Gisela (87) und Gerd (83) Klotschkewitz aus Bad Neuenahr haben in der Flutkatastrophe vor sechs Wochen alles verloren, was sie hatten. Ihre Erdgeschoss-Wohnung lag nur 50 Meter von der Ahr entfernt und stand komplett unter Wasser: Totalschaden.
Wenn Gisela Klotschkewitz heute ihre alte Wohnung betritt, kommen ihr die Tränen und der Seniorin stockt die Stimme. Die weißen Wände sind mit Dreck verschmiert, der Wintergarten ist zerstört und die Türen aus den Angeln gehoben. "Es ist ein Elend", sagt sie. "Wir haben unser Leben, aber sonst nichts. Es ist schlimm, die ganzen Erinnerungen sind weg."
Mit nichts als dem Leben davongekommen
Das Leben verdankt das Ehepaar Kloschkewitz seinen früheren Nachbarn, die sie in der Flutnacht weckten und in ein höheres Stockwerk retteten.
Hoffnung schöpfen die beiden heute aus der Unterstützung durch Familie und Freunde. Bescheiden leben sie nun in einer neuen Wohnung an einem anderen Ort, in der Nähe ihrer Kinder, eingerichtet mit ersten günstigen Möbeln und Gespendetem. Denn von ihrem Hausstand ist nichts geblieben. Und noch fehlt vieles, damit die Senioren das neue Heim Zuhause nennen können.
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Was wurde aus den Spendenmillionen?
Außerdem braucht es neue warme Kleidung für den kommenden Herbst und Winter. Das kostet alles viel Geld. Mindestens 5.000 Euro, schätzt Schwiegertochter Petra Ehlen. Und etwa 7.000 Euro hätten sie schon ausgegeben für die nötigsten Dinge.
Jetzt fragen Gisela und Gerd Kloschkewitz sich täglich, was aus den vielen Spendenmillionen geworden ist. Denn außer den insgesamt 3.000 Euro an staatlichen Hilfen von Bund und Kreis - die immerhin zügig ausgezahlt worden seien - sei bis jetzt nichts bei ihnen angekommen.
Enttäuschung über mangelnde Transparenz bei Spendengeldern
Ihre Schwiegertochter berichtet: "Ich habe mit ganz vielen Stellen telefoniert. Ich habe überall versucht herauszufinden, wo denn diese ganzen Spendengelder hingehen." Doch überall sei sie vertröstet worden, dass die Verteilung noch nicht geklärt sei.
"Oft hieß es: Wir rufen sie zurück. Doch es kam nie ein Anruf." Beim Kristenstab habe man ihr in einem netten Gespräch erklärt, dass alles noch Zeit brauche. "Aber man hat keine Zeit, man muss ein neues Zuhause finden. Gerade in dem Alter", sagt Ehlen mit Blick auf ihre Schwiegereltern.
Enttäuscht über solche Auskünfte wandte sich die Familie hilfesuchend an "Zur Sache Rheinland-Pfalz".
AWO zahlt Soforthilfen an Flutbetroffene aus
Und die Recherchen der Zur Sache-Redaktion brachten gute Nachrichten. So zahlt die für die Region zuständige Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rheinland noch Soforthilfe aus: 1.000 Euro für den Haushaltsvorstand, 500 für jedes weitere Familienmitglied - bis zu einer Gesamtsumme von maximal 2.500 Euro.
Beantragen können Betroffene die Soforthilfen bei den mobilen Beraterteams der AWO, die im Katastrophengebiet unterwegs sind. Auf der AWO-Internetseite ist zu entnehmen, zu welchen Terminen sie an welchen Orten anzutreffen sind. Am Freitag sind die Teams beispielsweise in Mayschoß, Schuld, Dernau und Insul.
Diakonie: Haushaltsbeihilfe für Flutopfer
Die Diakonie Rheinland, Westfalen, Lippe (RWL) als übergeordneter Verband für die Diakonien in Trier und Koblenz legt in den kommenden Tagen eine "Haushaltsbeihilfe" auf, die beispielsweise für die Anschaffung von Möbeln gedacht ist. Hier sind Auszahlungen von 5.000 bis zu 20.000 Euro pro Haushalt möglich, sagt Pfarrer Ulrich T. Christenn, der bei der Diakonie RWL das Zentrum für Drittmittel und Fundraising leitet.
Wenn es soweit ist, soll die Antragstellung online oder bei den Diakonien in Trier und Koblenz möglich sein. Weitere Hilfsorganisationen könnten vergleichbares in den nächsten Wochen anbieten - die Verhandlungen laufen.
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Aufwendige Verteilungsprozesse bei Hilfsorganisationen
Petra Ehlen zeigt sich dankbar, als sie von diesen Möglichkeiten hört: "Da bin ich unheimlich glücklich darüber, dass jetzt etwas geschieht und ich denke, dass die anderen Hilfsorganisationen da jetzt auch nachziehen werden."
Dass Betroffene unzufrieden sind, kann Andreas Zels, Geschäftsführer des AWO-Bezirksverbands Rheinland, verstehen. Die Verteilungsprozesse vieler Hilfsorganisationen seien sehr aufwendig und nicht immer nachvollziehbar. Allerdings bestehe bei der Spendenverteilung ein hohes Bedürfnis an Sicherheit.
Viele Anträge und aufwendige Prüfung
Das bestätigt auch Pfarrer Christenn, der bei der Diakonie unter anderem für die Katastrophenhilfe zuständig ist. Gerade jetzt, wo es um größere Beträge gehe, lähme die Prüfung natürlich. "Es passiert auf jeden Fall schon was", so Christenn. Insgesamt habe die Diakonie bisher rund 3 Millionen verteilt.
Bei der AWA habe man innerhalb von wenigen Tagen an 760 Menschen rund 1,3 Millionen Euro auszahlen können, sagt Geschäftsführer Zels. "Wir haben aktuell 2.650 Anträge auf dem Tisch." Um diese schnellstmöglich zu bearbeiten, habe man zusätzlich Kräfte eingestellt und schiebe Überstunden.