Geht es um Messengerdienste, führt in Deutschland kein Weg an WhatsApp vorbei. Das gilt auch schon für Jugendliche: 94 Prozent der 12- bis 19-Jährigen nutzen laut der aktuellen JIM-Studie regelmäßig das Chat-Programm aus dem Meta-Konzern. 84 Prozent sind sogar täglich in der App unterwegs.
Dem will das das rheinland-pfälzische Bildungsministerium nun mit "Schulchat RLP" einen eigenen Messengerdienst entgegensetzen. Über die Plattform können etwa Schülerinnen und Schüler gemeinsame Projekte organisieren, Lehrkräfte abwesenden Kindern Arbeitsaufträge erteilen oder gezielt Hinweise bei den Hausaufgaben geben.
Datenschutz steht bei Schul-Messenger im Vordergrund
Viele Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte hätten sich "ein solches Tool gewünscht", sagte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) bei der Vorstellung von "Schulchat RLP". Entwickelt hat das Land die "für die Bedarfe der Schulen optimierte Messenger-Lösung" unter Federführung des Pädagogischen Landesinstituts für knapp 800.000 Euro selbst.
Hintergrund der Landeslösung sind vor allem Fragen des Datenschutzes. "Mit dem Schulchat gibt es eine datenschutzkonforme Lösung, die die Schulen anders als WhatsApp und Co. auch offiziell verwenden dürfen", heißt es vom Bildungsministerium. Die Server stehen in Koblenz. Außerdem unterscheide sich "Schulchat RLP" durch speziell an die Schule angepasste Funktionen von den üblichen Messengerdiensten.
Pilotphase läuft - auch Transfer in andere Bundesländer möglich
Seit Beginn des Schuljahres wird "Schulchat RLP" an 230 der rund 1.600 Schulen im Land getestet. Als Teil des "Schulcampus" (siehe Kasten) kann es sowohl im Internet-Browser als auch per App genutzt werden. Schulen können die Nutzung beim Pädagogischen Landesinstitut beantragen und werden freigeschaltet - es steht ihnen aber auch frei, theoretisch andere datenschutzkonforme Plattformen zu nutzen.
"Schulchat RLP" baut auf einer Open-Source-Software auf und wurde an die besonderen Gegebenheiten des "Schulcampus" und des Schulumfeldes generell angepasst. Laut Bildungsministerium ist es auch denkbar, dass andere Bundesländer die entwickelte Lösung nachnutzen. Rheinland-Pfalz pflege hier eine intensive Zusammenarbeit mit den anderen Ländern.
Positives Lehrer-Feedback, Schülervertretung fordert Nachbesserung
Eine der Testschulen im Land ist die IGS Auguste Cornelius in Mainz-Hechtsheim. Informatiklehrer Christian Rosenthal, der die Einführung begleitet hat, berichtet von positiven Erfahrungen seiner Schülerinnen und Schüler. Die Bedienung sei durch vergleichbare Apps bekannt, die wichtigsten Funktionen würden abgebildet.
Grundsätzlich positiv sieht die Einführung auch die Landesschüler*innenvertretung (LSV) Rheinland-Pfalz. Ein einheitliches Programm an allen Schulen sei sinnvoll, um sich etwa nach einem Schulwechsel schnell eingliedern zu können. Voraussetzung sei aber, dass "Schulchat RLP" zuverlässig funktioniere, was aktuell noch nicht überall der Fall sei. Die Fehlerquellen sollten behoben werden, um "nicht mehr Probleme zu schaffen, als sie zu lösen", so die LSV.
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Keine WhatsApp-Konkurrenz - aber zu anderen Angeboten aus RLP
Die Schülerinnen und Schüler würden "Schulchat RLP" nicht als Konkurrenz für WhatsApp und Co. sehen, sondern vielmehr als Ergänzung, um schnell Nachrichten an einen bestimmten Kreis weiterzugeben, so die LSV RLP. Auch könnten Schülerinnen und Schüler so "auf einem ungezwungenen Weg mit Lehrkräften kommunizieren". WhatsApp-Chatgruppen unter den Lernenden werde es aber sicherlich weiterhin geben.
Derzeit setzen viele Schulen und auch Kitas in der "offiziellen" Kommunikation auf Insellösungen. Eine häufig genutzte Plattform ist Sdui. Das 2018 gegründete Start-up hat seinen Sitz in Koblenz und beschäftigt rund 200 Mitarbeitende. Auf SWR-Anfrage will Sdui den Einfluss der Landes-Konkurrenz nicht kommentieren, lässt aber wissen, man freue sich über jede Initiative, "innovativ und mit viel Engagement die so wichtigen und dringend benötigten digitalen Angebote für Bildungseinrichtungen zu schaffen oder zu erweitern".
Schulen müssen "Schulchat RLP" nicht verwenden
Dass Schulen in Rheinland-Pfalz den neuen Dienst nicht nutzen müssen, betonte Ministerin Hubig bei der Vorstellung. Ihr Ministerium ermuntere aber dazu: Damit verbunden sei eine finanzielle Entlastung der Schulträger, wenn statt profitorientierter Angebote auf Dienste des Landes zugegriffen werde.