Eine Zeremonie mit Fackeln und weißen Kutten des Ku-Klux-Klans: solche Szenen müssen sich in den 1980er-Jahren auch in der Eifel abgespielt haben.

Früheres Hauptquartier in der Nähe von Wittlich

Die Gespenster vom Flugplatz: Die Geschichte des Ku-Klux-Klan in der Eifel

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Christian Altmayer
Foto von Christian Altmayer, Redakteur bei SWR Aktuell im Studio Trier

Der Ku-Klux-Klan hat vor allem in den USA Schrecken verbreitet. Ausgerechnet von der Eifel aus wollten amerikanische Soldaten 1981 auch einen deutschen Ableger aufbauen.

Das beschauliche Örtchen Bruch wäre eine perfekte Kulisse für einen Werbefilm über die Eifel. Sanft plätschert die Salm hier durch das Tal. Am Ufer stehen eine alte Mühle, schiefergedeckte Bauernhäuser und eine Burg aus dem Mittelalter. Nichts erinnert daran, dass vor dieser Burg einmal Rassisten in weißen Kapuzen posiert haben.

Postkartenidylle: Bruch in der Eifel ist ein schönes Dorf mit einer mittelalterlichen Burg.
Postkartenidylle: Bruch in der Eifel ist ein schönes Dorf mit einer mittelalterlichen Burg.

Mehr als 40 Jahre ist es her, dass der Ku-Klux-Klan (KKK) in Bruch sein westdeutsches Hauptquartier aufbauen wollte. Nur noch die älteren Einwohner des Dorfes erinnern sich daran, dass in der Region einst Kreuze verbrannt wurden, dass Menschen vergiftet und verprügelt wurden. Aber von Anfang an.

Postkartenidylle: Bruch in der Eifel ist ein schönes Dorf mit einer mittelalterlichen Burg.
Der Fluss Salm fließt durch den Ort mit gerade einmal 400 Einwohnern.

KKK-Chef war beliebter Mann im Dorf

Es ist das Jahr 1981 und in der Brückenschänke in Bruch gehen die Amerikaner ein und aus. Sie trinken Bitburger Bier, essen Wiener Schnitzel und spielen Skat mit den Einheimischen. 120 US-Soldaten von der Air Base Spangdahlem und ihre Familien leben damals in dem Ort zwischen Bitburg und Wittlich, der rund 10 Kilometer vom amerikanischen Flugplatz entfernt liegt.

Postkartenidylle: Bruch in der Eifel ist ein schönes Dorf mit einer mittelalterlichen Burg.
In einer der Kneipen, in der sich der Klan früher traf, ist heute ein Wohnhaus.

Einer von ihnen ist ein schmächtiger, junger Mann mit Oberlippenbart, Brille und Jägerhut. "Der Typ kam immer sehr gerne in die Kneipe und hat Würfelspiele gemacht. Der konnte gut reden, konnte sich gut präsentieren", sagt Antonia Nonnweiler, die frühere Wirtin der Brückenschänke.

Niemand hat etwas vom Hauptquartier in Bruch geahnt

Dass der Fluglotse sich auch gerne mit weißer Kutte und Gewehren präsentiert und gegen Schwarze und Juden hetzt, weiß Nonnweiler damals nicht: "Niemand hat das geahnt". Der Texaner ist der Anführer des "Ku-Klux-Klan West Germany", einem Ableger der rechtsextremen Geheimorganisation aus den USA. Er nennt sich den "erhöhten Zyklopen".

Der Ku-Klux-Klan ist ein rassistischer Geheimbund aus den USA. Zu den Erkennungszeichen gehören weiße Kapuzen und brennende Kreuze.
Der Ku-Klux-Klan ist ein rassistischer Geheimbund aus den USA. Bei Zeremonien tragen die Mitglieder weiße Kapuzen.

Ku-Klux-Klan seit rund 100 Jahren in Deutschland aktiv

Vor allem in den Südstaaten der USA war der Klan verantwortlich für etliche Morde und gut vernetzt in Politik und Behörden. Die Kapuzenmänner wähnen sich in einem Rassenkrieg, bis heute. "Und die Soldaten von den US-Flugplätzen brachten diesen gefährlichen Kult nach Deutschland", wie der Journalist Tanjev Schultz sagt, der zusammen mit seinem Kollegen Frederik Obermaier ein Buch über das Wirken des KKK in der Bundesrepublik geschrieben hat.

Tanjev Schultz ist Journalist, Autor und Professor für Journalistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er hat ein Buch über das Wirken des Ku-Klux-Klans geschrieben.
Tanjev Schultz ist Journalist, Autor und Professor für Journalistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts, schreibt Schultz, sei der Klan in Deutschland aktiv. Die Organisation sei in einige Verbrechen verstrickt gewesen. "Vielen Menschen ist das aber bis heute nicht bewusst", sagt der Autor. In den Dörfern rund um die Air Base Spangdahlem tragen viele Amerikaner damals Cowboyhüte. Warum also nicht auch weiße Kutten? "Das hatte für viele so den Anschein von Fasching", sagt Schultz.

Brennende Kreuze und vergiftete Soldaten in der Eifel

Dabei gibt es damals auch in der Eifel alarmierende Vorfälle. Hinter dem Schießklub auf dem US-Flugplatz in Bitburg verbrennen amerikanische Soldaten mehrere Kreuze. Und auf der Air Base Spangdahlem werden 1981 zwei schwarze Soldaten mit Strychnin-Vergiftung ins Krankenhaus gebracht. Der Fall wird nie aufgeklärt.

Das brennende Kreuz symbolisiert in der Ideologie des radikal-protestantischen Ku-Kluk-Klans das Licht Jesu-Christi. Solche Kreuze haben Mitglieder zum Beispiel auch als Drohung in den Vorgärten ihrer Gegner entzündet.
Das brennende Kreuz symbolisiert in der Ideologie des radikal-protestantischen KKK das Licht Jesu-Christi. Solche Kreuze haben Mitglieder zum Beispiel auch als Drohung in den Vorgärten ihrer Gegner entzündet.

"Man hat uns auch erzählt, dass schwarze Soldaten zusammengeschlagen oder bedroht wurden", erinnert sich Antonia Nonnweiler. Die Brucher Wirtin ahnt trotzdem lange nichts davon, dass sich die Rechtsextremen ausgerechnet in ihrer Kneipe treffen.

"Kostümfest" war Wirtin "nicht geheuer"

Sie schöpft keinen Verdacht bis zu einem denkwürdigen Abend. Damals mietet der Fluglotse mit dem Jägerhut den Saal des Gasthauses für eine Veranstaltung. Und erst denkt sich Nonnweiler nichts dabei, bis eine Bedienung der Gruppe in dem Saal die Getränke bringt. "Die hat erzählt, dass da ein Kostümfest im Gange ist", erzählt Nonnweiler: "Und die hat gemerkt, dass da was nicht gestimmt hat. Das war ihr nicht geheuer."

Deutsche Neonazis beim "Klan-Meeting" in der Eifel

Der Eindruck verstärkt sich, als nach der Veranstaltung einige der Gäste in die Kneipe kommen. "Unangenehme Typen", sagt Nonnweiler, Deutsche mit Springerstiefeln und Bundeswehrkleidung, Neonazis: "Die haben dann andere Gäste angepöbelt, waren richtig aggressiv." Gegen Mitternacht reicht es der Wirtin, sie zapft ein letztes Bier und macht zu.

Investigativ-Reporter schleust sich bei Klan ein

Was Nonnweiler da noch nicht weiß: Die Neonazis und die Soldaten werden nicht mehr in ihrer Kneipe auftauchen. Denn bei dem "Klan-Meeting" in Bruch ist auch Gerhard Kromschröder dabei, ein Journalist des Magazins Stern, der sich Undercover eingeschleust hat.

Gefährlicher Job: Der Journalist Gerhard Kromschröder hat sich 1981 unter einem falschem Namen beim Ku-Klux-Klan eingeschleust.
Gefährlicher Job: Der Journalist Gerhard Kromschröder hat sich 1981 unter einem falschen Namen beim Ku-Klux-Klan eingeschleust.

In Kontakt gekommen ist Kromschröder mit dem Klan über eine Annonce in einem Kirchenblättchen. Dort werben die Rassisten in den 1980er Jahren um neue Mitglieder. Also meldet sich der Reporter und wird in die Eifel eingeladen.

Journalist: Introvertierte aber gefährliche "Versager"

Im Haus des Klan-Chefs kommen dann deutsche Neonazis und amerikanische Soldaten zusammen. Sieben Gewehre liegen auf dem Bett des "erhöhten Zyklopen". Mittendrin der Investigativ Reporter: "Da hab ich gemerkt, es wird ernst. Ich hab das vorher eher für eine Kinderei gehalten."

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Den Anführer des Klans beschreibt Kromschröder als "introvertierten Versager", seine Truppe als junge Männer, die "sich zurückgesetzt fühlen und sich stark fühlen wollen". Und doch seien es gefährliche Menschen gewesen, erinnert sich der Journalist, "die irgendwann um sich schlagen, um sich schießen können".

Klan posiert mit Flaggen vor der Wasserburg

Im Beisein von Kromschröder sprechen die Männer denn auch über den Bau von Bomben. Im Anschluss ziehen sie sich die weißen Kutten an, fahren zur Burg und posieren dort mit der amerikanischen Flagge. "Im Dorf hat das niemanden sonderlich berührt", sagt Kromschröder: "Für die war das Karneval."

Postkartenidylle: Bruch in der Eifel ist ein schönes Dorf mit einer mittelalterlichen Burg.
Heute gibt es in der Burg einen Biergarten.

Trierer Polizei vergleicht KKK mit der Bäckerinnung

Das ändert sich erst, als kurz darauf Kromschröders Artikel erscheint. "Wir sind aus allen Wolken gefallen", sagt die Wirtin Antonia Nonnweiler. Und für ein paar Tage blickt halb Deutschland auf das kleine Eifel-Dorf. Kamerateams sind in Bruch unterwegs und befragen die Leute.

Die deutschen und amerikanischen Behörden hingegen nehmen die Sache nicht besonders ernst. Auf Nachfrage bei der Trierer Kripo bekommt Kromschröder nach eigenen Angaben von einem Polizisten zu hören: Man wisse natürlich, dass sich der Klan in der Eifel treffe, "aber wir kümmern uns ja auch nicht um Versammlungen der Bäckerinnung."

68 Straftaten mit Bezug zum KKK

Auch bei Demonstrationen, wie hier in Stuttgart, tauchen hin und wieder Symbole des Ku-Klux-Klans auf. Unten rechts in der Bildecke ist ein Mann zu sehen, der einen Schal mit Zeichen des KKK trägt.
Auch bei Demonstrationen, wie hier in Stuttgart, tauchen hin und wieder Symbole des Klans auf. Unten rechts in der Bildecke ist ein Mann zu sehen, der einen Schal mit Zeichen des KKK trägt.

Die Air Force geht damals auch nicht weiter gegen die Klan-Mitglieder vor - der Klan ist in den USA nicht verboten. Die Soldaten werden aber zurück in die Vereinigten Staaten geschickt. Im Dorf kehrt danach wieder Ruhe ein. Andernorts in Deutschland macht die Geheimorganisation aber weiter von sich reden, wie der Journalist Tanjev Schultz in seinem Buch schreibt. Seit 2001 gab es laut Bundesregierung 68 Straftaten mit Bezug zum KKK.

Razzia gegen mutmaßliche Klan-Mitglieder auch in der Eifel

Zum Beispiel 2021 in Seehausen in Sachsen-Anhalt: Dort hatte ein Mann in Ku-Klux-Klan-Montur mit einer Paintballpistole auf Klimaaktivisten geschossen und mehrere Menschen verletzt. Für Schlagzeilen sorgte auch eine Razzia im Jahr 2019. Damals durchsuchten Polizisten die Wohnungen von 17 mutmaßlichen Mitgliedern der "National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan Deutschland" und fanden 40 Waffen und einige Objekte mit Symbolen des Nationalsozialismus.

Der Ku-Klux-Klan ist ein rassistischer Geheimbund aus den USA. Zu den Erkennungszeichen gehören weiße Kapuzen und brennende Kreuze.
Diese Gegenstände wurden bei der Razzia 2019 unter anderem gefunden.

Auch damals führte die Spur in die Eifel. Denn die Polizei hielt einen Mann aus Mayen für den Rädelsführer der Gruppe. Allerdings wurden die Ermittlungen mittlerweile von der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingestellt. Die Ankläger konnten nach eigenen Angaben nicht mit Sicherheit feststellen, ob die "National Socialist Knights of the Ku-Klux-Klan" vorhatten, Straftaten zu begehen.

Flugplatz Spangdahlem toleriert keine Klan-Mitglieder mehr

Seitdem ist es in Deutschland und Rheinland-Pfalz ruhig um den Klan geworden. Die Air Force toleriert es nach eigenen Angaben auch nicht mehr, wenn Soldaten sich in extremistischen Gruppen engagieren. "Wenn wir solche Hinweise bekommen, gehen wir ihnen nach", schreibt ein Pressesprecher des US-Flugplatzes Spangdahlem. Die Folge können Disziplinarstrafen bis hin zum Ausschluss aus der Truppe sein.

Eingang US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem in der Eifel
Extremistische Umtriebe werden in Spangdahlem nicht mehr geduldet, heißt es.

Klan heute nur noch "Randphänomen"

In den vergangen Jahren tauchte der Klan aber auch nicht mehr im deutschen Verfassungsschutzbericht auf. Innerhalb der rechten Szene sei die amerikanische Geheimorganisation heute nur ein "Randphänomen", so die Bundesregierung.

Eine Kombo aus Reproduktionen der Ostthueringer Zeitung aus dem Jahr 1998 zeigt Fahndungsbilder von Beate Zschäpe (l-r), Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Das Trio bildete die Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) die für eine Serie von zehn Morden, Banküberfällen und Sprengstoffanschlägen verantwortlich gemacht wurde
Auch Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von der rechtsradikalen Terrorzelle NSU sollen Kontakte zum Klan gehabt haben.

"Andere Organisationen sind in der Szene heute sicher mehr en vogue", sagt Journalist Tanjev Schultz. Trotzdem gibt er zu bedenken, "dass gerade kleine, radikale Gruppen gefährlich sein können." Und: Dass die Traditionen und die Symbole des Klans auf Rechtsextreme weiterhin eine gewisse Faszination ausübten. So sei es zum Beispiel auch belegt, dass Beate Zschäpe vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) an einer Kreuzverbrennung teilgenommen hat.

In Bruch kehrt wieder Ruhe ein

Postkartenidylle: Bruch in der Eifel ist ein schönes Dorf mit einer mittelalterlichen Burg.
Seit den aufregenden Tagen 1981 ist viel Wasser die Salm hinunter geflossen.

Mit all dem hat man in Bruch schon lange nichts mehr zu tun. Nachdem die Amerikaner seinerzeit versetzt wurden, geht alles wieder seinen gewohnten Gang in dem beschaulichen Dorf. Antonia Nonnweiler betrieb die Brückenschänke noch bis 1988. Doch in diesen sieben Jahren hat kein Gast mehr für eine solche Aufregung im Ort gesorgt.

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