Eine Schulklasse hat eine Chatgruppe eingerichtet. Wenn jemand ein Video mit kinderpornografischem Inhalt in diese Chatgruppe stellt, ist es im Klassenchat. Je nachdem, welche Einstellungen jedes einzelne Mitglied der Chatgruppe gewählt hat, wird das Video direkt in die private Galerie übernommen. Dann hat man das Video in seinem Handy und ist im strafbaren Besitz von Kinderpornografie. Carina Kneip, Präventionsexpertin beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz, hat mit solchen Beispielen häufig zu tun. Sie setzt sich dafür ein, Kinder und Jugendliche, aber auch ihre Eltern und Lehrerinnen und Lehrer über sexuellen Missbrauch im Netz zu informieren und sie zu schützen.
Auch Kinder und Jugendliche machen sich strafbar
Sexueller Missbrauch im Internet nimmt zu, in der Kriminalitätsstatistik kommen auch immer mehr Fälle vor, bei denen die Täter jünger als 21 Jahre sind. Das Wissen darüber, dass Weiterleiten kinderpornografischer Fotos eine Straftat ist, fehlt bei vielen Kindern und Jugendlichen. In der Region Trier hat die Polizei im Jahr 2022 insgesamt 339 Tatverdächtige ermittelt, die Kinderpornografie im Internet verbreitet haben sollen, unter diesen Tatverdächtigen waren 34 Kinder und 114 Jugendliche. Sie wissen meist nicht, dass es eine Straftat ist, solche Videos und Fotos weiterzuleiten.
Wie verhalte ich mich richtig?
Auch Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer wissen im konkreten Fall oft nicht, wie sie sich richtig verhalten sollen, wenn sie damit konfrontiert sind. Carina Kneip vom LKA nennt ein Beispiel. Eine Schülerin macht eine Lehrerin auf ein kinderpornografisches Video im Klassenchat aufmerksam. Die Lehrerin schickt es einer Kollegin, um zu fragen, wie sie damit umgehen soll. "Dann hat sie sich schon strafbar gemacht", sagt Carina Kneip vom LKA, "weil sie das Video besitzt und es weitergeleitet hat." Die Expertin rät, in solchen Fällen auf keinen Fall Videos oder Fotos weiterzuleiten, auf die Strafbarkeit hinzuweisen, den Chat zu verlassen und die Polizei zu informieren.
Eltern rät Präventionsexpertin Carina Kneip, klare Regeln für das Verhalten im Internet mit den Kindern zu vereinbaren. Man dürfe keinen Unterschied zwischen der echten Welt und der digitalen Welt machen, sagt sie und nennt ein Beispiel. Wenn man Kinder zum ersten Mal allein aus dem Haus gehen lasse, weise man sie auf mögliche Gefahren hin, vereinbare Regeln, zum Beispiel "Steig bei fremden Menschen nicht ins Auto ein." Genauso sei es im Internet, sagt sie. Wie in der echten Welt gebe es dort Gefahren und es sei sehr wichtig, über diese möglichen Gefahren zu sprechen und Regeln aufzustellen. Es ist auch wichtig, zu klären, was zu tun ist, wenn bestimmte Dinge eintreffen. Es sei für Eltern wichtig, mit ihren Kindern in Kontakt zu bleiben und Interesse dafür zu zeigen, was sie in social media machen.
"Um Straftaten aufklären zu können, sind wir darauf angewiesen, dass sie uns gemeldet werden", sagt Carina Kneip vom LKA. Es sei schon vorgekommen, dass der sexuelle Missbrauch eines Kindes noch andauert, wenn Videos oder Fotos davon im Netz auftauchten. Doch auch bei schon aufgeklärten Fällen wiederhole sich der Missbrauch, wenn Videos weiter im Netz kursierten und weitergeleitet würden.
In ihrem Seminaren für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer oder Fachkräfte in Kinder- und Jugendeinrichtungen stellt Carina Kneip Hilfsangebote vor und geht auch mit der Frage um, wie man mit Kindern und Jugendlichen über das Thema sexueller Missbrauch sprechen kann, um sie zu schützen. Die Polizei habe das Fachwissen über sexuellen Missbrauch im Internet, die Lehrerinnen und Lehrer das pädagogische Fachwissen, wie man es Kindern vermitteln könne, sagt Carina Kneip.
Die Präventionsexpertin sieht den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es sei auch wichtig, dass Kinder wüssten, wo sie Hilfe finden können. Im Schnitt seien pro Schulklasse ein bis zwei Kinder von sexuellem Missbrauch im Netz betroffen, so das Landeskriminalamt.
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"Es ist wichtig, mit Kindern zu reden, was passieren kann und wie man damit umgehen sollte", sagt Carina Kneip vom LKA. Das Internet sei wichtig für die soziale Teilhabe von Kindern, es spiele auch im Unterricht eine immer größere Rolle. Man müsse Kindern aber auch Medienkompetenz vermitteln, damit sie wüssten, welche Gefahren es im Internet gebe und wie sie sich im konkreten Fall verhalten sollten.
Ganz wichtig sei, das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken. Angenommen, das Kind sei in einem Klassenchat, in dem ein kinderpornografisches Video auftaucht. "Das Kind weiß, das ist nicht gut. Aber es braucht sehr viel Mut für so ein Kind, sich aus der Gruppendynamik zu distanzieren, vor allen anderen zu sagen, ich finde das nicht gut, das ist strafbar und ich trete jetzt hier aus. Das darf man nicht unterschätzen", sagt die Präventionsexpertin des LKA.
Phänomen Cybergrooming
Die Polizei ist auch selbst in verschiedenen social media Plattformen unterwegs, um Kinder und Jugendliche zu informieren und auf Gefahren im Netz aufmerksam zu machen. Dies geschieht mit kurzen Texten, die auf Gefahren hinweisen und Ratschläge zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vermitteln.
Mit kurzen Videos wie #denkenstattsenden, #machdeinhandynichtzurwaffe, www.soundswrong.de will die Polizei Kinder und Jugendliche über Gefahren im Internet informieren und sie davor bewahren, Opfer sexuellen Missbrauchs oder ungewollt sogar zu Tätern zu werden. Eine dieser Gefahren im Internet ist das sogenannte "Cybergrooming", wenn Erwachsene sich als Kinder oder Jugendliche ausgeben, um sich an sie heranzumachen. Erwachsene, die sich im Internet als Kinder ausgeben, wollen oft an Bilder und Videos der Kinder kommen, im schlimmsten Fall ein Treffen im realen Leben vereinbaren, sagt die Präventionsexpertin.
Sie rät Kindern, ihr Alter nicht anzugeben. Kinder sollten auch nicht ihre private Telefonnummer weitergeben, auch das versuchten viele Täter zu erreichen. Sie machten die Kinder mit Geschenken gefügig, bis sie dann ein Foto von sich schickten.
Es sei sehr wichtig, Kinder zu erreichen und sie zu stärken, sagt Präventionsexpertin Carina Kneip. Kinder wüssten nicht, was sexueller Missbrauch sei, sie hätten keine Worte dafür. "Kinder, die in so einem Umfeld aufwachsen, spüren, da stimmt was nicht, mir passiert etwas. Wir Erwachsene wissen, das ist sexueller Missbrauch. Ein Kind weiß das so aber nicht. Ein Kind hat keine Worte dafür."
Zu Missbrauch komme es auch oft im nahen Umfeld der betroffenen Kinder. Deshalb sei es wichtig, von außen den Dingen einen Namen zu geben - das ist sexueller Missbrauch, dich darf niemand im Intimbereich anfassen. Es gebe ein großes Dunkelfeld bei sexuellem Missbrauch. Betroffene Kinder müssten wissen, dass es Hilfe für sie gebe, sagt Carina Kneip. Deshalb geht die Polizei mit Präventionsveranstaltungen auch in Schulen. Es sei wichtig mit Kindern zu sprechen und sie zu stärken.