Die Notfallseelsorger der Psychosozialen Notfallversorgung sind seit der Unwetternacht im Ahrtal im Einsatz und bieten den Betroffenen erste Hilfe für die Seele. Viele Hinterbliebene seien nach dem Tod von Angehörigen im Hochwasser unendlich verzweifelt, berichten sie aus ihrer täglichen Arbeit im Krisengebiet. Deshalb bräuchten sie gerade jetzt Unterstützung von Nachbarn und Freunden. Die Notfallseelsorger raten dabei, folgendes zu beachten.
1. Reden Sie nicht über, sondern mit den Betroffenen
Es sei wichtig, nicht über, sondern mit den Menschen zu sprechen, die einen Angehörigen während des Hochwassers verloren haben. Das sagt Johannes Loos, der für die Notfallseelsorge Alzey/Worms im Krisengebiet Hilfe leistet. Oft zögerten Freunde oder Nachbarn aber, weil sie nicht wüssten, wie sie mit Hinterbliebenen umgehen sollen.
Aus Angst, im Gespräch etwas Falsches zu sagen, zögen sich manche Nachbarn oder Freunde nach einem Todesfall von den Betroffenen zurück. "Insofern ist sicherlich sinnvoll, erstmal ein Kontaktangebot zu machen", rät der Psychologe Pascal Koffer.
2. Nehmen Sie den ersten Kontakt zu den Hochwasser-Opfern auf
Man könne viele Betroffene ruhig direkt darauf ansprechen, dass sie einen Angehörigen verloren haben, rät Pascal Koffer. Und dann fragen: "Kann ich euch irgendwie unterstützen?". Zum Beispiel könne man einfach rüber zum Nachbarn gehen und sein Beileid ausdrücken, das sei ein erster Schritt zur Kontaktaufnahme.
In einer solchen Situation dürfe man auch behutsam nachfragen und etwa sagen: "Erzähl doch mal, wie du das Hochwasser erlebt hast." Das helfe manchen Betroffenen, sich zu öffnen und beim Erzählen auch ihre Gefühle zu benennen. Oft falle es ihnen dann später leichter, noch einmal Hilfe anzunehmen.
In vielen Fällen nähmen die Betroffenen aber auch selbst Kontakt zu Nachbarn und Freunden auf, erklärt Psychologe Pascal Koffer. Das sei ein Zeichen, dass sie in Kontakt bleiben wollten. Wichtig sei, den Hinterbliebenen zu signalisieren: "Ihr kommt, wenn ihr uns braucht und entscheidet, was ihr braucht."
3. Halten Sie Trauer und Tränen der Flutopfer aus
Im Gespräch mit Hinterbliebenen sei es oft nicht leicht, deren Trauer auszuhalten, vor allem, wenn sie während eines Gesprächs weinten, sagt Notfallseelsorger Loos. "Aber die Betroffenen sind meistens sehr dankbar dafür, wenn die Leute mit ihnen reden." Wichtig sei in einer solchen Situation, einfach nur da zu sein und ihnen zuzuhören.
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Allerdings müsse man auch darauf gefasst sein, dass es bei einem Gespräch auch zu Situationen kommen könne, die befremdlich wirken, so Gregor Doege, der fachliche Leiter der Psychosozialen Notfallversorgung. Manche Betroffene würden sehr aktiv und fingen während des Gesprächs etwa an, etwas zu putzen. "Sich mit Alltagsroutinen zu beschäftigen, ist eine Form sich klarzumachen, dass man noch handlungsfähig ist."
4. Geben Sie keine Tipps, was zu tun ist und bewerten sie nichts
Beim ersten Kontakt mit Hochwasser-Hinterbliebenen sollte man einfach nur zuhören und das Gesagte oder die Handlungen der Betroffenen nicht bewerten, so Gregor Doege. Durch den Verlust und die dramatischen Erlebnisse hätten viele ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit.
Es gehe darum, sie darin zu bestärken, nun wieder selbst die Zügel in der Hand zu halten. "Das klingt jetzt vielleicht seltsam. Aber wenn jemand in so einer Situation Musik hören muss, dann ist das genau das Richtige. Und dann muss man den Menschen auch darin bestärken, dass er das darf."
5. Helfen Sie den Betroffenen des Hochwassers, selbst aktiv zu werden
Freunde oder Nachbarn sollten den Betroffenen der Hochwasser-Katastrophe aktiv Hilfe anbieten. Allerdings sollten sie dabei den Betroffenen nicht zu viele Aufgaben abnehmen. Zwar gebe es einem selbst ein gutes Gefühl, etwas für die Hochwasser-Opfer zu tun, so die Notfallseelsorger. Aber je mehr man ihnen abnehme, umso mehr hätten sie mit der Zeit auch das Gefühl, nicht selbst ihr Leben zu gestalten.
Die Leute seien zwar oft sehr verzweifelt, so der Psychologe Gregor Doege. Aber die Menschen könnten, wenn man sie ein bisschen darauf hinweise, durchaus spüren, was sie für eigene Kräfte haben und worauf sie sich bei sich selbst verlassen können.