Der Terminkalender einer Prinzessin ist voll
Der Tag im Leben einer Karnevalsprinzessin beginnt früh. Schlaf gab es nicht viel, die Veranstaltung am Vorabend hat sich in die Länge gezogen und so gilt es erst einmal, den Prinzessinnen-Glanz wiederherzustellen. Schlaftrunken und mit tiefen Augenringen geht es zum Friseur, die Haare wollen schließlich adrett frisiert sein. Ein Bad-Hair-Day ist in Amt und Würden nicht drin.
Das passende Make-Up gibt es gleich dazu, die Augenringe vom Vorabend verschwinden und die nächste Schicht aus Rouge und Puder wird aufgetragen, damit man auch bei der letzten Veranstaltung des Tages noch strahlt, als wäre sie die erste. Wie ich diese Prozeduren gehasst habe.
Gelegenheit für einen entspannten Start in den Tag gibt es nicht. Die Zeit drängt, die ersten Termine warten schon. Als Prinzessin hat man selten nur eine Verpflichtung am Tag: Prunksitzungen, Bälle, Umzüge, Fastnachtsgottesdienste – das Sammelsurium der Events ist groß und wirkliches Mitspracherecht hat man selten. Je größer die Karnevalsgesellschaft, desto voller auch der Terminkalender.
Ich kann mir bis heute nur schwer ausmalen, wie eine Stadtprinzessin aus Mannheim zum Beispiel die ganzen Verpflichtungen mit ihrem Privatleben und vor allem dem Job vereint. Da kann man nur den Hut (oder eher das Krönchen) ziehen.
Aber zurück zum Prinzessinnen-Alltag: Da Meckern nichts hilft, geht es ab in das unbequeme, dafür aber wunderschöne Prinzessinnen-Kleid im Cinderella-Look. Die Stäbe der Corsage bohren sich schon nach wenigen Minuten unangenehm in meinen Körper. Das wird wieder ein langer Tag...
Die Prinzessinengarderobe: Eine Frage des Geldes
Aber welches der Kleider zieht man für welchen Anlass an? Eine Karnevalsprinzessin hat natürlich nicht nur einen Dress im Schrank – verschiedene Farben, Ausführungen und Modelle stehen zur Wahl. Die hat sich die Prinzessin natürlich alle selbst gekauft, nebst den passenden Accessoires, Mänteln oder Schuhen. Ja, so ein Amt ist durchaus auch eine Frage des Geldes.
Nicht jeden Tag springt man behände aus dem Bett und ist bei bester Laune. Doch als Karnevalsprinzessin ist schlechte Laune ein absolutes No-Go, das Frohnatur-Sein wird zum Fulltime-Job. Man repräsentiert den Verein und die Fastnacht, steht rund um die Uhr im Mittelpunkt. Dir geht es heute nicht so gut? Spielt keine Rolle. Setz' dein zauberhaftestes Lächeln auf, Helau und Alaaf wollen gerufen werden.
Mehr als nur gut aussehen
Jede Abordnung von anderen Karnevalsvereinen möchte einen Smalltalk, Orden wollen ausgetauscht werden, Hände müssen geschüttelt werden. Und hier muss mit einem alten Vorurteil aufgeräumt werden: Als Prinzessin in der Fastnacht den eigenen Verein zu repräsentieren ist längst mehr als bloßes Winken und gut aussehen. Für eine Kampagne lang ist man das Aushängeschild des eigenen Vereins, das zahllosen kritischen Blicken standhalten muss. Ganz schön viel Verantwortung, die einen aber auch mit Stolz erfüllt.
Immerhin muss man sich um die kulinarische Versorgung keine Gedanken machen: Bei einer Prinzessin möchte jeder, dass es einem gut geht. So füllen sich die Gläser schneller als man sie leeren kann und die VIP-Behandlung, die einem auf sämtlichen Veranstaltung zuteil wird, lässt einen einen Hauch von Hollywood am eigenen Leib erfahren. Ich war dennoch manchmal froh, wenn ich mir eine kurze Auszeit gönnen konnte – das Prinzessin-Sein ist fordernd und anstrengend, keine Frage.
Sexismus in der Fastnacht ist real
Generell kommt man als Prinzessin viel herum, erlebt Dinge, die den meisten Leuten verwehrt bleiben. Die Zeit ist intensiv und ereignisreich, die Veranstaltungen sind bunt gemischt. Für mich war der wilde Trubel stets das beste an der Sache, wenngleich ich mich manchmal auch fühlte, wie eine Puppe im Theater, die keinen freien Willen hat. Das hat auch mit einer der Schattenseiten des Amtes zu tun.
Offensichtlich meinen einige Männer, dass man unter den schier endlosen Lagen aus Tüll die unauffällig auf dem Hintern platzierte Hand nicht spürt. Ein Tätscheln hier, ein Streicheln da – auch damit ist man als Prinzessin konfrontiert. Noch immer ist Fasching eine Männerdomäne, in der so manch Elferrat seine Grenzen nicht kennt. Ja, der Sexismus in der Fastnacht ist real und auch mit bestem Willen nicht schönzureden.
Ich würde es wieder tun!
Halten wir fest: Das Prinzessinnen-Amt kostet viel Geld und Zeit, Sexismus gibt es auch ab und zu und das Dauergrinsen sollte man sich am besten direkt bei Amtseinführung einmeißeln lassen. Das klingt in Summe wenig erbaulich.
Hört man sich unter Ex-Tollitäten um, so würden dennoch fast alle Frauen sagen, dass sie nichts bereuen und dass die Zeit zu einer der schönsten ihres Lebens gehört. Auch ich muss in Summe zugeben, dass ich gerne eine Tollität war. Woran liegt das?
Geeint sind sicherlich alle Prinzessinnen und Ehrendamen, so verschieden sie auch sein mögen, durch die Liebe zur Fastnacht und dem Brauchtum. Prinzessin wird man nicht aus heiterem Himmel, in den meisten Fällen ist man als Tollität seit Jahren aktive Mitgestalterin der Fastnacht. Man weiß, worauf man sich einlässt.
Das Leben in einer Stuttgarter Faschingsfamilie:
Brauchtumspflege ist Ehrensache
Hier kommt die Verbundenheit zum Verein ins Spiel: Den eigenen Verein, in dem man meist seit Kindesalter aktiv die Fastnacht feiert, zu unterstützen, gehört für viele Frauen dazu. Es ist weitläufig bekannt, dass die Findung einer geeigneten Kandidatin für das Amt nicht immer einfach ist. Brauchtumspflege ist eben Ehrensache, die man im Zweifel nur versteht, wenn man in den närrischen Gefilden aufgewachsen ist.
Eine Prinzessin erfüllt es mit Stolz, die Fastnacht repräsentieren zu dürfen. Und natürlich gibt es unter den Tollitäten nicht wenige, die das Aufhebens um die eigene Person mit jeder Faser genießen. Die es lieben, sich immer wieder fein rauszuputzen und den strahlenden Mittelpunkt jeder Sitzung mit Freude zu markieren. Für alle diejenigen ist es ein sich erfüllender Kindheitstraum, wenn sie das Zepter überreicht bekommen – ich war keine von ihnen. Stolz, den Verein unterstützt und repräsentiert zu haben, empfinde ich auch zehn Jahre später noch.
Die Liebe zur Fastnacht lässt einen über Vieles hinwegsehen
Und genau diese Liebe zur Fastnacht und zum eigenen Verein lässt einen über die Schattenseiten gerne hinwegsehen. Real sind sie dennoch: Wenngleich man sich seit Jahren bemüht, die Rolle der Frau im Faschingstrubel auch abseits des Tanzes weiter zu stärken, ist es noch ein weiter Weg, bis das Prinzessinnen-Weltbild endgültig den Weg ins 21. Jahrhundert findet.
Denken Sie daran, wenn Sie in den närrischen Tagen einer Prinzessin zuwinken: Es gehört weit mehr dazu, eine Tollität zu sein, als nur gut auszusehen. Betrachten Sie die Prinzessinnen, Ehrendamen und Prinzenpaare respektvoll als das, was sie sind: Aktive Erhaltende eines jahrhundertealten Brauchtums, die für ein Jahr die Fastnacht zu ihrem Fulltime-Job gemacht haben, mit allen Entbehrungen, die das Amt mit sich bringt.
Und auf alle Tollitäten der aktuellen Kampagne: Ein dreifach kräftiges Helau, Alaaf und Ahoi!