Forstamt Trier, um halb fünf Uhr morgens. Allmählich wird es heller, während ich Sarah und ihrem treuen Gefährten, Jagdhund Horton, durch den Meulenwald im Jagdbezirk des Forstamtes Trier folge. Je näher wir dem Hochsitz kommen, desto schneller schlägt mein Herz und leiser flüstern wir.
Während ich mich etwas unbeholfen die Stufen des Hochsitzes hochziehe, steigt Sarah gekonnt und bepackt mit ungeladenem Gewehr sowie Rucksack die Leiter hoch. Ich merke: Das macht sie nicht zum ersten Mal. Vor rund zehn Jahren hat die 35-Jährige ihren Jagdschein gemacht und ist auch durch ihren Beruf als Referentin für Naturschutz beim Landesjagdverband Rheinland-Pfalz mit der Jagd und dem Wild verbunden.
Der Moment für den Schuss muss perfekt sein
Das Gefühl, mit dem Wald wach zu werden, sei mit das schönste, so die Jägerin. Und nach nur fünf Minuten auf dem Hochsitz, weiß ich genau, was sie damit meint. Schließlich ginge es bei der Jagd nicht nur ums Schießen und die Waffe, sondern auch um Revierpflege, Erkennen von Wildkrankheiten und den Tierschutz. Wichtige Punkte, die auch im Landesjagdgesetz geregelt sind. Ob wir heute überhaupt einen Bock schießen werden? Das lässt sich schlecht voraussagen. Und oft sei es auch schön, die Natur nur auf sich wirken zu lassen.
Während wir gerade einen Fuchs auf der vor uns liegenden Lichtung beobachten, durchdringt ein Schuss die morgendliche Stille. Zurück am Forstamt Trier erfahren wir, von wem er kam. Die 33-Jährige Anika hat einen Bock geschossenen und die anderen Drei freuen sich mit ihr. "Da hast du heute unsere Ehre verteidigt", lacht Sarah und packt mit an. Denn nun geht es ans Aufbrechen des Stückes, wie es in der Jägersprache heißt.
Respektvoller Umgang mit dem Tier
Während Anika das tote Tier aufhängt, es konzentriert aufschneidet, sorgfältig die Innereien entnimmt und dabei aufmerksam Tipps von ihren Kameradinnen und weiteren Helfern bekommt, beobachte ich das Ganze durch die Tür. Die Stimmung ist freudig und respektvoll. Auf mich wirkt es, als würden die Vier seit Jahren nichts anderes tun. Wenn du magst, kannst du noch näherkommen, sagt Anika zu mir. Aber ich merke, dass der Abstand mir gut tut. Die Leichtigkeit und die Routine, komme auch erst mit der Zeit, meinen die Vier.
Wie die anderen, so hatte sich auch Anika vor ihrem Jagdschein mit der Fleischproduktion auseinander gesetzt. In der Jagd sehen die Vier eine ethisch korrekte Möglichkeit, Fleisch zu gewinnen und das ganze Tier von der Nase bis zur Schwanzspitze zu verarbeiten. "Mir war klar: Wenn ich den Abzug nicht ziehen kann, nachdem ich den Jagdschein gemacht habe, dann werde ich Vegetarierin." Sie konnte es und wurde Jägerin.
Wie ernst Anika es meint, merke ich, als sie sich ein Stück vom Herzen des erschossenen Tieres abschneidet, in den Mund steckt und den Rest den Jagdhunden als Belohnung gibt. Für sie ein Zeichen des Respekts und ein persönliches Ritual.
Jagd ist keine Männerdomäne mehr
Anika hatte sich Ende 2020 für den Jagdschein entschieden, wie sie mir beim anschließenden Frühstück erzählt. Eine Ausbildung, für die sich immer mehr Menschen entscheiden. Nach Angaben des Deutschen Jagdverbandes sind vergangenes Jahr mehr als 23.700 Menschen die staatliche Jagdprüfung angetreten, was in etwa ein Viertel mehr Prüflinge als im Jahr zuvor waren. Was den Vier in den vergangenen Jahren auch immer bewusster auffallen sei: Die Jagd wird immer weiblicher.
Ein Eindruck, der sich auch in den Ergebnissen der durch den Deutschen Jagdverband beauftragten Jungjägerbefragung von Ende 2021 widerspiegelt. Demnach sei innerhalb eines Jahrzehnts der Anteil der Frauen in Jagdschulen um acht Prozent gestiegen. Im Landesjagdverband Rheinland-Pfalz ist die Zahl der Jägerinnen in den letzten 10 Jahren von 1.011 auf rund 2.500 gestiegen, in der Kreisgruppe Trier-Saarburg von 50 auf 123.
Dass sich die Rolle der Frau in der Jagd im Wandel befindet, merke man auch am breiteren Angebot zum Beispiel an Jagdausrüstung für Frauen, meint Annika. Sie arbeitet bei einem Unternehmen für Jagdzubehör. Auch Veranstaltungen, wie ein gemeinsamer jagdlicher Ansitz für Frauen und Workshops, werden immer mehr.
Mehr als nur Jagd: Revier- und Communitypflege
Hierbei gehe es vor allem darum, sich miteinander zu vernetzten, sich von dem recht konservativen Bild eines Jägers zu lösen und gegenseitig zu stärken. "Egal wo du herkommst, wie alt du bist, welchen Hintergrund oder Erfahrung du hast: Wir Jäger und Jägerinnen tragen alle grün", sagt Annika. Dass das Jagdfieber mal die Überhand gewinnt und es zu viele Jäger und Jägerinnen gibt, befürchten Lena und Anika nicht.
Denn schließlich sei das Jagen nicht wie ein normales Hobby, was man mal eben abends noch macht. Vielmehr sei es eine bewusste Entscheidung und Lebenseinstellung, die polarisiert und die die Jägerinnen auch schon die ein oder andere Bekanntschaft, Freundschaft oder sogar Partnerschaft gekostet hat. "Jagd ist ein einschneidendes Thema. Vor allem wenn man neue Leute kennenlernt. Da stehen die Chancen, wie sie auf das Jagdthema reagieren, 50:50", sagt Lena. Sie können aber vollkommen verstehen, wenn jemand eine andere Einstellung zur Jagd hat.
"Als Jägerin ist man immer Botschafterin"
Meine Einstellungen zum Jagen haben die Vier nach heute verändert. Ob ich selbst zur Jagd gehen und die Kugel auf den Weg schicken würde? Diese Frage kann ich nach dem einen Mal nicht beantworten. Mitgehen würde ich aber wieder. Schon allein wegen der Schönheit des Waldes - um halb fünf Uhr morgens.