"Wir stärken die Schülerinnen und Schüler in ihrer gesamten Persönlichkeit", sagt Sara Fries. Die Sozialpädagogin ist "Respekt Coach" an einer Schule in Kelberg in der Vulkaneifel. Dort vermittelt sie regelmäßig demokratische Werte wie Respekt, Toleranz und ein vorurteilsfreies Miteinander.
Doch das steht jetzt auf der Kippe. Das bundesweite Projekt "Respekt Coaches" wird in Kelberg, Bitburg und Prüm von der Caritas Westeifel umgesetzt. Und die fürchtet, dass die Gelder für das Projekt im Bundeshaushalt für 2024 gestrichen werden. Der Entwurf für den Haushalt sehe nämlich solche Kürzungen vor.
"Wir sind erschüttert, weil wir das Projekt im vergangenen Jahr sogar noch ausbauen durften", sagt Jo Bach, Fachbereichsleiter für Migration und Integration im Caritasverband Westeifel und als solcher zuständig für die Respekt Coaches. Auch angesichts immer größerer Tendenzen zur Radikalisierung in der Gesellschaft sei es wichtig, schon in der Schule anzusetzen.
Respekt Coaches direkt in den Schulen
Ab der fünften Klasse bis zur Oberstufe werden Themen wie Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Ausgrenzung, Geschlechterrollen oder kompetenter Umgang mit sozialen Medien auf verschiedene Weisen von den Respekt Coaches vermittelt.
Das findet in der Unterrichtszeit statt, weshalb die Coaches sich mit den Schulen, mit denen sie kooperieren, absprechen, wann sie etwas anbieten können und ob sie das nur in einer Klassenstufe oder der gesamten Schule tun, berichtet Sabrina Heydmann. Die Erzieherin und Coachin für tiergestützte Pädagogik arbeitet so an einer Schule in Bitburg.
Sie ist also Teil des gesamten Konzepts zur Prävention in der Schule. Die Caritas Westeifel macht so etwas schon länger. Als 2018 das Projekt bundesweit kam, war das eine Bestätigung, dass man auf dem richtigen Weg war, sagt Bach: "Das ist das Schöne, dass man in der Schule einen konkreten Platz hat. Das war die Erfüllung unserer Träume. Das hatten wir uns gewünscht, diese Themen zusammen mit den Schülern zu bearbeiten."
Zum Beispiel beim Thema Internet und Soziale Medien habe es in Teamspielen Aha-Erlebnisse für die Schülerinnen und Schüler gegeben, sagt Heydmann: "Auch durch Corona sind die Kinder viel im Internet und den Sozialen Medien unterwegs und machen sich häufig keine Gedanken, wenn sie öffentlich über andere Leute posten oder Links verteilen." Dass manches davon strafbar sein kann, überrasche die Jugendlichen dann.
Spielerisch Konsequenzen von Cybermobbing erleben
Die Respekt Coaches sind immer wieder Teil des Unterrichts. Dabei holen sie auch andere Partner mit ins Boot. So hat ein Verein für Heydmann beispielsweise einen Escape Room zum Thema Cybermobbing entwickelt: Die Kinder und Jugendlichen mussten darin Rätsel lösen und haben gleichzeitig erlebt, wie Cybermobbing abläuft und wie es den Opfern und Tätern damit geht. Ziel sei es gewesen, Lösungen gegen das Mobbing im Internet zu finden.
Das gesamte Projekt komme sehr gut an, auch bei Teenagern, sagt Heydmann: "Weil schnell klar war, dass wir eine andere Rolle haben. Wir sind keine Lehrer und wir wollen auch nicht belehren." Wichtig ist den Respekt Coaches außerdem, dass die Schülerinnen und Schüler sich weiterentwickeln und auch demokratisch mitbestimmen können, was im Projekt gemacht wird.
"Wir haben einen außergewöhnlichen Job. Denn wir dürfen Schülerinnen und Schüler in ihren Entwicklungsphasen begleiten." Für Heydmann ist auch besonders, dass sie spezifische Angebote machen kann und mit Kooperationspartnern zusammenarbeitet. Die Arbeit sei flexibel, sie könnten auch selbst Ideen ausgestalten. "Für die Schüler ist es ein Gewinn, sich weiterentwickeln und Erfahrungen sammeln zu können, die sie so im Unterricht nicht sammeln könnten."
Schulen, Schüler und Respekt Coaches wären Verlierer
Dass das alles 2024 enden könnte, wäre also sowohl für die Schülerinnen und Schüler als auch die Coaches schlimm, findet Sara Fries: "Ich muss eine schöne Stelle, die mir sehr viel Spaß macht, aufgeben, ohne dass ich das möchte." Sie und Heydmann müssen schauen, ob sie in einer anderen Stelle des Caritasverbandes ihre Fähigkeiten einsetzen können. Die Alternative ist nur, von der Caritas zu einem anderen Träger zu wechseln.
Aber auch für die Schulen würden Geld und Personal fehlen, um die Themen, die die Respekt Coaches vermitteln, zukünftig weiter in ihren Präventionsmaßnahmen anbieten zu können. "Das bedeutet, dass wir bei der Radikalisierung, die gerade in der Gesellschaft stattfindet, nicht eingreifen können. Und dass die Schülerinnen und Schüler keine Möglichkeit haben, sich konkret damit auseinanderzusetzen", ergänzt Heydmann.
Von jeher habe es die Schwierigkeit gegeben, dass die Finanzmittel im Bundeshaushalt für ein Jahr geplant werden, sagt Fries. Die Respekt Coaches können also nicht gemeinsam mit den Schulen für deren Schuljahre planen. Und jetzt kommt eben hinzu, dass das Geld für nächstes Jahr ganz gestrichen werden könnte.
Hoffnung stirbt zuletzt
Natürlich wünschen sich beide Respekt Coaches, dass das Projekt nicht aus dem Bundeshaushalt gestrichen wird. Außerdem sollte es wie die Schulsozialarbeit eine feste Institution an den Schulen sein, findet Heydmann, und nicht nur jedes Jahr als Projekt finanziert werden.
Jo Bach berichtet von Überlegungen, die Respekt Coaches in ein von den Ländern gefördertes Projekt zu übertragen. Das sei aber auch nicht das Wahre: "Das, was wir hier machen, richtet sich an alle. Das ist präventiv. Es geht darum, bei allen Schülerinnen und Schülern Demokratie zu fördern." Die Alternative, die angedacht sei, richte sich aber nur an benachteiligte Kinder.
Außerdem rechnet Bach damit, dass es nach Ende 2023 noch mal zwei Jahre dauern könnte, bis bundesweit ein Projekt der Länder an den Start gehen könnte. "Das heißt, das ganze Know-How der Respekt Coaches ist erstmal weg."
Da der Haushaltsentwurf noch nicht beschlossen ist, stirbt die Hoffnung aber zuletzt, sagt Bach: "Wir sind ja bundesweit organisiert und alle Beteiligten versuchen, das Projekt an allen Stellen noch zu retten." Deshalb hoffe er auch, dass das Projekt der Respekt Coaches in irgendeiner Form weitergeführt werden kann: "In die Jugendlichen, die die Zukunft unserer Gesellschaft sind, müssen wir investieren. Wenn das gekürzt wird, halte ich das für einen gravierenden Fehler."