Ärztemangel in der Vulkaneifel: Eine kommunale Praxis könnte eine Lösung sein.

Neues Modell in Ulmen

Zu wenig Kinderärzte in der Vulkaneifel: Kann eine kommunale Praxis helfen?

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Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Kinderarzt Reinhold Jansen aus Daun geht im Herbst in Rente. In der Nachbargemeinde Ulmen entsteht derzeit eine kommunale Praxis. Ein Grund zur Hoffnung?

Jeden Tag rufen bei ihm weinende Eltern an, sagt Kinderarzt Reinhold Jansen. Denn sie wissen nicht, zu wem sie mit ihren kranken Kindern fahren sollen, wenn der 74-Jährige im Herbst seine Praxis in Daun schließt. "Viele finden niemanden mehr, der in der Nähe noch Patienten aufnimmt. Sie müssen dann endlos weite Wege fahren", sagt Jansen und das mache ihm Sorgen: "Aber stemmen kann ich das nicht mehr."

Der Dauner Kinderarzt Reinhold Jansen schließt Ende September seine Praxis. Viele Eltern müssen mit ihren Kindern jetzt stundenlange Autofahrten auf sich nehmen.
Der Dauner Kinderarzt Reinhold Jansen schließt Ende September seine Praxis. Viele Eltern müssen mit ihren Kindern jetzt stundenlange Autofahrten auf sich nehmen.

Kinder werden nicht mehr geimpft und untersucht

Die endgültige Schließung von Jansens Praxis in Daun ist für Ende September geplant. Er hat das schon seit einem Jahr vor, doch er findet keinen Nachfolger und fühlt sich seinen Patienten verpflichtet. Ein paar Stunden die Woche will er noch Säuglinge in einer Praxis in Kelberg behandeln. In Daun soll aber definitiv Schluss sein. Das heißt: Die rund 1.000 Kinder, die er und sein Team dort versorgen, brauchen einen neuen Arzt.

Alle Kollegen sind am Limit.

Leicht zu finden wird der nicht. "Alle Kollegen sind am Limit", sagt Jansen. Wichtige Vorsorgeuntersuchungen blieben bereits immer öfter auf der Strecke. Viele Kinder würden nicht einmal mehr geimpft. "Da fällt gerade eine ganze Generation durchs Raster", meint der Dauner Arzt: "Und wenn Sie mit einem Kind, das Scharlach hat, 50 bis 60 Kilometer fahren müssen - das ist doch nicht zumutbar."

Eifel/Mosel/Hunsrück

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30.000 Unterschriften für einen Kinderarzt in der Vulkaneifel

"Aber genau so sieht die Realität für viele Eltern in der Vulkaneifel aus", sagt Stephanie Adams aus Eulgem bei Kaisersesch. Sie hat dieses Jahr nach eigenen Angaben schon Stunden im Auto verbracht, um ihre Kinder zum Arzt zu bringen.

Um die Politik auf das Problem aufmerksam zu machen, hat die junge Mutter seit Sommer 2023 rund 30.000 Unterschriften in der Region gesammelt.

Stephanie Adams sammelt Unterschriften für eine Kinderarztpraxis in den Verbandsgemeinden Kaisersesch und Ulmen.
Stephanie Adams hat 30.000 Unterschriften für eine Kinderarztpraxis in der Vulkaneifel gesammelt.

Politiker haben viel geredet, aber nichts getan. Ich bin enttäuscht.

Das Ziel der Petition: Landesregierung und Bürgermeister sollen sich für eine neue Kinderarztpraxis in der Vulkaneifel einsetzen. Ein Jahr später lautet ihr Fazit: "Die Politiker haben viel geredet, aber nichts getan. Ich bin enttäuscht." Einen Ersatz für Reinhold Jansen gibt es weiter nicht.

Verbandsgemeinde Ulmen übernimmt Praxis selbst

Auch Alfred Steimers (CDU), der Bürgermeister der Nachbar-Verbandsgemeinde Ulmen, kennt dieses Problem. Er ist es aber leid, es einfach so hinzunehmen, dass die gesundheitliche Versorgung zusammenbricht: "Ich habe keine Lust mehr, mich immer nur zu beklagen." Er geht daher einen anderen Weg.

Als vergangenen Winter klar wurde, dass der Ulmener Hausarzt Rainer Feindel in Rente geht, hat die Verbandsgemeinde entschieden, die Praxis zu übernehmen. Es ist ein Wagnis, das aus der Not geboren ist, sagt Steimers: "Wenn so eine Praxis mit 2.000 Patienten wegfällt - das hätten die umliegenden Ärzte nicht auffangen können."

Bürgermeister Alfred Steimers hat sich mit seinen Mitarbeiterinnen Lisa Unzen (links) und Tanja Schug (rechts) für die kommunale Praxis in Ulmen eingesetzt.
Bürgermeister Alfred Steimers hat sich mit seinen Mitarbeiterinnen Lisa Unzen und Tanja Schug für die kommunale Praxis in Ulmen eingesetzt.

Wir sind zuversichtlich, dass wir schwarze Zahlen schreiben werden.

Die Kommune hat eine Anstalt öffentlichen Rechts gegründet, die die Praxis betreiben soll. Der Vorteil: Ärzte müssen hier nicht das Risiko der Selbstständigkeit eingehen, sondern arbeiten als Angestellte.

Um die Finanzen kümmert sich die Kommune. Alfred Steimers ist aber trotzdem entspannt: "Wir sind zuversichtlich, dass wir schwarze Zahlen schreiben werden."

Der Hausarzt Rainer Feindel hat Ende 2023 in Ulmen aufgehört. Jetzt übernimmt die Kommune seine Praxis und baut sie um. Im Juli soll sie eröffnen.
Der Hausarzt Rainer Feindel hat Ende 2023 in Ulmen aufgehört. Jetzt übernimmt die Kommune seine Praxis und baut sie um. Im Juli soll sie eröffnen.

Ungewöhnliches Modell: Eine von zwei kommunalen Praxen im Land

Bislang gibt es eine kommunale Praxis nur ein einziges Mal in Rheinland-Pfalz: In Katzenelnbogen im Rhein-Lahn-Kreis. Viele Kommunen zögern, weil bürokratische Hürden überwunden werden müssen.

Ein halbes Jahr haben sich Lisa Unzen und Tanja Schug von der Ulmener Verwaltung mit den Vorgaben befasst und sich mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgestimmt. Die war anfangs nicht leicht zu begeistern, wie Schug erzählt: "Die waren skeptisch. Aber mittlerweile stehen sie hinter dem Projekt."

Eifel

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Bürgermeister hofft auf Nachahmer

Ulmen als Vorbild für andere Kommunen? Wir sind die Blaupause", sagt VG-Bürgermeister Alfred Steimers: "Wir werden aber natürlich anderen Gemeinden mit Rat und Tat zur Seite stehen, wir lassen die auch gern abschreiben."

Erstmal allerdings muss die Kommune die Praxis ans Laufen bringen. Drei Wochen bleiben noch bis zur Eröffnung im Juli. Danach könnte man sich in Ulmen auch vorstellen, einen Kinderarzt anzustellen: "Wir wissen ja, wie prekär die Lage ist und haben auch schon mit dem Gedanken gespielt."

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Lösung für die Vulkaneifel?

Dem Dauner Kinderarzt Reinhold Jansen gibt das Hoffnung, dass sich die Lage in der Vulkaneifel doch verbessern könnte: "Wenn das in Ulmen jetzt gelingt, könnte das wirklich eine Lösung sein."

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