Wir schaffen es immer noch nicht, den Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Auch Demokratien scheitern daran. Dabei könnte eine demokratische Lebensform genau das richtige Mittel sein, um die Katastrophe einzudämmen, sagt die Historikerin Hedwig Richter in SWR Kultur, denn in der Demokratie komme es auf das Wirken jedes Einzelnen an.
Selbstverschuldete ökologische Unmündigkeit
Wissen und Informationen zum Klimawandel gebe es genug, das beschreiben Richter und ihr Co-Autor Bernd Ulrich in ihrem neuen Buch „Demokratie und Revolution: Wege aus der selbstverschuldeten ökologischen Unmündigkeit“. Es fehle aber an der Selbstermächtigung, aus diesem Wissen heraus zu handeln.
Nicht umsonst haben sich die beiden beim Philosophen Immanuel Kant bedient. Dessen Satz von der „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ beschreibt den Aufbruch in das Zeitalter der Aufklärung. Das lasse sich auf unsere Gegenwart übertragen, sagen Richter und Ulrich.
Menschen müssen Verantwortung übernehmen
„Wir gehen in der Demokratie davon aus, dass wir Verantwortung übernehmen und dass die Politik uns auch Verantwortung zumutet“, erklärt Hedwig Richter. Das gelte auch beim Thema Klimawandel und Artensterben. „Menschen müssen als Erwachsene angesprochen werden.“
Die Politik dürfe uns keine falschen Versprechungen machen und so tun, als könnte alles so bleiben wie es ist. „Aber eine ökologischere Welt bringt nicht nur Zumutungen, sondern sie lohnt sich auch. Denn eine ökologischere Welt ist auch gerechtere Welt.“
In der Demokratie kommt es auf jeden an
Bislang werde aber immer nur von einem Konflikt zwischen der Bekämpfung des Klimawandels und der Demokratie gesprochen. Dabei könne gerade die Selbstermächtigung hin zu einer ökologischen Welt auch unsere Demokratie neu beleben, betont Richter.
„Beim Thema Ökologie und Klimawandel können wir uns unsere demokratische Lebensweise beweisen.“ Denn Demokratie sei nicht nur eine Regierungs-, sondern auch eine Lebensform, bei der es auf jeden Einzelnen ankomme.
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