Für den verstorbenen Trierer Bischof Bernhard Stein sind schon so manche Messen gelesen worden. Gläubige haben für den Mann gebetet, der in der Region lange einen ausgezeichneten Ruf genoss.
Der allerdings ist spätestens seit Dezember dahin, nachdem Historiker der Universität Trier eine Studie über Stein veröffentlicht haben. Der Bericht weist nach, dass der frühere Bischof sexuellen Missbrauch in seinem Bistum vertuscht hat.
Mindestens 17 Missbrauchsfälle waren dem Bischof demnach bekannt, mit elf Fällen war er direkt befasst. Insgesamt haben sich in seiner Amtszeit 81 Priester im Bistum an rund 200 Kindern und Jugendlichen vergangen. Nun lädt die Pfarrei Liebfrauen am 25. Februar zu einem Gebet für ausgerechnet diesen Mann ein.
Trierer Pfarrer: Beten gerade für Sünder
Am 20. Februar vor 30 Jahren ist der Bischof gestorben. Und zu diesem Anlass hat jemand eine Messe in der Liebfrauenkirche neben dem Dom für ihn gestiftet. Im selben Monat, in dem der Stadtrat beschlossen hat, einen nach Stein benannten Platz umzubenennen und dem Bischof posthum die Ehrenbürgerwürde zu entziehen. Wie passt das zusammen?
Die Pfarrei Liebfrauen selbst habe den Gottesdienst nicht angesetzt, sagt Pfarrer Markus Nicolay: "Wenn Messen gestiftet werden, dann werden sie auch gelesen. Das ist ein Standardprozess, bei dem der Wille des Stifters berücksichtigt werden muss."
Doch was sollen Missbrauchsopfer denken, wenn für einen Mann gebetet wird, der ihre Peiniger gedeckt hat? "Wir beten ja gerade für die Menschen, die Sünden auf sich geladen haben", erklärt Nicolay: "Heilige bedürfen ja nicht der Gebete. Die kommen ja ohnehin in den Himmel."
MissBit-Sprecherin: Gottesdienst zeugt von schlechtem Geschmack
Für Jutta Lehnert von der Vereinigung MissBit, die sich für die Belange von Missbrauchsopfern im Bistum Trier einsetzt, zeugt so eine Messe von "schlechtem Geschmack". Zumindest auf eine öffentliche Ehrung des Bischofs sollte die Pfarrei bei der Messe verzichten, findet die MissBit-Sprecherin.
"Beten kann man auch für schwarze Seelen", sagt Lehnert. Auch für einen Bischof, der seiner Verantwortung nachweislich nicht gerecht geworden ist. Ob das zu diesem Zeitpunkt und öffentlich geschehen muss, sei eine andere Frage.
Hinweis auf Messe fällt Kirche auf die Füße
Ähnlich sieht es SWR-Redakteur Ulrich Pick aus der Redaktion Religion, Migration und Gesellschaft: "Da wir alle irgendwelche Schattenseiten haben, ist es gut und nötig, wenn letztlich für jeden einzelnen gebetet wird. Dass aber eine Messe extra für Bischof Stein gelesen wird, hat angesichts des Missbrauchsgutachtens und der Diskussion um Ehrenbürgerschaft und Platzbenennung einen recht unangenehmen Beigeschmack."
Immerhin habe die katholische Kirche gerade wegen Personen wie Bernhard Stein derzeit ein schlechtes Image: "Da fällt ihr der Hinweis auf die Messe für den ehemaligen Bischof - selbst wenn er noch so gut gemeint sein sollte - auf die eigenen Füße", sagt Kirchenredakteur Pick.
Grüne sprechen in Vorstandssitzung über die Messe
Inzwischen gibt es auch erste politische Reaktionen auf den geplanten Gottesdienst. Richard Leuckefeld, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis' 90 die Grünen im Stadtrat, hatte die Debatte um den Bischof-Stein-Platz angestoßen und wirft Teilen der Kirche vor, "weiterhin in alten Kategorien zu denken".
"Die Kirche sollte lieber eine Messe für die Missbrauchsopfer abhalten", findet der Grüne, statt eines Mannes zu gedenken, der die Taten vertuscht hat: "Damit macht sie sich unglaubwürdig und schadet auch ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit".
Für den Trierer Lokalpolitiker ist es unverständlich, warum die Pfarrei sich nicht mit dem Stifter der Messe in Verbindung gesetzt hat, um den Gottesdienst für Stein abzusagen.