"Ich bekomme heute noch einen Kloß im Hals, wenn ich an die Explosion denke!"

Prüm erinnert an Explosion von Munitionsdepot vor 75 Jahren

Stand
Autor/in
Marc Steffgen
Foto von Marc Steffgen, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Am 15.7.1949 explodierte ein Munitionsdepot im Prümer Kalvarienberg. Zwölf Menschen starben, die Stadt, die sich im Wiederaufbau befand, wurde nach dem Krieg wieder zerstört.

Mindestens ein Mal in der Woche kommt Monika Rolef auf den Prümer Friedhof, um an der Gedenktafel für die zwölf Opfer der Explosionskatastrophe nach dem Rechten zu sehen. Vor zehn Jahren hatte sie das Mahnmal gestiftet. Die heute 84-Jährige kannte drei der Opfer persönlich. Auch Jahrzehnte später habe das Unglück nichts von seinem Schrecken verloren, erzählt die Prümer Ehrenbürgerin.

Franzosen lagerten tonnenweise Munition am Kalvarienberg ein

Prüm war im Zweiten Weltkrieg zu 92 Prozent zerstört worden. Vier Jahre später ist die im Wiederaufbau befindliche Stadt von den Franzosen besetzt. In einem ehemaligen Westwallbunker unter dem Prümer Kalvarienberg hatten die Franzosen mehr als 500 Tonnen Munition eingelagert, die zur Sprengung der Westwallbefestigungen dienen sollten.

Jeder hatte Angst, aber man konnte ja nix machen!

Monika Rolef wächst zusammen mit ihrer Zwillingsschwester in der Innenstadt von Prüm auf. Die Eltern betreiben ein Milchgeschäft. Die Prümer hätten damals mit großer Sorge auf das Munitionsdepot geblickt, erinnert sich die Zeitzeugin: "Jeder hatte Angst aber man konnte ja nix machen. Der Apell war an die Franzosen alle Munition zu bergen und in den größten Bunker am Westwall, den Kalvarienberg zu bringen".

Monika Rolef ist Ehrenbürgerin von Prüm.
Monika Rolef hat heute immer noch einen Kloß im Hals, wenn sie an das Explosions-Unglück vor 75 Jahren denkt.

Prüm wird zum zweiten Mal dem Erdboden gleich gemacht

Am 15. Juli 1949 werden die schlimmsten Befürchtungen wahr, das Munitionslager brennt. Monika Rolef ist mit Freundinnen im Wald, als der Alarm ertönt. Sie und große Teile der Prümer Bevölkerung werden rechtzeitig evakuiert. Gegen 20:22 Uhr fliegt der Bunker in die Luft. Vom sieben Kilometer entfernten Schönecken kann die damals Neunjährige beobachten, wie 250.000 Kubikmeter Steine, Erde und Betonteile in die Luft geschleudert werden.

Bis heute hat Monika Rolef Beklemmungen, wenn sie an diesen Moment denkt: "Ich bekomme dann sofort einen Kloß in den Hals, ich muss mir dann in den Finger kneifen, um nicht sofort los zu heulen".

Der Krater am Kalvarienberg nach der Explosionskatastrophe.
Der Explosionskrater am Prümer Kalvarienberg gilt als einer der größten, der von Menschen verursacht wurde.

Zwölf Menschen überleben das Explosions-Unglück nicht

Zwölf Menschen sterben, 965 werden obdachlos. Monika Rolefs Vater war noch kurz vor der Explosion in die Stadt gefahren, um zu helfen. Die Detonation zerreißt ihm die Lunge. Er wird arbeitsunfähig, lebt noch viele Jahre mit quälender Atemnot. Dieser Tag im Juli 1949 verändert das Leben von Monika Rolef für immer: Sie und ihre Schwester müssen fortan den Vater im Betrieb ersetzen. Ihre Kindheit endet damals. Was die 84-Jährige bis heute schmerzt: Die Explosionskatastrophe wurde nie aufgeklärt.

Die Kalvarienberg-Kapelle in Prüm erinnert auch an das Unglück.
Die frisch renovierte Kapelle am Kalvarienberg erinnert auch an die Katastrophe von 1949.

Stadt Prüm gedenkt der Explosionskatastrophe

In der Prümer St. Salvator Basilika gedachte die Stadt am Abend der Katastrophe. Auch Monika Rolef hat neben weiteren Zeitzeugen an die Erlebnisse von damals erinnert. Sie möchte über die Tragödie sprechen, aber auch über den Mut und die Entschlossenheit der Prümer in diesem schicksalhaften Jahr: "Das ist eben wichtig, dass die Menschen nach der schrecklichen Katastrophe sich dran gemacht haben und mit Freuden aus diesem Trümmerfeld wieder diese Stadt haben aufleben lassen.“

Beschäftigt sich mit der Geschichte ihrer Heimatstadt Monika Rolef ist die einzige Ehrenbürgerin in Prüm

Monika Rolef wurde 2020 zur ersten Ehrenbürgerin in Prüm ernannt. Seit Jahrzehnten befasst sich die 83-Jährige mit der bewegten Geschichte ihrer Heimatstadt.

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