Renaturierung zurück zum alten Bachbett

Hillesheimer Bach: Kinderspielplatz statt soldatischer Strenge

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Autor/in
Anna-Carina Blessmann
Anna-Carina Blessmann am Mikrofon

In der Industrialisierung wurde er begradigt, was Tiere und Menschen ferngehalten und Hochwasser begünstigt hat - jetzt ist der Hillesheimer Bach zurück in seinem historischen Bett.

Die Sonne scheint, das friedlich vor sich hin plätschernde Wasser des Hillesheimer Bachs glitzert, Kinder spielen an und im Wasser - die Eifelstadt Hillesheim kann sich an diesem Sonntag wieder in diese Idylle verwandeln, die es vorher hundert Jahre nicht gab.

Denn der zweite Bauabschnitt der Renaturierung des Baches ist abgeschlossen und wird nun feierlich eingeweiht. Vorher war der Bach schnurgerade durch sein künstliches Bett geschossen und hatte oft den Hillesheimer Stadtteil Bolsdorf überschwemmt.

Eine Idylle mit Sonnenblumenfeld mitten in der Stadt: der Hillesheimer Bach in seinem neuen, aber eigentlich alten Bett.
Eine Idylle mit Sonnenblumenfeld mitten in der Stadt: der Hillesheimer Bach in seinem neuen, aber eigentlich alten Bett.

Während der Industrialisierung war der Bach nämlich als Abwasserkanal genutzt worden. Damit das stinkende Abwasser schnell aus der Stadt abläuft, wurde der Bach begradigt und teilweise auch durch Rohre geleitet.

"Bis der Gedanke aufkam: Man kann das so nicht lassen, man muss Abwässer klären. Dann kam der Boom der Kläranlagen. Und dann hat man sich gedacht: Es ist ein Naturbach, dem geben wir wieder sein natürliches Bett zurück“, erklärt Jürgen Mathar, der als Bauingenieur die jetzige Renaturierung für die Kommune gemeinsam mit einem Fachbüro koordiniert hat.

Vorteile für Natur und Hochwasserschutz

Denn das alte Bachbett wiederherzustellen, also zu renaturieren, habe gleich mehrere Vorteile: Die Rohre, durch die der Bach vorher geleitet wurde, haben Fische, Amphibien und Insekten daran gehindert, sich am und im Wasser anzusiedeln, sagt Mathar: "Vor der Industrialisierung war es normal, dass ein Fisch im Bach war. Und dann gab es da 100 Jahre keinen Fisch. Das Zurück zur Natur jetzt hat für die gesamte Flora und Fauna riesige Vorteile."

Im neuen Rückhaltebecken haben sich von selbst Schilf, Weiden und Stauden angesiedelt. Im Fall eines Hochwassers kann es 7.500 Kubikmeter Wasser fassen.
Im neuen Rückhaltebecken haben sich von selbst Schilf, Weiden und Stauden angesiedelt. Im Fall eines Hochwassers kann es 7.500 Kubikmeter Wasser fassen. Bild in Detailansicht öffnen
Der Hillesheimer Bach donnert nicht mehr schurgerade durch die Stadt, sondern kann ruhig durch sein kurviges Bachbett mäandern.
Der Hillesheimer Bach donnert nicht mehr schurgerade durch die Stadt, sondern kann ruhig durch sein kurviges Bachbett mäandern. Bild in Detailansicht öffnen
Am Sportplatz konnte der Bach nicht ganz in sein altes Bett zurückverlegt werden. Dafür wurden 120 Meter gewonnen, indem er daran vorbei geleitet wird.
Am Sportplatz konnte der Bach nicht ganz in sein altes Bett zurückverlegt werden. Dafür wurden 120 Meter gewonnen, indem er daran vorbei geleitet wird. Bild in Detailansicht öffnen
Links fließt ruhig der Bach. Wenn er bei Starkregen überläuft, kann er rechts durch das Gitter über die alten Kanalrohre direkt in das Rückhaltebecken abfließen.
Links fließt ruhig der Bach. Wenn er bei Starkregen überläuft, kann er rechts durch das Gitter über die alten Kanalrohre direkt in das Rückhaltebecken abfließen. Bild in Detailansicht öffnen
Von der Renaturierung profitiert nicht nur der Bach, sondern auch die Kinder: Sie können auf der neuen Wasserspielanlage spielen ...
Von der Renaturierung profitiert nicht nur der Bach, sondern auch die Kinder: Sie können auf der neuen Wasserspielanlage spielen ... Bild in Detailansicht öffnen
... oder daneben auf dem neuen Spielplatz.
... oder daneben auf dem neuen Spielplatz. Bild in Detailansicht öffnen

Der erste Bauabschnitt, der etwa 2014 begonnen wurde, habe zudem einen weiteren großen Vorteil: In Bolsdorf stehen die Menschen nicht mehr bei jedem Starkregen bis zu den Knien im Wasser, weil das aus der versiegelten Innenstadt in den Stadtteil donnert. Bis auf die Jahrhundertflut 2021 hätten alle Hochwasser seit 2016 dort abgemildert werden können.

Es gab ja hundert Jahre keinen Fisch im Bach.

Neben dem See am Eingang zum Naherholungsgebiet Bolsdorf wurde nämlich ein Rückhaltebecken geschaffen. 7.500 Kubikmeter Wasser kann es fassen, wenn See und Bach überlaufen, sagt Mathar. Darin haben sich zudem ganz von selbst Schilf, Weiden, und Stauden angesiedelt, sodass es sich nahtlos in die Auenlandschaft einfügt: "Da haben wir die Natur den Meister sein lassen und schöner kann es nicht werden."

Hohe Förderung für Bach und Spielplatz

So viel Gutes für die Natur wird vom Land gefördert. Die Förderquote der "Aktion Blau Plus", des Programms zur Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz, das in Hillesheim greift, ist immens hoch, sagt Mathar. Sie liegt bei 90 Prozent: "Und zwar für alle förderfähigen Teile. Und die enden nicht am Bachufer, sondern gehen auch in die Auen und die Stadt rein.“

Das ist eine Win-Win-Situation.

Das bedeutet, dass in Hillesheim mit der Förderung entlang des Bachs auch Sportgeräte für Jung und Alt, ein Spielplatz und eine Wasserspielanlage entstanden sind. "Das ist natürlich für die Kommunen höchst interessant, weil nicht nur der Bach etwas davon hat, sondern auch die Kinder, die Schulen, alle. Das ist eine Win-Win-Situation", freut sich Mathar. Sonst könnten sich die Gemeinden die Renaturierung vermutlich nicht leisten.

Vor der Renaturierung hat der Bach eine klare Kurve an den Bäumen und Sträuchern vorbei genommen, zeigt Bauingenieur Jürgen Mathar. Jetzt darf der Bach wieder ruhig durch sein ursprüngliches Bett mäandern.
Vor der Renaturierung hat der Bach eine klare Kurve an den Bäumen und Sträuchern vorbei genommen, zeigt Bauingenieur Jürgen Mathar. Jetzt darf der Bach wieder ruhig durch sein ursprüngliches Bett mäandern.

Die 720.000 Euro für den ersten Bauabschnitt und die 1,6 Millionen Euro für den jetzt fertig gestellten zweiten Bauabschnitt, der an der alten Stadtmauer entlang bis an die Innenstadt reicht, wurden also fast vollständig vom Land übernommen.

Kinderspielidylle Hillesheimer Bach

Aber nicht nur die neuen Spielgeräte laden Kinder zum Spielen ein, erklärt Mathar: "Vorher lief der Bach hier fast soldatisch streng und grade vorbei." Jetzt habe er mehrere Arme, Ruhezonen, Tümpelungen, Stein- und Kiesinseln. "Und auf einmal spielen auch die Kinder darin. Früher hat da kein Kind drin gespielt. An so einem, na ja, relativ kanalisierten Bach kann man nicht spielen. Das Wasser war schnell, das war unangenehm. Hier ist jetzt eine Spiellandschaft."

Nach der Renaturierung hat der Bach an dieser Stelle wieder mehrere Arme, Ruhezonen, Tümpelungen, Stein- und Kiesinseln. Und daran spielen auch wieder gerne Kinder, erzählt Jürgen Mathar.
Nach der Renaturierung hat der Bach an dieser Stelle wieder mehrere Arme, Ruhezonen, Tümpelungen, Stein- und Kiesinseln. Und daran spielen auch wieder gerne Kinder, erzählt Jürgen Mathar.

Rund um den Bach ist ein Auenland entstanden, also flache Erde mit Pflanzen, wohin sich der Bach bei Hochwasser ausbreiten kann: "Der Bach sucht sich bei Hochwasser seine Wege selbst. Mal mehr hier, mal mehr da. Vor allem geht er in die Breite, was den Abfluss nach Bolsdorf stark mindert."

Keine Nachteile durch Renaturierung

Auch auf EU-Ebene will man durch Renaturierungen mehr für die Umwelt und den Klimaschutz tun, indem Flussauen, Moore und Flüsse renaturiert werden. Laut dem Renaturierungsgesetz soll bis 2030 für 20 Prozent der Flächen und Meeresgebiete eine Renaturierung in die Wege geleitet werden. Daran gibt es aber auch Kritik, weil den Maßnahmen landwirtschaftliche Flächen zum Opfer fallen könnten.

In Hillesheim gibt es dieses Problem nicht, sagt Mathar. Es habe nur Unannehmlichkeiten gegeben, weil der zweite Bauabschnitt bis in die Stadt hinein reicht. Es gab Bauzäune zwischen den Hillesheimer Schulen. Der Radweg und der Eifelsteig mussten umgelegt werden. "Aber jetzt im Endergebnis kann man nicht sagen: Dem Bach geht es besser, aber dafür geht es irgendwo anders schlechter."

Bach besser gegen Hochwasser gewappnet

Im Gegenteil: Es konnten sogar die alten Rohre aus der Zeit als Abwasserkanal anderweitig genutzt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag teilweise Kriegsschutt über dem Bach und darauf sei der Sportplatz für Hillesheim gebaut worden. Deshalb konnte das ursprüngliche Bett hier nicht mehr ganz wiederhergestellt werden.

Dort, wo noch das Granulat auf dem Hillesheimer Sportplatz fehlt, kann man sehen, wo unterirdisch jetzt ein Teil des Bachs verläuft. Der Rest fließt in seinem alten Bett um den Platz herum, wodurch 120 Meter zusätzlich für das Wasser gewonnen wurden.
Dort, wo noch das Granulat auf dem Hillesheimer Sportplatz fehlt, kann man sehen, wo unterirdisch jetzt ein Teil des Bachs verläuft. Der Rest fließt in seinem alten Bett um den Platz herum, wodurch 120 Meter zusätzlich für das Wasser gewonnen wurden.

Aber: Der Bach wird jetzt teilweise in einer geraden, kurzen Linie unter dem Sportplatz hergeleitet, der Rest ist wieder in seinem alten, mäandernden Bett daneben. Das verlängere den Bach um 120 Meter, was ebenfalls bei Hochwasser entlaste. Und das könne durch die alten Kanalrohre direkt in das neue Rückhaltebecken geleitet werden.

"Auch das ist eine Win-Win-Situation", kommentiert Bauingenieur Jürgen Mathar. Und die wird am Sonntag von der Stadt Hillesheim mit einem Einweihungsfest für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger gefeiert.

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