Es ist kurz vor drei Uhr morgens im Oktober 2021, als der Notruf die Polizeiwache in Idar-Oberstein erreicht: "Bitte helfen Sie mir, ich brenne! Und mein Haus brennt auch." Auch mehr als zwei Jahre später hat Polizeikommissar Luca Dieden diese Worte noch genau im Kopf. Er und seine Kollegin Corinna Valerius sowie eine Polizeianwärterin setzen sich in jener Nacht sofort in den Streifenwagen und fahren los, um zu gucken, was passiert ist.
"Schon bei der Anfahrt haben wir Rauch und Flammen sehen können", erinnert sich Luca Dieden. 800 Meter vor dem brennenden Mehrfamilienhaus sei ihnen dann der Anrufer mit erheblichen Verbrennungen entgegengekommen. "Die Kleidung in Fetzen, die Haut abgeledert", erinnert sich Dieden. Der Mann habe völlig unter Schock gestanden.
Polizisten treten Tür ein und laufen ins brennende Haus
Später wird der Anrufer der fahrlässigen Brandstiftung verdächtigt. An jenem Abend bleibt die Polizeianwärterin bei ihm zurück, leistet erste Hilfe, bevor er in eine Spezialklinik gebracht wird. Ein Verfahren gegen ihn wird 2022 eingestellt, nachdem er gestorben ist.
Die Polizisten Luca Dieden und Corinna Valerius fahren am Abend des Brandes mit dem Streifenwagen schnell weiter zum lichterloh brennenden Haus, wo laut Melderegister mehrere Menschen wohnen und zu diesem Zeitpunkt noch völlig unklar ist, ob und wie viele aus dem Gebäude gerettet werden müssen. "Wir haben dann geklingelt, es hat keiner aufgemacht", sagt Luca Dieden. Die Polizisten zögern nicht lange. Die Freiwillige Feuerwehr Idar-Oberstein ist zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht da. Dieden und Valerius treten erst die Tür des Mehrfamilienhauses und dann die zur Wohnung im Erdgeschoss ein.
"In dem Moment hat einfach der Wille zu helfen überwogen", sagt Corinna Valerius. Es sei nicht so, dass man leichtsinnig gewesen wäre. Aber man habe auch nicht lange gezögert, sondern etwas für die Menschen im Haus tun wollen. Die Türen zum Haus und vor allem die zur Wohnung seien glücklicherweise nicht massiv gewesen, sodass man hineingelangen konnte.
Grundausbildung bei der Feuerwehr zahlte sich aus
"In der Wohnung waren eine schlafende Frau, ein Mann und ein Kleinkind. Wir haben sie rausgebracht, befragt und dann erfahren, dass im Dachgeschoss noch eine Frau wohnt, konnten aber nicht zu ihr, weil da so viel Rauch war", sagt Luca Dieden. Er und seine Kollegin Corinna Valerius rufen die Bewohnerin, können aber nicht zu ihr gehen.
Dieden hat früher einmal eine Grundausbildung bei der Feuerwehr gemacht, kennt sich etwas aus. "Es gab plötzlich eine Durchzündung, die Scheiben sind geplatzt und der Rauch ist etwas abgezogen", erinnert sich der Polizist. Am Ende gelingt es auch, die Frau aus den Flammen zu retten. Die Menschen aus dem Mehrfamilienhaus verdanken den Idar-Obersteiner Polizeibeamten ihr Leben.
Polizeipräsidentin Rakowski zeichnet 30 Polizisten aus
Corinna Valerius und Luca Dieden gehören zu jenen rund 30 Polizistinnen und Polizisten, die am Montag von der Trierer Polizeipräsidentin Anja Rakowski geehrt wurden. Geehrt, weil sie sich selbst in Gefahr gebracht haben, um Menschen zu retten oder auf andere Weise herausragende Einsatzbereitschaft gezeigt haben. Eigentlich findet diese Polizistenehrung jedes Jahr statt. 2021 und 2022 habe die Ehrung aber wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden können, deswegen sei dies nun zusammen mit den Fällen aus dem Jahr 2023 nachgeholt worden.
Erste Polizei-Chefin in Rheinland-Pfalz Triers neue Polizeipräsidentin: Vom Streifendienst bis ganz nach oben
Anja Rakowski schreibt Geschichte in Rheinland-Pfalz: Sie ist die erste Polizeipräsidentin im Land - und zwar in Trier. Am Dienstag hatte sie ihren ersten Arbeitstag.
In mehr als der Hälfte der Fälle, in denen Polizistinnen und Polizisten am Montag in Trier geehrt wurden, ging es um Suizidversuche, über die normalerweise gar nicht in der Presse berichtet wird, zu groß ist die Gefahr, dass es Nachahmer geben könnte. Dennoch haben viele der Polizistinnen und Polizisten ihr Leben riskiert, um Verzweifelte vor einem Suizid zu bewahren. Andere haben Menschen aus brennenden Häusern, Flüssen oder sonstigen Gefahren gerettet oder Täter festgenommen.
Mehr als die normale Dienstpflicht - was ist das?
Doch wo verläuft eigentlich die Grenze zwischen normaler Dienstpflicht und besonderem Engagement und Verdienst? "Von jedem Polizisten kann man natürlich grundsätzlich Hilfe erwarten und natürlich sind wir auch verpflichtet, so eine gewisse Gefahrengeneigtheit hinzunehmen", sagt Anja Rakowski auf Nachfrage.
"Aber wenn es dann konkret wird für einen selbst ..., wir hatten ja ein paar Fälle dabei, wo auch den Beamten etwas hätte passieren können, weil sie sich selbst in Gefahr gebracht haben, z.B. in ein brennendes Haus reingegangen sind, um Menschen zu evakuieren, also das geht dann schon über das Selbstverständliche hinaus."
Durch ihre außergewöhnliche Einsatzbereitschaft hätten die ausgezeichneten Polizistinnen und Polizisten Mut und Verantwortung gezeigt, sagte die Polizeipräsidentin. Sie seien damit ein Vorbild für viele ihrer Kolleginnen und Kollegen.