90 Minuten lang hieß es im SWR Ring frei für die besten Argumente der Spitzenkandidaten der sechs im Bundestag vertretenen Parteien: SPD, CDU, FDP, Grüne, AfD und die Linken. Und nach einer kurzen Auflockerungsrunde ging es schnell in die Vollen. Über die Lehren aus der Flutkatastrophe steuerte die Diskussion recht bald Richtung Klimaschutz und Verkehrswende. Dabei wurden große Unterschiede bei den Parteien deutlich und der Ton lauter.
Bundestagswahl im SWR Die Spitzenrunde der rheinland-pfälzischen Spitzenkandidaten - der Live-Blog zum Nachlesen
Zehn Tage vor der Bundestagswahl haben sich die rheinland-pfälzischen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten einen Schlagabtausch geliefert. Hier finden Sie den Live-Blog zur Spitzenrunde zum Nachlesen.
Tabea Rößner von den Grünen plädierte dafür, Bus und Bahn auf dem Land zu stärken und deutlich auszubauen, damit weniger Menschen mit dem eigenen Auto fahren. Ab 2030 sollten zudem keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Mit dieser Forderung stand Rößner aber allein da. SPD-Spitzenkandidat Thomas Hitschler forderte, dass in der Energiewende wie in der Verkehrspolitik verschiedene Gruppen der Gesellschaft nicht gegeneinander ausgespielt werden dürften: "Nicht Stadt gegen Land, Arm gegen Reich, auch nicht Industrie gegen Dienstleistungen".
Klöckner: "Das Modell Berlin-Mitte passt nicht auf Rheinland-Pfalz"
"Der Weg ist Technologie-Offenheit, Erfinderreichtum, dass wir nicht den Wohlstand und den Alltag beschneiden", sagte CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner. "Das Modell Berlin-Mitte passt nicht auf Rheinland-Pfalz." Wer auf dem Land lebe, dürfe nicht benachteiligt werden. Und wenn der Sprit teurer werde, müsse auch die Pendlerpauschale angepasst werden.
FDP-Spitzenkandidat Volker Wissing griff das Stichwort Berlin-Mitte auf. Er trete sehr für den Ausbau des ÖPNV ein, "aber ohne Individualverkehr wird das nicht funktionieren". Der ländliche Raum dürfe nicht zu den Verlierern gehören. "Das ist doch nicht ernsthaft ihre Vision für dieses Land", rief Wissing der Grünen-Spitzenkandidatin Rößner zu, als diese noch für flexible Verkehrsmodelle mit Sharing-Angeboten und Rufbussen eintrat.
Auch Alexander Ulrich von der Linken warf Rößner vor: Die Grünen machten Politik aus Sicht von Großstädtern. "Die Klimawandelpolitik ist eine sehr stark soziale Frage." Man könne den Klimawandel nicht immer teurer machen, dann gehe da keiner mit. "Wir sagen absolut Ja zum Verbrennungsmotor", erklärte AfD-Spitzenkandidat Sebastian Münzenmaier. Die AfD wolle dem Markt freie Hand lassen, dass sich die beste Technologie durchsetze.
Für Überraschung sorgte Münzenmaier als er erklärte: "Ich glaube, dass es einen Klimawandel gibt, der zum Teil menschengemacht ist und zum Teil natürlich." "Das hören wir jetzt zum ersten Mal von der AfD", konterte Klöckner und auch Rößner wunderte sich über den Sinneswandel. Die AfD habe den Klimawandel die letzten vier Jahre im Bundestag konsequent verleugnet.
Höhere Steuern für Vermögende?
Auch beim Thema Steuern wurde lebhaft gestritten. Die FDP sei strikt gegen Steuererhöhungen, stellte Wissing klar. Die deutsche Wirtschaft brauche dauerhaftes Wachstum. Das sei noch nie durch Steuererhöhungen erreicht worden. Ulrich machte sich für eine Vermögenssteuer stark und warf der FDP vor, sie wolle Spitzenverdiener um 80 Milliarden Euro entlasten. Klöcker reklamierte für ihre Partei: "Wenn einer Finanzen und Wachstum kann, dann die CDU." Die Christdemokraten wollten kleinere und mittlere Einkommen entlasten. SPD-Mann Hitschler konterte: "Das geht aus ihrem Wahlprogramm aber nicht hervor." Demnach wolle die CDU vielmehr Steuern für Reiche und Superreiche senken.
Rößner machte deutlich, dass auch im Wahlprogramm der Grünen vorgesehen sei, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten. Ihre Partei setze sich zudem für höhere Steuern für Einkommen ab 100.000 Euro ein. Laut AfD-Politiker Münzenmaier hat Deutschland kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabenproblem. Seine Partei sei dafür, beispielsweise Asyl- und Integrationskosten zu sparen und weniger Geld an die Europäische Union zu zahlen. Auch Entwicklungshilfe sollte gekürzt werden. "Unser Geld für unsere Bürger", sei das Konzept der AfD.
Zurückhaltung bei Frage nach möglichen Koalitionen
Bei der Koalitionsfrage wagte sich erneut nur die Linke wirklich aus der Deckung. Alexander Ulrich umgarnte vehement SPD und Grüne. Er warb mehrfach ganz offen für ein rot-rot-grünes Bündnis. Ulrich stellte fest: "Das was SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz plakatiert, etwa einen höheren Mindestlohn, geht nur mit der Linken, aber nicht mit der FDP." Thomas Hitschler dagegen outete sich als Fan von Rot-Grün. Die Haltung der Linken in verschiedenen Politikfeldern betrachte er dagegen skeptisch. So betonte der SPD-Politiker große Differenzen in der Außenpolitik, bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder der Haltung zum Bundesamt für Verfassungsschutz.
FDP-Mann Volker Wissing machte klar, dass sich die Liberalen alle Optionen offen halten. Wissing erklärte: "Wir müssen bei der Frage der Koalitionsbildung Inhalte in den Mittelpunkt stellen." Er warnte zudem vor einem Linksruck in Deutschland. CDU-Spitzenkandidatin Klöckner warf der SPD vor, die Parteivorsitzenden planten insgeheim Rot-Grün-Rot mit der Linken. SPD-Spitzenkandidat Hitschler hielt dagegen, die CDU agiere angesichts der Umfragewerte panisch.
Alle Spitzenkandidaten gegen Impfpflicht
Nur bei einem Punkt war sich die Sechser-Runde weitgehend einig. Alle Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten sind gegen eine Impfpflicht. Jeder Bürger und jede Bürgerin solle frei entscheiden können, ob er oder sie sich gegen das Coronavirus impfen lasse. Bis auf AfD-Mann Münzenmaier, der sich selbst nicht impfen lassen will, sprachen sich aber alle dafür aus, mehr für die Corona-Schutzimpfungen zu werben.