Studie: Missbrauchstäter wurden vor Strafverfolgung geschützt

Stadtrat Trier stimmt für Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes

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Autor/in
Nicole Mertes
Nicole Mertes arbeitet als Redakteurin im SWR Studio Trier

Der Stadtrat Trier hat einstimmig bei zwei Enthaltungen für die Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes gestimmt. Außerdem wird dem früheren Bischof die Ehrenbürgerwürde aberkannt.

Der Bischof Stein Platz am Trierer Dom wird umbenannt. Der Trierer Stadtrat hat sich gestern Abend einstimmig (50 Stimmen) dafür entschieden. Auch die Ehrenbürgerwürde und das Ehrensiegel der Stadt Trier werden Stein nachträglich entzogen. Eine Studie hatte mit Bistumsakten nachgewiesen, dass zu Steins Amtszeit 81 Priester mehr als 300 Kinder sexuell missbraucht haben.

50 Stimmen für Umbenennung des Platzes

Die Entscheidung war eindeutig: 50 Mitglieder des Trierer Stadtrates stimmten am Mittwoch für die Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes. Es gab zwei Enthaltungen. Außerdem sprachen sich die Stadtratsmitglieder ohne Gegenstimmen dafür aus, dem ehemaligen Trierer Bischof nachträglich die Ehrenbürgerwürde und das Ehrensiegel der Stadt abzuerkennen.

Missbrauchsbetroffene sind erleichtert

Seit Jahren kämpfte der Verein "Missbrauch im Bistum Trier" (MissBiT) für die Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes. Während der Stadtratssitzung verfolgte Hermann Schell als Vertreter von MissBiT die Abstimmung im Ratssaal. MissBiT sei froh, dass die Entscheidung in dieser Deutlichkeit gefallen ist, sagte Schell. Dass es aber bei einzelnen Abstimmungspunkten zwei bis drei Enthaltungen gegeben habe, sei wenig anständig und zeuge von einer nicht großen Sorgsamkeit dem Thema gegenüber. Wenn so viele Dinge klar auf dem Tisch lägen, sei es nicht verständlich, wie man zu einer Enthaltung komme.

"Es ist ein Zeichen für Deutschland."

Weil das Bistum Trier eine Kernzelle des Katholizismus sei, so Schell, sei die Stadtratsentscheidung ein ganz deutliches Zeichen. Es sei aber auch ein schmerzhafter Sieg, denn die Opfer sexuellen Missbrauch durch Priester hätten jahrelang gelitten und das immer in dem Bewusstsein, dass die kriminellen Täter geschützt, versetzt und den Strafverfolgungsbehörden entzogen wurden.

Stein schützte Missbrauchstäter

Die Stadtverwaltung teilte mit, eigentlich erlösche eine Ehrenbürgerwürde immer automatisch mit dem Tod. Werde sie posthum entzogen, sei das ein politisches Zeichen.

Der Anlass für die Abstimmung am Mittwoch im Stadtrat war, dass der Vorwurf, wonach der frühere Bischof Bernhard Stein Missbrauchstäter gedeckt hat, durch eine Studie mit Bistumsakten belegt wurde.

Äußerungen der Stadtratsfraktionen

Stein habe sich auf schwerwiegende Weise strafbar gemacht, weil er ihm bekannte Täter schützte und sie weder nach Kirchenrecht bestrafte, noch die Staatsanwaltschaft informierte, so die CDU Fraktion. Auch die FDP machte klar, jemand wie Stein verdiene keine Ehrung und keinen nach ihm benannten Platz. Auch die SPD Fraktion zeigte sich schockiert über das Ausmaß des Missbrauchs in der Ära Stein. Für die Missbrauchsopfer sei Stein kein Seelsorger gewesen, so die UBT. Die Linke regte an, auf dem Platz am Dom ein Mahnmal zu errichten. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betonte, die Studie werde fortgesetzt und es werde dann auch um aktuelle Würdenträger der katholischen Kirche und ihren Umgang mit Missbrauch gehen.    

Langer Weg bis zur Entscheidung

Schon 2019 hatte der Verein Missbrauchsopfer im Bistum Trier (Missbit), erstmals Vorwürfe gegen den ehemaligen Trierer Bischof publik gemacht. Er habe Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht und Täter geschützt, nicht die Opfer.

Bernhard Stein war von 1967 bis 1981 Bischof von Trier
Bernhard Stein war von 1967 bis 1981 Bischof von Trier.

Mehrfach versuchte die Fraktion der Grünen im Trierer Stadtrat, eine Entscheidung zur Umbenennung des Bischof-Stein-Platzes und Aberkennung der Ehrenbürgerwürde zu erreichen. Einen entsprechenden Antrag hatte sie erstmals für die Stadtratssitzung im Januar 2021 gestellt.

Es gab im Februar 2022 eine Expertenanhörung im Stadtrat zu Bischof Stein. Im März 2022 scheiterte ein weiterer Versuch der Grünen, im Stadtrat abzustimmen.

Studie der Universität Trier belegt Vorwürfe gegen Stein

Die Mitte Dezember 2022 vorgestellte Studie der Universität Trier zu sexuellem Missbrauch während der Amtszeit von Bischof Stein belegte wissenschaftlich fundiert, dass der damalige Bischof Stein ihm bekannte Missbrauchstäter vor Strafverfolgung schützte.

Solch eine wissenschaftlich fundierte Studie hatte die Mehrzahl der Stadtratsmitglieder zuvor gefordert und deshalb eine Entscheidung mehrfach verschoben.

Bischof informierte nicht die Staatsanwaltschaft

Bischof Stein wusste laut dem Bericht der Universität Trier während seiner Amtszeit (1967-1980) nachweislich von 17 Priestern, die Kinder und Jugendliche missbraucht hatten. Bistumsakten belegen, dass er in keinem einzigen Fall die Staatsanwaltschaft informierte.

Er bestrafte die Täter nicht einmal nach Kirchenrecht, sondern versetzte sie lediglich in eine andere Pfarrei, wo sie wieder Kinder und Jugendliche missbrauchten. Insgesamt sind 81 Priester aktenkundig beschuldigt, mehr als 300 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht zu haben, etwa 200 davon in der Amtszeit Steins. Fast 500 Akten haben Historikerinnen und Historiker ausgewertet.

Moralische Integrität Voraussetzung für namentliche Straßenbenennung

Die lang geübte Praxis, städtische Straßen und Plätze nach Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu benennen, basiert auf der Voraussetzung der moralischen Integrität dieser Persönlichkeiten, hieß es in der Vorlage für den Trierer Stadtrat.

In der Stadtratsvorlage hieß es weiter, die Nennung des Namens trage zugleich eine identitätsstiftende Wirkung in sich. Personen, nach denen Straßen und Plätze benannt seien, fungierten als Leitbilder des öffentlichen Lebens. Stelle sich im Nachhinein heraus, dass die genannte Voraussetzung nicht erfüllt sei, so sei der Weg der Umbennenung zu ergreifen.

Bischof-Stein-Platz in Trier
Im Jahr 2011 wurde der Platz hinter dem Dom zum Bischof-Stein-Platz.

Was für die Umbenennung des Platzes galt, waren auch die Voraussetzungen für die Aberkennung weiterer Ehrungen durch die Stadt, so für das Stein 1979 überreichte Ehrensiegel der Stadt Trier und die 1975 verliehene Ehrenbürgerwürde - damals als Anerkennung seines Wirkens und seiner Verbundenheit mit der Stadt Trier, seiner Verdienste um die Bischofsstadt Trier und seinem Einsatz für die Rettung und Erhaltung des Trierer Doms.

Das passiert nach der Entscheidung des Stadtrates

Nach der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung wird jetzt der zuständige Ortsbezirk Mitte/Gartenfeld damit beauftragt, einen Vorschlag für einen neuen Namen für den Bischof-Stein-Platz zu machen.

Ortsvorsteher Michael Düro (Bündnis 90/Die Grünen) hatte vor der Abstimmung im Stadtrat gesagt, er habe den vorbereitenden Austausch bereits angestoßen.

Nicht die erste Umbenennung in Trier

Der Ortsbeirat Mitte/Gartenfeld ist schon einmal vom Stadtrat damit beauftragt worden, einen Vorschlag für den neuen Namen einer Straße zu machen. Damals ging es um die Hindenburgstraße.

Man wollte keine Straße nach dem Reichspräsidenten der Weimarer Republik benannt lassen, der Hitler zum Reichskanzler ernannt hatte. Die Straße wurde dann nach der in Trier geborenen Schriftstellerin Gerty Spies benannt.

Die Trierer Stadtverwaltung prüft seit 2020 alle nach Personen benannte Straßen und Plätze in der Stadt und erwägt, ob die Benennung noch angemessen ist. Diese Prüfung geht laut aktueller Information der Stadtverwaltung voran.

Weitere Fälle von Aberkennung der Ehrenbürgerwürde

In Trier hat der Stadtrat bisher nur in Einzelfällen die posthume Aberkennung der Ehrenbürgerwürde beschlossen, die in der Regel mit dem Tod erlischt. Wie in vielen deutschen Städten war Adolf Hitler während der Nazidiktatur zum Trierer Ehrenbürger gemacht worden.

1950, 1979 und 1983 hielt der Ältestenrat der Stadt Trier fest, Hitler und sein Unterrichtsminister Bernhard Rust hätten die Ehrenbürgerwürde verwirkt. Der Stadtrat beschloss das aber erst im Jahr 2010. Im Jahr 2020 wurde dem ehemaligen Reichstagspräsidenten Hindenburg die Trierer Ehrenbürgerwürde aberkannt.