Hannah Kunz rast über die betongraue Radbahn in der Nähe von Kaiserslautern. Die 19-Jährige dreht Runde um Runde mit bis zu 50 Stundenkilometern. Jeder Trainingskilometer ist wichtig, denn Hannah will in der kommenden Woche in absoluter Topform sein.
Bei den U23-Europameisterschaften im sächsischen Cottbus möchte sie sich mit guten Leistungen empfehlen und für die Olympischen Sommerspiele in Paris qualifizieren. Ihr Ziel: Ein Platz im Team des deutschen Bahnvierers.
Hannah Kunz wächst in einer radsportverrückten Familie auf. Ihre Brüder bringen sie auf den Geschmack. Vor fünf Jahren beginnt sie mit dem Leistungssport, legt eine steile Karriere hin. Am Wochenende wird sie Deutsche U23-Meisterin im Straßenrennen.
Ausnahmetalent aus Baumholder
Dazu kommen Medaillen bei Junioren Welt- und Europameisterschaften. Die 19-Jährige aus der Nähe von Baumholder zählt auf Bahn und Straße zu den größten Radsporttalenten weltweit. Die Olympischen Sommerspiele sollen der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere werden: "Es wäre wunderschön, bei den Olympischen Spielen dabei zu sein, eben die Erfüllung eines Riesentraums", erzählt Hannah.
Andreas Märkl steht an der Bahn, beobachtet jeden Meter, den Hannah in dem Oval zurücklegt. Für den Landestrainer ist die 19-Jährige ein Ausnahmetalent: "Sie ist ruhig, sehr diszipliniert und lässt sich von außen nicht beeinflussen. So eine Sportlerin wünscht man sich!" Für den deutschen Bahnvierer sei Hannah eine zukunftsträchtige Person.
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Bei den letzten Spielen in Tokio gewann der Vierer die Goldmedaille. In der Zwischenzeit hat sich das Personalkarussel heftig gedreht. "Hannah könnte als nächste einrücken", ist der Landestrainer überzeugt.
Europameisterschaften in Cottbus sind Sprungbrett nach Paris
Dafür müsste Hannah Kunz bei den U23-Europameisterschaften vor heimischer Kulisse eine Top-Leistung abliefern: "Ich bin sehr ehrgeizig und versuche, jeden Tag besser zu werden. Der Wettbewerb im eigenen Land ist natürlich auch Druck, weil man das letzte Mal die Möglichkeit hat, sich zu zeigen, und es ist die letzte Möglichkeit sich noch für Olympia zu qualifizieren."
Selber Rennstall wie Tour-Favorit Tadej Pogacar
Seit einem Jahr ist Hannah Kunz Profi, fährt für das Team UAE Team Emirates aus Abu Dhabi. Für den Rennstall aus dem Nahen Osten fährt auch der Favorit der diesjährigen Tour de France, der Slowene Tadej Pogacar. Für die 19-Jährige hat sich mit der Profi-Karriere ein Traum erfüllt. Einziger Wermutstropfen: Sie kann weniger Zeit bei ihrer Familie in Berglangenbach bei Baumholder verbringen.
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Großfamilie mit neun Geschwistern
Mit ihren neun Geschwistern lebt Hannah auf dem Hof ihrer Eltern. Mutter Verena organisiert mit ihrem Ehemann Bernd die Rennwochenenden der Familie. Das Talent scheint in den Genen zu liegen. Denn mehrere Geschwister von Hannah sind ebenfalls erfolgreiche Radsportlerinnen und Radsportler in ihren Altersklassen. Hannah sei dabei auch ein Vorbild für ihre jüngeren Geschwister, sagt Mutter Verena.
Fast jedes Wochenende wird das Wohnmobil der Familie gepackt, um zu einem Radrennen in Deutschland aufzubrechen. Wer selbst nicht am Start ist, unterstützt die anderen am Streckenrand. "Bei den Deutschen Meisterschaften haben mir meine Brüder die Flaschen angereicht. Sie sind immer für mich da, unterstützten mich auch bei vielen Rennen", erzählt Hannah.
Weil sie mittlerweile als Profi überall auf der Welt Rennen fährt, wird die gemeinsame Zeit dennoch weniger. "Gerade wenn ich länger weg bin, merke ich, dass ich meine Geschwister ganz schön vermisse", sagt Hannah Kunz.
Umso schöner sei es dann, wenn sie nach Baumholder zurückkehrt, um mit ihren Geschwistern trainieren zu können. Da werde sich gegenseitig unterstützt und herausgefordert. "Alleine ist sehr eintönig, deshalb ist es schön, dass wir uns haben. Das stärkt den Familienzusammenhalt", sagt sie.
Nächste Woche könnte Hannah Kunz das Olympia-Ticket auf der Bahn lösen. Ihre Geschwister fiebern dem Rennen entgegen. Sie wären stolz, sagen sie, wenn es ihre große Schwester zu den Olympischen Spielen nach Paris schaffen würde.