Wenn die 97-jährige Hildegard Güntzer an die Bombennächte im Zweiten Weltkrieg denkt, fallen ihr die Motorengeräusche der Tiefflieger ein. "Wir mussten jede Nacht in den Keller." Die herannahenden Flugzeuge habe sie dort unten gehört. "Wir merkten, dass die im Anflug sind, dass die kommen und Trier überfliegen." Sie habe auch gehört, wie die Bomben gefallen und eingeschlagen sind.
"Es war furchtbar. Man hat in Angst gelebt", erinnert sich die Triererin, die damals als 17-Jährige mit ihrer Familie in der Lindenstraße in der Nähe der Kaiser-Wilhelm-Brücke gelebt hat.
1944: Als der Krieg nach Trier kam
Im Jahr 1944 kam der Krieg aus der Luft nach Trier. Die Bombardierungen im Dezember 1944 brachten der Stadt die schwersten Zerstörungen. Mindestens 420 Menschen kamen ums Leben. Zahlreiche historische Bauten und Privathäuser wurden schwer getroffen. Die Trierer Innenstadt glich einer Trümmerwüste.
Dabei war Trier in den ersten Kriegsjahren noch weitgehend von Luftangriffen verschont geblieben. Erst im April 1943 gab es verstärkte Fliegerangriffe. Diese richteten sich hauptsächlich auf die strategisch wichtigen Bahnanlagen zwischen Konz und Trier-Ehrang. Auch das Bahnausbesserungswerk mit Lokrichthalle und Rangierbahnhof in Euren/Trier-West wurde 1943 von Tieffliegern beschossen. Ab Mai 1944 waren die Eisenbahnanlagen in Konz-Karthaus, Ehrang und Euren bombardiert worden.
Altstadt glich einem Trümmerfeld
Am 14. August 1944 gab es den ersten schweren Luftangriff auf die Trierer Innenstadt. "Es platzte die trügerische Hoffnung, vom Bombenkrieg verschont zu werden", so der Trierer Heimatforscher Adolf Welter. An diesem Tag brannte die Konstantin-Basilika bis auf die Mauern nieder, Dom und Liebfrauenkirche wurden ebenfalls schwer beschädigt, außerdem wurden Dutzende Privathäuser zerstört.
Die Trierer Altstadt sei nach den Bombenangriffen 1944 ein Trümmerfeld gewesen, erinnert sich Augenzeugin Hildegard Güntzer. "Überall sah man zerstörte Häuser. Trier war total kaputt. Die Brotstraße, die Simeonstraße. Man konnte gar nicht durch die Stadt gehen, weil alles zerstört war. Es war schrecklich", so die 97-Jährige.
Menschen mussten Trier verlassen
Die Dezember-Angriffe hat Hildegard Güntzer in Trier nicht direkt erlebt. Ende 1944 musste sie mit ihrer Familie Trier verlassen. Sie kamen bei Verwandten in Bacharach am Rhein unter. "Wir mussten raus aus unserem Haus", erinnert sich die 97-Jährige. "Wir wollten das nicht, aber wir mussten."
In Trier hielten sich zu diesem Zeitpunkt kaum noch Menschen auf. Gauleiter Gustav Simon ordnete in den letzten Monaten des Jahres 1944 "die totale Freimachung der Stadt Trier von Zivilpersonen" an, schreibt der Historiker Stephan Laux im Kurtrierischen Jahrbuch. "Der Verlust an Menschen in Trier wäre gewiss um einiges größer gewesen, wäre Trier nicht evakuiert worden." Viele Trierer wurden nach Thüringen gebracht. So fuhren Ende November 1944 jede Woche Züge dorthin.
Luftangriffe vor und an Weihnachten 1944
Die Angriffe am 19. Dezember 1944 hat Bernhard Hild, Oberwachtmeister der Schutzpolizei der Reserve, dokumentiert. Als Mitarbeiter der Luftschutzleitung im Hochbunker am Augustinerhof gehörte er zu den wenigen Menschen, die sich noch in Trier aufhalten durften.
"Die Sirenen waren kaum verklungen, da heulte und sauste und pfiff es durch die Luft wie die wilde Jagd. Das Dröhnen und Bersten der schweren Bomben und Minen, dazwischen das Klirren der Scheiben und Stürzen der Mauern", beschrieb der Oberwachtmeister später die Luftangriffe. Am 21., 23. und 24. Dezember 1944 folgten weitere schwere Luftangriffe auf Trier.
Hildegard Güntzer kam erst im Frühjahr 1945 mit ihrer Familie von Bacharach in ihre Heimatstadt Trier zurück. "Zum Glück stand unser Haus noch, es war nur teilweise zerstört“, erinnert sie sich. Zurückblickend sagt die 97-Jährige: "Es war keine schöne Zeit. Ich wünsche mir, dass von meinen Enkelkindern niemand mehr so etwas Schlimmes erlebt."