Detlef Castello ist Anfang 50. Freundliche Augen, grauer Bart. Er wirkt ruhig und gelassen. Castello arbeitet für das Frauenhaus Trier. Für ein besonderes Projekt. Es ist nur für Jungen. Für Jungen, die häusliche Gewalt erfahren haben oder erleiden mussten.
Meist haben die Jungen ein Männerbild kennengelernt, das negativ ist. Dem will der Pädagoge etwas entgegensetzen.
Drei Jungen betreut er derzeit. Sie sind zwischen sieben und 16 Jahre alt. Sie alle haben Gewalt zu Hause erfahren - durch den Vater oder den Partner der Mutter. Zu Wort kommen wollten sie nicht, um sich und ihre Mütter zu schützen.
Ihnen ein gewaltfreies Rollenbild zu vermitteln, das ist Detlef Castellos Ansatz. "Ich versuche den Jungs zu zeigen, dass ein Mann nicht unbedingt Motorrad fährt, Alkohol trinkt und eine Frau verprügelt. Oder mit Aggressionen reagiert. Sondern, dass ein Mann auch kocht und Ausflüge macht, ein verlässlicher Ansprechpartner ist und Konflikte ohne Aggressionen lösen kann", erklärt Castello seine Aufgabe.
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Jungen brauchen Hilfe wie Mädchen - nur anders
Seit 2004 gibt es das Jungen-Programm im Frauenhaus Trier. Ins Leben gerufen hat es Rita Woods. Bei ihrer Arbeit mit den Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, hat sie Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt.
"Ich hatte gemerkt, dass meine Angebote bei den Mädchen gut ankamen, bei den Jungs allerdings nicht. Und ich habe gedacht, es kann ja nicht sein, dass die Hälfte der Betroffenen keine Angebote hat. Die benötigen die Unterstützung genauso wie die Mädchen", so Woods.
Ihre Idee: Ein Mann soll das übernehmen und mit den Jungen zusammen arbeiten. "Das ist wichtig, weil unsere Mitarbeiterinnen Jungen ab einem bestimmten Alter nicht mehr erreichen", erklärt Woods. Die Kinder und Jugendlichen bekämen so zugleich auch "eine positive männliche Identifikationsfigur".
Das Konzept hat funktioniert. So gut, dass es inzwischen auch andere Frauenhäuser in Deutschland übernommen haben. Auch in Luxemburg gibt es Interesse an dem Projekt, erklärt Woods.
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Unterstützung der Jungen geht über viele Jahre
Die große Herausforderung bei der Arbeit ist, das Vertrauen der Jungen zu bekommen, erzählt Betreuer Detlef Castello. Das kann schon mal ein Jahr dauern, ehe die Kinder etwas von ihren Erlebnissen in der Familie erzählen. Oft sei es auch so, dass die Jungen verstehen, dass das Verhalten des Vaters nicht richtig ist. Trotzdem würden sie zu ihm halten. Das sei manchmal sehr schwierig für ihn, sagt Castello.
Er könne dann nur Vorbild sein und versuchen zu erklären, warum es nicht in Ordnung ist, dass der Vater die Mutter zum Beispiel bei der Übergabe der Kinder beleidigt.
Das Wichtigste bei der Arbeit mit den Jungen ist Verlässlichkeit, sagt Castello. Das kennen die Jungen meist gar nicht. Er meldet sich deshalb regelmäßig bei ihnen, mindestens einmal in der Woche. Bei Treffen gehen sie ins Kino oder zu einem Basketballspiel. Manchmal kochen sie auch zusammen in der Küche der Beratungsstelle im Trierer Frauenhaus.
Castello ist für die Jungen immer erreichbar. Sie können sich bei ihm melden, wenn sie reden wollen oder es Probleme gibt - auch mal mit der Mutter. In der Regel begleitet der Pädagoge die Jungen über mehrere Jahre.
Gewaltgeprägte Rollenmuster durchbrechen
Mit dem Projekt sollen sich die Jungen jenseits starrer, gewaltgeprägter Rollenmuster entwickeln. Das macht sie später weniger anfällig für gewalttätiges Verhalten, sagt Castello.
"Wenn nicht eingegriffen wird, ist die Wahrscheinlichkeit sehr, sehr hoch, dass die Jungs, wenn sie später in Beziehungen sind, genauso agieren, wie sie es vorher erlebt haben. Sprich, dass der Vater oder der Lebensgefährte ihre Partnerin schlagen oder psychisch unter Druck setzen." Dass das nicht passiert, dafür brauchen die Kinder andere Vorbilder, andere Rollenmuster, ein anderes Männerbild.
Damit die Jungen die Chance auf ein normales Leben bekommen - mit gesunden Beziehungen. Ohne Gewalt.