Im Süden des Dorfes Herforst erstreckt sich ein Wald. Und er sieht aus, als wäre dort nie etwas anderes gewesen. Dabei verbirgt sich unter den Wurzeln der Bäume ein historischer Schatz. Etwa 100 Jahre vor Christus haben die Römer hier in der Eifel ein Industriegebiet angelegt. In 150 bis 200 Öfen haben Töpfer tonnenweise Keramik gebrannt, die bis ins heutige Luxemburg, Belgien, das Saarland und die Schweiz verkauft wurde.
Archäologen: Funde sind noch sehr gut erhalten
Auch für Holger Schaaff vom Leibniz-Zentrum für Archäologie war das Ausmaß dieses Töpferzentrums eine Überraschung. Als der Mayener Archäologe hier vor Jahren zum ersten Mal den Spaten in die Erde gesteckt hat, hätte er damit nicht gerechnet: "Was ich da gesehen hab, hat alle Erwartungen übertroffen. Jeder zweite Stein auf dem Boden war praktisch eine römische Scherbe."
Außerdem sei die Fundsituation in Herforst "einzigartig", sagt der Wissenschaftler: "Denn es gab hier seit der Antike keine Bauarbeiten, die die Öfen zerstört hätten. Es ist alles sehr gut erhalten."
Noch viele Fragen zum Töpferzentrum sind offen
Seit den ersten Ausgrabungen sind einige Jahre vergangen. Lastwagen-Ladungen voller Scherben haben die Forscher seitdem untersucht. Sie haben den Boden mithilfe eines Georadars abgesucht. Das kann man sich vorstellen wie ein Röntgengerät, das in die Erde hineinschauen kann. Und dabei wurden Hunderte Öfen entdeckt, zehnmal mehr als die Wissenschaftler vermutet hatten.
Doch trotz dieser Erkenntnisse werfen die Fundstücke weiterhin Fragen auf. Zum Beispiel die, warum die Römer ausgerechnet hier in der damals kaum besiedelten Eifel ihr Töpferzentrum angelegt haben? In Mainz, Köln oder Bonn gab es römische Industriegebiete mitten in der Stadt. Die ehemalige Kaiserresidenz Augusta Trevorum, das heutige Trier, befindet sich allerdings gut 30 Kilometer von Herforst entfernt - eine weite Strecke für die damalige Zeit.
Luftverschmutzung war auch in der Antike ein Problem
Wie es dazu kam - damit beschäftigt sich auch der Meteorologe Clemens Drüe von der Universität Trier. Zusammen mit seinen Studenten hat er die These entwickelt, dass die Luftverschmutzung ein Grund für die Römer war, das Industriegebiet aus Trier auszulagern, denn in den Öfen wurde reichlich Holz verbrannt. Und der Rauch und der Gestank dürfte die Bürger gestört haben. Von den Gefahren von Feinstaub und Stickoxiden ganz zu schweigen. Auch wenn die Römer davon wohl noch nichts wussten.
Simulation zeigt: Heutige Grenzwerte wären überschritten
Dennoch konnten die Studenten von Clemens Drüe im Rahmen eines Seminars nachweisen, dass heute geltende Grenzwerte damals überschritten wurden. "Die Belastung für die Töpfer, die neben ihren Betrieben gewohnt haben, war vermutlich sehr hoch", sagt Drüe.
Ermittelt haben die Studenten dies mithilfe von Simulationen. Sie haben ein Computerprogramm mit Wetterdaten gefüttert und die Ergebnisse ausgewertet. Die sprechen dafür, sagt Drüe, dass die Luftverschmutzung schon in der Antike ein Problem war.
Reiche Tonvorkommen in der Region rund um Herforst
Es könnte aber auch andere Gründe gegeben haben, das Industriegebiet ausgerechnet in Herforst anzusiedeln, meint der Archäologe Holger Schaaff. Denn die Gegend ist bekannt für reichhaltige Tonvorkommen. In der Region gibt es eine lange Tradition des Töpferhandwerks. "Die Tongruben dürften also eine wichtige Rolle gespielt haben", sagt Schaaff: "Ebenso die Nähe zur Kaiserresidenz Trier und der bedeutenden römischen Siedlung Vicus Beda, dem heutigen Bitburg, an der Straße nach Köln."
Warum ist das Töpferzentrum untergegangen?
Warum das Töpferzentrum letztlich untergegangen ist - dazu steht die Forschung noch am Anfang. Sowohl Drüe als auch Schaaff werden aber an dem Projekt dranbleiben, das für die nächsten Jahre wieder von der Deutschen Forschungsgesellschaft gefördert wird.
"Wir wollen herausfinden, wie der Mensch damals gedacht hat", sagt Holger Schaaff: "Denn es spiegelt sich ja Freude und Leid im Aufstieg und Niedergang solcher Industriegebiete wider - heute wie damals."