Karl-Sczuka-Preis 2004

Preisträger: Jon Rose

Stand

Der australische Komponist, Violinist und Performancekünstler Jon Rose hat den Karl-Sczuka-Preis für sein Hörstück "Skeleton in the Museum" erhalten. Rose verabeitet darin historische Tondokumente des Grainger-Museum in Melbourne.

Der Südtiroler Schriftsteller Oswald Egger erhält den Karl-Sczuka-Förderpreis für seine ORF-Produktion "tuning, stumm", die am 18. Juli 2004 vom ORF Kunstradio urgesendet wurde.

Preisverleihung bei den Donaueschinger Musiktagen

Die Preisverleihung durch SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann fand am 16. Oktober um 9.30 Uhr im Rahmen der Donaueschinger Musiktage statt. Die Laudatio hielt Jurymitglied Frank Kaspar.



Einreichungsrekord mit 95 Werken

Die Jury hatte in diesem Jahr 95 Werke zu beurteilen, die von 124 Bewerberinnen und Bewerbern aus 19 Nationen eingereicht worden waren, darunter mehrere Realisationsteams. Die Zahl der Einreichungen kam damit auf den höchsten Stand seit Stiftung des Preises. Den zweithöchsten Stand erreichte die Zahl der 36 eingereichten Autorenproduktionen. Dabei hat die Zahl der jüngeren Bewerber deutlich zugenommen.

Preisträger

Jon Rose, geboren 1951 in der englischen Stadt Rochester, begann mit sieben Jahren Violine zu spielen, nachdem er ein Stipendium der dortigen King´s School erhalten hatte. Mit 15 brach er die herkömmliche musikalische Ausbildung ab und unterrichtete sich fortan vorwiegend selbst.

In den 70er Jahren tat er sich, zunächst in England, dann seit 1976 in Australien, in einer Vielzahl musikalischer Gattungen um und bildete sich darin weiter - vom Sitarspiel bis hin zu Country und Western; von der Komposition Neuer Musik bis hin zu kommerziellen Studio-Sessions; vom Bebop bis hin zur Mitwirkung in italienischen Club-Bands; von der Komposition für Big Band bis hin zu Klanginstallationen.

In Australien wurde er zur Zentralfigur, was die Weiterentwicklung der "freien Improvisation" betrifft; landauf, landab trat er in nahezu jeder Kunstgalerie, jedem Jazz- und Rockclub auf - entweder als Solist oder mit einer international zusammengesetzten Gruppe improvisierender Musiker namens ´The Relative Band´.

1986 zog er nach Berlin, um dort sein (seit etwa 25 Jahren) laufendes Projekt zu verwirklichen: Die "Relative Violine". Es handelt sich dabei um die Entwicklung einer "Totalen Kunstform" auf der Basis dieses speziellen Instruments, das er immer wieder dekonstruierte und zu - teilweise sehr skurrilen - neuen Instrumenten zusammensetzte. Dafür entwickelte er - neben zahlreichen Neuerungen im Instrumentenbau - neue Spielweisen, wobei er auch analoge und auch interaktive Elektronik einsetzt.

Jon Rose tritt als Solomusiker oder mit seiner Gruppe international jährlich in zahlreichen Konzerten und Festivals auf und hat mit vielen Exponenten der zeitgenössischen Musikszene wie Shelley Hirsh, Alvin Curran, Phil Minton, David Moss oder Lauren Newton zusammengearbeitet. Für seine Performances nutzt neben seinen zahlreichen Live-Auftritten auch die Möglichkeiten des Radios und auch der visuellen Medien. Hörstücke von ihm entstanden für u.a. Programme von ABC, BBC, WDR, SR, BR, Radio France, RAI, ORF, SFB.

1989 wurde Jon Rose als erster australischer Komponist mit dem DAAD-Künstler-Stipendium in Berlin ausgezeichnet und leitete dort im Rahmen des Festivals für Neue Musik "Inventionen" das erste "Relative Violin Festival" mit über 50 Geigern aus aller Welt. Darüber hinaus leitet er unter dem Titel "String ´em up" ein eigenes Festival für die Streicher-Avantgarde und ihre Instrumente (1998 in Berlin / 1999 in Rotterdam / 2000 in New York / 2002 in Paris).

Bis heute war Rose an mehr als 65 Schallplatten- und CD-Veröffentlichungen beteiligt und publizierte in Melbourne zwei Bücher: "The Pink Violin" und "Violin Music in the Age of Shopping". Zu seinen Gruppenprojekten zählen das neunköpfige Streicherensemble "Strung", "Violin Music in the Age of Shopping", die berüchtigte Berliner Noise-Impro-Rockband "Slawterhaus", die interaktiven, auf der innovativen Musik und den Perversionen des exzentrischen australischen Komponisten Percy Grainger basierenden "Badminton-Perks".

Im Jahre 2000 gründete Jon Rose zusammen mit dem Pianisten Veryan Westen ein neues Duo, "Temperament", das sich auf die Improvisation mit veränderten Stimmungen für Tasteninstrumente und unterschiedlichen Skordaturen für Violinen spezialisiert hat.

Seit 2002 lebt Rose wieder in Australien. Für den australischen Rundfunk ABC entwickelte er die Projekte "Australia Ad Lib", das die alternative Musik in Australien dokumentiert, sowie - gemeinsam mit dem US-Geiger Hollis Taylor - "Great Fences of Australia" - eine Art musikalischer Landkarte des Kontinents, entlang der großen Zäune, die das Land durchziehen.

2004 wurde Rose mit seinem Projekt "Temperament" (für Violine und historische Tasteninstrumente) von den Berliner Festspielen und dem Fast Forward Festival in Wien eingeladen und unternahm Gastspielreisen durch vier europäische Länder.

Preiswerk

Der Titel verweist auf den australischen Komponisten Percy Grainger und dessen Wunsch, sein Skelett in seinem auf dem Gelände der Universität Melbourne gelegenen Museum auszustellen. Nach seinem Tod im Jahre 1961 weigerten sich die Stadtoberen, diesem Wunsch zu entsprechen - mit der Begründung, dergleichen verstoße gegen das gesunde Volksempfinden.

Percy Grainger

Percy Grainger zählte zu den großen Außenseitern der Musik des 20. Jahrhunderts; erste Anerkennung fand er mit seiner Idee der Free music, der ametrischen, rhythmisch freien Musik und damit, dass er, assistiert von Burnett Cross, in seinem Wohnort White Plains, New York, Geräte aus Fabrikschrott schuf, mit denen er diese Musik realisieren konnte - wobei er verschiedene musikalische Ausdruckmittel verwendete, wie etwa auf und nieder gleitende Klanglinien, die längst Eingang in die zeitgenössische Musiksprache gefunden haben. Graingers Begriff der Free music und der ametrischen Musik reicht zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, als er noch als junger Pianist in Melbourne wirkte. Auch bei der Verwendung von Aufnahmegeräten als Musikinstrumente war er einer der Vorreiter - schon kurz nach der Erfindung der Schallplatte benutzte er dieses Medium zur Aufzeichnung und Transkription (wenn nicht gar Transformation) ozeanischer, skandinavischer und britischer Volksmusik. Percy Grainger ist zweifellos der Vater der australischen Experimentalmusik und des innovativen Instrumentenbaus. In der Geschichte der elektronischen Musik nimmt er nach wie vor eher eine Außenseiterposition ein, was sich nicht zuletzt seinen extremen Ansichten zu Rasse und Sexualität verdankt; weithin bekannt ist er heute eigentlich nur noch für seine amüsanten Klavierstücke wie etwa Country Gardens.

Besetzung:

Jon Rose - Violinen, Interaktiver MIDI-Bogen, Micro Tonal Butterfly Piano, Orgel

Rainer Linz - Klarinettenmaschine, Gleittonmaschine

Tom Fryer - Multiple Sensor Guitar

Stuart Favilla - Laserharfe

Joanne Favilla - Fagott, Interactive Serphant

Percy Grainger - Duo Art Piano, Harmonium, The Reed Tone Tool,

Kangaroo Pouch Machine und er selbst

Robert Menzies übernahm die Rolle von Percy Grainger, wenn er selbst nicht zu hören war

Ella Grainger schrieb und sang gegen Ende das Liebeslied - diese Komposition wurde erstmals ausgestrahlt.

Garry Havrillay - Toningenieur

Steven Tilley - Schnitt, ABC, Sydney

Dank an: Brian Alison, dem Leiter des Grainger Museums, für die Erlaubnis, die Exponate und Archive dieser höchst außergewöhnlichen australischen Institution benutzen zu dürfen.

Das Blisters Ensemble

Das Blisters Ensemble ist eine australische Musikgruppe, deren Verwendung interaktiver, selbstgefertigter Elektronikinstrumente bei Liveauftritten als bahnbrechend gelten darf; die Musiker greifen in vielerlei Hinsicht Graingers phantasievolle Ideen auf und entwickeln sie weiter. Das Ensemble setzt sich zusammen aus Jon Rose, Rainer Linz, Tom Fryer, Joanne Cannon und Stuart Favilla. Im April 2003 verbrachten sie ein gemeinsames Wochenende damit, die Archive des Grainger-Museum zu durchforschen. Viele der in dieser Produktion verwendeten, von Grainger in »Heimarbeit« erstellten Aufnahmen sind hier erstmals zu hören.

Förderpreisträger

Geboren 1963 in Lana, lebt in Wien und auf der Raketenstation Hombroich. 1992 Abschluss an der Universität Wien mit einer Poetik des Hermetischen (»Wort für Wort«). Österreichisches Staatsstipendium, Wiener Autorenstipendium und Projektstipendien des BKA.

1986-1995 Veranstalter der Kulturtage Lana

1989-1998 Herausgeber der Zeitschrift Der Prokurist sowie der edition per procura

Aufenthaltsstipendium der »Akademie Schloss Solitude«, Stuttgart (1996)

Aufenthaltsstipendium »Schloss Wiepersdorf« (1999), Berlin

Writer in Residence: Chinati-Foundation, Texas 2000

Writer in Residence: Villa Aurora, Los Angeles 2001

Fellowship Literatur der Stiftung Insel Hombroich 2002

Gastprofessur für Poetik, Cornell University, Ithaca, 2003

Auszeichnungen (Auswahl)

Mondsee-Lyrikpreis 1999

George-Saiko-Preis 2000

Clemens-Brentano-Preis 2000

Christine-Lavant-Förderpreis 2001

Förderungspreis der Stadt Wien 2001

Lyrikpreis Meran 2002

Preis der »Schönsten deutschen Bücher« der Stiftung Buchkunst für »Nichts, das ist« 2002

Stipendium des Deutschen Literaturfonds 2002

Veröffentlichungen (Auswahl)

Die Erde der Rede. Münster: Kleinheinrich 1993

Gleich und Gleich. Zürich: Howeg 1995

Blaubarts Treue. Stück. Zürich: Howeg 1997

Und : der Venus trabant. Oper als Topos ohne Ort. Zürich: Howeg 1997

Juli, September, August. Herde der Rede Moiré. Stuttgart: Edition Solitude 1997

Sommern. Zürich: Edition Howeg 1998

Herde der Rede. Poem. Suhrkamp Verlag 1999

Poemanderm Schlaf. (Der Rede Dreh) Zürich: Edition Howeg 1999

To Observe The Obverse. Zürich: Edition Howeg 2000

Nichts, das ist. Gedichte. Suhrkamp Verlag 2001

-broich. Homotopien eines Gedichts. Edition Korrespondenzen., Wien 2003

Room of Rumor. Tunings. green integer, Los Angeles 2004

Prosa, Proserpina, Prosa. Suhrkamp Verlag 2004

Zusammenarbeiten mit Komponisten (Auswahl)

Der Venusmond. Mit Burkhard Stangl (Wien) (UA: New York + Krems 1998)

A sea of ptyx. Mit Michael Pisaro (Calarts) (UA: Los Angeles 2001)

Hanging Garden. Mit Michael Pisaro (Calarts) (UA: Kunstraum Düsseldorf 2002)

Tag und Nacht sind zwei Jahre Mit Michael Pisaro (Calarts) (UA: Kunst im Bunker, München 2003)

wort für wort (geraum). Mit Antoine Beuger (Düsseldorf) (UA: Donaueschinger Musiktage 2003)

Förderpreiswerk

Im Raum -stehen, Zeit haben, in beide eingehen, überhaupt: zugänglich sein (und imstande, aus seiner Lage heraus in einen Zustand zu gelangen), in Eile weilen, zwischen Phasen (und zu zweien beides: ununterlaufen und übergehen), betreten oder beredt tun, Komplemente (nach eskapierten Zwischenräumen) wechselständig ergänzen, … So und ähnlich lauten Umschreibungen für den undurchgehenden Wunsch, mit anderen Worten durch (und durch) die Welt zu dringen, allenthalb im Wort zu stehen und zu sein, in Vorgängen eifriger Vergeblichkeiten (Ganglien oder Gangarten), die ebenso im Raum stehen blieben - und

sich-in-sich versprechen, was versagt - bleibt?

In ihrer wie Sperrfrist-Sphäre immer neu rumorende Silben und Stillen (Existenz-versetzte Ängste), Wortvorkehrungen und Wegwendungen, als (Treillage von Allotria) ununterredender Phrasen im Phasenraum (mehr als informieren:) konformieren.

Aber wie schaut dieser Raum aus - und wonach? zieht er sich und sieht? Ist dieses in Wirklichkeit nur jenes - und in Wahrheit?, halbe-halber, zu Teilen, inzwischen, und aufs Mal? Die rigide Vielgliedrigkeit von Gebieten quartiert sich ungelände (»Jetzt«) und konfiguriert Zustandsräume unentwegt? eingängig? überführt? Ist Deshalb in Wirklichkeit nur Weshalb?, was im Radio - ist? insistiert?

Nicht so diese hier, unhändig zusammenklammernde Akklamation: Eine Konfiguration klatscht und stanzt die andere ab, und ihre Disfiguration ataktiert (berührt) überstülpt die Sinne. Distrikte des Verstehens überdeckten saum areale Areale, cluster-Anklänge bildeten einander bezirkt im Nun und verschränkten sich zu Jetzt (-plötzlichen, sofort wieder zerfallenden, geborgten Bedeutungen), (im Kerker der Kehrwerte ergatterte) Gegenwarten, gegenwartend. - Sind Konfiguration und Disfiguration Prägefiguren ihrer Präfiguration selbanderm Schlag? erstarrte Raster des Arrests? im Allenthalben ergänzt?, was durch Nichts zu ersetzen ist? da und dort einreihende Ereignisse, ineinsfallend, ja, aber (im Ermessen) unselbstwendig reziprok, und doch unzuständig woraus jetzt? hervorkehrend àjour? diese Inversion der Stille?

Überhaupt: Was - um mich geschehend - ist?

(Es muß, muß apart eine Wirklichkeit geben, und die Erinnerung des Traums an sein Erwachen.)

Preisverleihung

"Der Australier Percy Grainger (1882-1961), eine der originellsten Außenseiterfiguren in der angelsächsischen Musikszene des frühen 20. Jahrhunderts, Komponist, Klaviervirtuose und Erfinder, stiftete zu Lebzeiten in Melbourne sein eigenes Museum, dem er testamentarisch sein Skelett als Exponat vermachte. ‚Skelett im Museum’ nennt der Australier Jon Rose (geb. 1951), Komponist, Violinvirtuose und Erfinder, seine Hommage an den fast vergessenen Landsmann - eine akustische Spurensuche, die als Rundgang durch das Grainger-Museum inszeniert ist. In ständigem Wechsel musikalischer und dokumentarischer Spielformen entsteht ein facettenreiches Künstlerporträt, respektlos, liebevoll und von exzentrischer Komik."

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Autor/in
SWR