"Ich hab nicht lange überlegt. Ich hab mich einfach in den Lkw reingesetzt und bin gefahren", so erinnert sich Frank Neuendorf aus Steffeln an seinen Einsatz am 14. Juli 2021, als die Jahrhundertflut auch den Kreis Vulkaneifel schwer traf.
Neuendorf ist Lkw-Fahrer bei einer Hoch- und Tiefbaufirma in Jünkerath. Sein Chef Harald Schmitz, der gleichzeitig der Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises ist, ruft ihn am Nachmittag des 14. Juli an und bittet ihn, Sandsäcke im Kreis zu verteilen.
Schneller Aufbruch, um zu helfen
Neuendorf fährt mit seinem Auto nach Jünkerath, stellt es dort ab und nimmt den Lkw, um damit von Gerolstein aus die Sandsäcke zu transportieren. Unterwegs sieht er unter anderem, wie Gullydeckel das Wasser nicht mehr halten können und hochgedrückt werden.
Zu seiner Frau zu Hause hält Neuendorf Kontakt. Und zu seinen Schwiegereltern. Weil er dort Bauarbeiten am Haus durchgeführt hatte, hat er Angst, dass das Haus gefährdet ist. Wie er später erfährt, geht hier alles gut.
Mit dem Lkw kommt er noch durch überschwemmte Straßen, die für Autos längst nicht mehr passierbar sind. Die Flut hält Neuendorf nicht zurück: "Man hilft ja da, wo man helfen kann. Wie ernst die Lage war, wusste ich bis da noch nicht. Das wurde einem nachher immer bewusster, dass es kritisch war."
Während Fluthilfe säuft Auto ab
Kritisch wird es vor allem in Jünkerath, einem der ersten Orte, die überschwemmt wurden. Das merkt Neuendorf, als er um vier Uhr nachts den Lkw zurückbringen will: "Zu meinem Auto kam ich nicht mehr."
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Während er im Kreis hilft, wird in Jünkerath sein Privatauto von den Wassermassen überschwemmt. "Aber das war nicht so dramatisch. Ich habe Bilder aus anderen Orten gesehen. Die Menschen da hat es ja viel schlimmer getroffen."
Käme heute noch mal eine Flut, würde Frank Neuendorf alles genau so wieder machen: "Auf jeden Fall. Weil es gut tut, zu helfen. Für mich ist das normal." Der Kreis bietet ihm mehrfach an, die Differenz, die die Versicherung für das zerstörte Auto nicht zahlt, zu übernehmen.
Aber eine Entschädigung oder gar Belohnung für seine ehrenamtliche Arbeit will Neuendorf nicht: "Das hätte sich falsch angefühlt, da noch Geld rauszuziehen. Das wäre nicht meine Art. Und auch viele Leute haben eine Flutmedaille mehr verdient als ich."
Seine Hilfe ist große Unterstützung für den Kreis
Dabei ist Neuendorf für den Kreis Vulkaneifel eine große Unterstützung, sagt Katastrophenschutzinspekteur Schmitz: "Wir konnten ihn einfach anrufen und ihn bitten, Sandsäcke im ganzen Kreis zu verteilen. Da gab es kein Nein, sondern er war direkt da. Immer wenn er seine Aufträge abgearbeitet hat, stand er wieder startklar in Hillesheim."
Der Vorteil für die Technische Einsatzleitung in der Flutnacht: Um die Sandsäcke zu verteilen, muss Schmitz keine Einsatzkräfte und Fahrzeuge abstellen. Das entlastet das Team. Das steht dann weiter für andere Notfälle zur Verfügung, sagt Schmitz: "Das ist super, dass wir Frank da immer wieder ansprechen können. Und wir Leute finden, die bereit sind, der Bevölkerung derart zu helfen."
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Fluthelfer auch an der Ahr
Aber das ist noch nicht alles: Neuendorf hat nach der Flutnacht auch an der Ahr geholfen, berichtet Tobias Lussi, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr in Schuld. Das Haus eines seiner Feuerwehrkameraden ist von der Ahr weggespült worden. Das Haus von dessen Lebensgefährtin, in dem er unterkommt, steht ebenfalls nahezu im Fluss und droht einzustürzen.
Das THW gibt die Anweisung, das Haus mit Wasserbausteinen abzusichern, um es zu retten. Lussi fordert diese offiziell an, berichtet er, aber sie kommen und kommen nicht: "Das war eine emotionale Sache, den Kameraden hat es schwer getroffen. Wir wollten und mussten ihm helfen, hatten aber nicht die Mittel, weil wir die blöden Wasserbausteine nicht bekommen haben."
Lussi telefoniert mit Schmitz im Kreis Vulkaneifel, der ihm Hilfe anbietet. Lussi hatte bis dahin schon viel versprochen bekommen, was dann nicht kam. Aber plötzlich steht Frank Neuendorf vor seiner Tür.
"Er fragte mich: 'Bist du der Tobi? Ich hab' Steine dabei.' Das hat mir die Sprache verschlagen und ich habe gesagt: 'Dich schickt der Himmel'", erinnert sich Lussi. Es bleibt aber nicht bei diesem einen Einsatz. Neuendorf liefert so lange Steine, bis das Haus abgesichert ist.
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Erinnerungen an die Jahrhundertflut bleiben
Wenn Frank Neuendorf von den Tagen nach der Flut erzählt, geht er dabei nicht derart ins Detail. Er habe einfach geholfen: "Man funktioniert einfach nur. Die Situation wird einem erst viel später bewusst." In seinem Job bei der Baufirma ist er auch heute noch am Wiederaufbau in den Flutgebieten, vor allem in Nordrhein-Westfalen, beteiligt: "Dadurch kommt die Erinnerung jeden Tag."
Frank Neuendorf macht es dann traurig, die Geschichten der Flutbetroffenen zu hören. Mit der Flut hat der Helfer aus dem Kreis Vulkaneifel auch zwei Jahre danach noch nicht abgeschlossen.