Anstößige Badekleidung wird verboten
Die Bademode unserer Großeltern und Urgroßeltern war oft handgenäht, zuweilen sogar selbst gestrickt. Der Stoff verhüllte zwar züchtig. Doch wehe, er wurde nass!
Dann zeichneten sich unvorteilhaft eingezwängte Körperteile beiderlei Geschlechts ab. Mitunter äußerst detailgenau. Solchermaßen frivole Augenfälligkeiten sind der Obrigkeit in der Endphase der Weimarer Republik ein Dorn im Auge.
Am 18. August 1932 erlässt Reichskommissar Franz Bracht die Badepolizeiverordnung. Paragraf eins regelt: Das öffentliche Nacktbaden oder Baden in anstößiger Badekleidung ist verboten.
Der Erlass verfehlte seine Wirkung
Nur wenige Wochen zuvor hatte sich eine Clique aus rechtskonservativen Katholiken um Franz von Papen in Preußen an die Macht geputscht. Und sofort damit begonnen, die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umzukrempeln.
„Das heißt, sie verbot nacktes, oder aus ihrer Sicht zu leicht bekleidetes Baden, um ihrer eigene christlich-nationalistische Anhängerschaft - ihre „Base“ zufrieden zu stellen.“ Analysiert Dominik Rigóll vom Leibnitz-Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam.
Das Problem: „anstößige Badekleidung“ ist ein schwammiger Begriff. Der Erlass verfehlt seine Wirkung. Und so sieht sich Franz Bracht zu Präzisierungen gezwungen.
Der Zwickelerlass sorgte für reichlich Spott
Sechs Wochen später veröffentlicht er den sogenannten „Zwickelerlass“: Kommentar von Franz Bracht: Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt, sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist.
Auch Männer-Badehosen müssen nun einen „Zwickel“ haben: Ein nahezu dreieckiges Stück Stoff, das mit seiner Keilform, eingenäht im Schritt, Unaussprechliches auch unsichtbar machen sollte.
Wie die komplizierte Badeordnung überwacht wurde, darüber ist kaum etwas überliefert. In der Presse sorgte sie jedenfalls für viel Spott.
Himmler erlaubte zehn Jahre später FKK
Politik-Historiker Dominik Rigóll sieht in dem heute absurd anmutenden Erlass aber etwas Ernsteres: „Ein Versuchsballon, mit dem das Bündnis zwischen den nationalkonservativen, die hinter dem Zwickelerlass stehen und der NSDAP, die dann 1933 an die Macht kam angebahnt wurde. Das ist deshalb plausibel, weil der Zwickelerlass von allen möglichen Seiten sehr lautstark kritisiert wurde, nur nicht von der NSDAP. “
Konsequenterweise schaffen die Nationalsozialisten den Erlass ihrer konservativen Steigbügelhalter bald wieder ab. 1942 erlässt Heinrich Himmler eine neue polizeiliche Badeverordnung, die FKK an eigens dafür ausgewiesenen Stellen legalisiert.
Heute ist fast alles erlaubt
Und was ist heute beim öffentlichen Baden erlaubt? Die aktuelle Badeordnung der Berliner Bäderbetriebe spricht von „handelsüblicher Badekleidung“. Zum Beispiel Badehose, Badeshorts, Bikini, Badeanzug, Burkini. Badehosen und Badeshorts dürfen maximal knielang sein.
Viel Bade-Freiheit also. Nur einen Hinweis gestattet sich die Badeordnung noch: „Duschen Sie sich gründlich und legen Sie dazu die Badebekleidung ab.“
Soziale Netzwerke statt Sittenwächter
Soziologen beobachten schon seit Längerem, dass nackt duschen vor anderen vor allem bei Jugendlichen aus der Mode kommt. Ein Kulturwandel: wohl mit ausgelöst von den unrealistischen Körperbildern, die bei Instagram oder Youtube verbreitet werden.
Vor 100 Jahren wurde den Badenden die Scham von prüden Sittenwächtern eingeredet. Heute erledigen das die sozialen Netzwerke. Und brauchen dafür nicht mal einen Zwickelerlass.
Sexismus im Sport Geldstrafe wegen zu langer Hosen: Norwegische Beachhandballerinnen bekommen prominente Unterstützung
Weil sie bei einem EM-Spiel statt der vorgeschriebenen Bikini-Slips Radlerhosen trugen, wurde den Spielerinnen der norwegischen Beachhandball-Mannschaft vom europäischen Handballverband EHF nun eine Geldstrafe auferlegt. Der Fall heizt die Debatte um Sexismus im Sport neu an.