühl haben, nur durch den Abschluss nach Außen überhaupt eine Chance gegen das (sprachliche) Verschwinden zu haben.
Denn eins ist klar: Wenn es nicht die demokratische Mehrheit tut, finden sich Brandstifter, die mit diesen Sorgen spielen. Absurderweise plakatiert die AfD seit geraumer Zeit in der Lausitz mit zweisprachiger Wahlwerbung und weiß gerade die konservativen Sorbinnen und Sorben damit durchaus anzusprechen.