Infernalischer Gestank: Auf dem Friedhof stapeln sich die Leichen
Auf den ersten Seiten seines Romans „Das Parfüm“ beschreibt Autor Patrick Süskind eindrücklich das sensorische Erlebnis auf dem größten Pariser Stadtfriedhof, dem Cimetière des Innocents. Es sei ein Ort des besonders infernalischen Gestanks:
Was Süskind beschreibt, darf durchaus für bare Münze genommen werden. Ende des 18. Jahrhunderts quillt der Cimetère des Innocents im wahrsten Sinne des Wortes über.
Durch Hunger und Seuchen sterben mehr Menschen, als die innerstädtischen Friedhöfe aufnehmen können. Die Leichen stapeln sich, bei starkem Regen kommt es sogar zu Durchbrüchen in die Keller der umliegenden Häuser und austretende Leichengifte verseuchen das Grundwasser.
Der Hauptfriedhof in Mainz wird zum Prototyp für Frankreichs neue Friedhofskultur
Als die Kirche nach der Französischen Revolution an Bedeutung verliert, nimmt man sich in Paris der Leichenproblematik an. Die innerstädtischen Friedhöfe werden aus hygienischen Gründen geschlossen und neue, weitläufige Begräbnisflächen vor den Toren der Stadt angelegt.
Gerade Mainz, zu Beginn des 19. Jahrhunderts Verwaltungssitz des französischen Départements Mont-Tonnère (Donnersberg), spielt in der Planung dieses neuen Friedhofstyps eine Vorreiterrolle. 1803 wird mit dem neuen Hauptfriedhof einer der ersten Parkfriedhöfe eröffnet.
Mainz wird auch zum direkten Vorbild für den ein Jahr später angelegten neuen Pariser Friedhof Père Lachaise, bis heute einer der meistbesuchten Friedhöfe der Welt.
Umgebettete Dichter machen den Friedhof zur touristischen Attraktion
Um der Pariser Bevölkerung die neuen Friedhöfe vor den Toren der Stadt schmackhaft zu machen, lässt die Pariser Regierung die Leichen der Dichter Molière und Jean de la Fontaine exhumieren und widmet ihnen neue Grabstätten auf dem Friedhof Père Lachaise.
Ein großer Erfolg: Die Pariser kommen nun nicht nur zum Totengedenken, sondern auch, um die Gräber der berühmten Dichter zu besichtigen. Der neue Friedhof wird zur Wallfahrtstätte der Bildungsbürger. Über die Jahrhunderte finden immer mehr Berühmtheiten auf dem Hügel im 20. Arrondissement ihre letzte Ruhe.
Bis heute pilgern jährlich mehrere Millionen Menschen zum Père Lachaise, um an den Gräbern von Édith Piaf, Maria Callas, Gioachino Rossini, Marcel Proust, Oscar Wilde oder „The Doors“-Frontman Jim Morrison zu stehen. Père Lachaise ist heute nicht nur Friedhof, sondern Freilichtmuseum.
Bemerkenswerte Friedhöfe im Südwesten:
Der Friedhof bietet auch Tieren einen wertvollen Schutzraum in Ballungsräumen:
Wie kann der Friedhof der Zukunft aussehen?
Auch auf dem berühmtesten Friedhof Frankreichs sind heute Verbrennungen eine der gefragtesten Bestattungsmethoden.
Noch nie waren Menschen so wenig ortsgebunden wie heute. Grabpflege ist daher für viele Hinterbliebene ein Problem. Die Nachfrage nach Urnengräbern und Friedwäldern steigt enorm. Doch ausgedient hat der klassische Friedhof deshalb noch lange nicht. Seine Aufgabe wird sich nur, wie in den letzten Jahrhunderten, neu definieren müssen.