Zeitwort

30.6.1994: Das Bundesgesundheitsamt wird aufgelöst

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Autor/in
Wolfgang Meyer

Eine gute Handvoll nebeneinander existierender Forschungsinstitute, etwa 3.000 Beamte plus die Befugnis, Entscheidungen zu treffen, die für die Wirtschaft wichtig und teuer sind — das Ganze 40 Jahre lang im eigenen Sud lassen. Ergebnis: das Bundesgesundheitsamt (BGA). Nach dem Aids-Bluter-Skandal wird es vom damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer aufgelöst.

Ein Gesundheits-Skandal und seine Folgen

Betroffen sind vom „Aids-Bluter-Skandal“ ungefähr 1.500 Menschen. Die Hämophilie-Patient*innen werden in den 1980er Jahren durch kontaminierte Blut-Konserven mit HIV infiziert. Mehr als 1.000 Bluter*innen sterben daraufhin an Aids.

Rainer Grote, ein Interessenvertreter der Hämophilie-Patient*innen, spricht schon bevor das genaue Ausmaß bekannt wird, von einem Blutkonserven-Skandal größeren Umfangs — er kritisiert „Nachlässigkeiten“ und das „Zurückhalten von Informationen“ im Bundesgesundheitsamt.

Der Bundestag untersucht die Vorgänge

Der Bundestag setzt Ende Oktober 1993 einen Untersuchungsausschuss ein, der den Skandal aufklären soll. Unter dem Brennglas: eben jenes Bundesgesundheitsamt.

Der Vorwurf: „Das Bundesgesundheitsamt habe in 373 Fällen Kenntnis gehabt von Hämophilie-Patienten – die durch HIV-verseuchte Blutkonserven Aids bekommen hätten – aber das Amt habe diese Fälle geheim gehalten. Auch gegenüber dem Gesundheitsministerium.“

Nicht der erste Skandal im BGA

Das Bundesgesundheitsamt ist damals nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen. Auch beim Umgang mit dem krebserregenden Dämmstoff Asbest sind Auffälligkeiten festzustellen: Nach Beginn der Untersuchungen auf gesundheitliche Risiken im Jahre 1977 brauchen die Wissenschaftler des Amtes auffällig lange bis klar ist: Das Zeug ist hochgradig krebserregend.

1989 rügt der Bundesrechnungshof, dass das Gesundheitsamt offenbar Spenden der Asbestindustrie entgegengenommen hat. Manche der Kritiker*innen sehen Zusammenhänge.

Horst Seehofer, der Bundesgesundheitsminister nimmt den Aids-Bluter-Skandal zum Anlass, um nun die ganz große Axt zu schwingen und das BGA aufzulösen. Ein finaler Befreiungsschlag, mit dem – so sehen es damals Politikexperten – der Minister auch den eigenen Kopf aus der Schlinge zieht.

Medizingeschichte HIV und Aids – Geschichte einer Pandemie

Für viele beginnt die Geschichte von AIDS Anfang der 1980er-Jahre. Tatsächlich ist das HI-Virus wahrscheinlich schon 100 Jahre alt. Und seine Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt.

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Wolfgang Meyer