Jeden Tag rufen bei ihm weinende Eltern an, sagt Kinderarzt Reinhold Jansen. Denn sie wissen nicht, zu wem sie mit ihren kranken Kindern fahren sollen, wenn der 74-Jährige im Herbst seine Praxis in Daun schließt. "Viele finden niemanden mehr, der in der Nähe noch Patienten aufnimmt. Sie müssen dann endlos weite Wege fahren", sagt Jansen und das mache ihm Sorgen: "Aber stemmen kann ich das nicht mehr."
Kinder werden nicht mehr geimpft und untersucht
Die endgültige Schließung von Jansens Praxis in Daun ist für Ende September geplant. Er hat das schon seit einem Jahr vor, doch er findet keinen Nachfolger und fühlt sich seinen Patienten verpflichtet. Ein paar Stunden die Woche will er noch Säuglinge in einer Praxis in Kelberg behandeln. In Daun soll aber definitiv Schluss sein. Das heißt: Die rund 1.000 Kinder, die er und sein Team dort versorgen, brauchen einen neuen Arzt.
Leicht zu finden wird der nicht. "Alle Kollegen sind am Limit", sagt Jansen. Wichtige Vorsorgeuntersuchungen blieben bereits immer öfter auf der Strecke. Viele Kinder würden nicht einmal mehr geimpft. "Da fällt gerade eine ganze Generation durchs Raster", meint der Dauner Arzt: "Und wenn Sie mit einem Kind, das Scharlach hat, 50 bis 60 Kilometer fahren müssen - das ist doch nicht zumutbar."
Neues Angebot des SWR Studios Trier Nachrichten aus der Region Trier jetzt auf WhatsApp lesen
Das SWR Studio Trier ist jetzt auch auf dem Messenger-Dienst WhatsApp aktiv. Dort finden Sie regionale Nachrichten von Mosel und Saar, aus der Eifel, Hunsrück und Hochwald.
30.000 Unterschriften für einen Kinderarzt in der Vulkaneifel
"Aber genau so sieht die Realität für viele Eltern in der Vulkaneifel aus", sagt Stephanie Adams aus Eulgem bei Kaisersesch. Sie hat dieses Jahr nach eigenen Angaben schon Stunden im Auto verbracht, um ihre Kinder zum Arzt zu bringen.
Um die Politik auf das Problem aufmerksam zu machen, hat die junge Mutter seit Sommer 2023 rund 30.000 Unterschriften in der Region gesammelt.
Das Ziel der Petition: Landesregierung und Bürgermeister sollen sich für eine neue Kinderarztpraxis in der Vulkaneifel einsetzen. Ein Jahr später lautet ihr Fazit: "Die Politiker haben viel geredet, aber nichts getan. Ich bin enttäuscht." Einen Ersatz für Reinhold Jansen gibt es weiter nicht.
Verbandsgemeinde Ulmen übernimmt Praxis selbst
Auch Alfred Steimers (CDU), der Bürgermeister der Nachbar-Verbandsgemeinde Ulmen, kennt dieses Problem. Er ist es aber leid, es einfach so hinzunehmen, dass die gesundheitliche Versorgung zusammenbricht: "Ich habe keine Lust mehr, mich immer nur zu beklagen." Er geht daher einen anderen Weg.
Als vergangenen Winter klar wurde, dass der Ulmener Hausarzt Rainer Feindel in Rente geht, hat die Verbandsgemeinde entschieden, die Praxis zu übernehmen. Es ist ein Wagnis, das aus der Not geboren ist, sagt Steimers: "Wenn so eine Praxis mit 2.000 Patienten wegfällt - das hätten die umliegenden Ärzte nicht auffangen können."
Die Kommune hat eine Anstalt öffentlichen Rechts gegründet, die die Praxis betreiben soll. Der Vorteil: Ärzte müssen hier nicht das Risiko der Selbstständigkeit eingehen, sondern arbeiten als Angestellte.
Um die Finanzen kümmert sich die Kommune. Alfred Steimers ist aber trotzdem entspannt: "Wir sind zuversichtlich, dass wir schwarze Zahlen schreiben werden."
Ungewöhnliches Modell: Eine von zwei kommunalen Praxen im Land
Bislang gibt es eine kommunale Praxis nur ein einziges Mal in Rheinland-Pfalz: In Katzenelnbogen im Rhein-Lahn-Kreis. Viele Kommunen zögern, weil bürokratische Hürden überwunden werden müssen.
Ein halbes Jahr haben sich Lisa Unzen und Tanja Schug von der Ulmener Verwaltung mit den Vorgaben befasst und sich mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgestimmt. Die war anfangs nicht leicht zu begeistern, wie Schug erzählt: "Die waren skeptisch. Aber mittlerweile stehen sie hinter dem Projekt."
Ärztemangel auf dem Land Ärztegenossenschaft Medicus in der Eifel insolvent: Praxen dennoch gerettet
Die Praxen der insolventen Ärztegenossenschaft Medicus in der Eifel sind gerettet. Das teilte der Insolvenzverwalter mit. Die Genossenschaft war gegründet worden, um dem Ärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken.
Bürgermeister hofft auf Nachahmer
Ulmen als Vorbild für andere Kommunen? Wir sind die Blaupause", sagt VG-Bürgermeister Alfred Steimers: "Wir werden aber natürlich anderen Gemeinden mit Rat und Tat zur Seite stehen, wir lassen die auch gern abschreiben."
Erstmal allerdings muss die Kommune die Praxis ans Laufen bringen. Drei Wochen bleiben noch bis zur Eröffnung im Juli. Danach könnte man sich in Ulmen auch vorstellen, einen Kinderarzt anzustellen: "Wir wissen ja, wie prekär die Lage ist und haben auch schon mit dem Gedanken gespielt."
Lösung für die Vulkaneifel?
Dem Dauner Kinderarzt Reinhold Jansen gibt das Hoffnung, dass sich die Lage in der Vulkaneifel doch verbessern könnte: "Wenn das in Ulmen jetzt gelingt, könnte das wirklich eine Lösung sein."