Keine Einigung bei Ministerpräsidentenkonferenz

Bund lehnt Pflichtversicherung gegen Elementarschäden weiter ab

Stand

Bund und Länder haben sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin nicht auf eine Versicherungspflicht für Elementarschäden einigen können. Innenminister Michael Ebling (SPD) kritisierte die Haltung des Bundes.

"Ich finde, man hätte ausreichend Zeit gehabt, sich Lösungen zu überlegen", sagte Ebling. Rheinland-Pfalz habe 2021 eine Hochwasserkatastrophe an der Ahr in ungeahntem Ausmaße erlebt - und seitdem stehe das Thema Elementarversicherung als Pflichtversicherung auf der Tagesordnung. "Ich verstehe nicht, warum es in der Bundesregierung da keine Bewegung gibt. Da sollte das Kasperletheater mal endlich im Interesse der Menschen enden."

Länder fordern die Pflichtversicherung schon seit langer Zeit

Die Länder hatten den Bund dazu aufgefordert, eine gesetzliche Regelung zur Einführung einer bundesweiten Pflichtversicherung für Elementarschäden zu schaffen. Diese sollte auch Sturmflutschäden umfassen. Nach Vorstellungen der Länder sollen die Unternehmen jedem Hauseigentümer, der sich gegen Elementarschäden versichern will, auch einen Vertrag anbieten müssen.

Bisher finden Hausbesitzer für Gebäude in stark hochwassergefährdeten Gebieten häufig keine Versicherung, die das hohe Risiko übernehmen will. Eine solche Pflichtversicherung für Hausbesitzer fordern die Bundesländer bereits seit längerer Zeit. Die Bundesregierung hatte eine Angebotspflicht vorgeschlagen, das reiche den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer nicht aus, wie sie am Donnerstagabend erklärten.

FDP bekräftigt Ablehnung - CDU enttäuscht

Im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) seine Ablehnung einer Versicherungspflicht bekräftigt. Vertreter der CDU reagierten enttäuscht: "Ich bedauere es sehr, dass die FDP in der Bundesregierung eine Lösung blockiert", sagte etwa der hessische Ministerpräsident Boris Rhein der "Augsburger Allgemeinen".

Diese Haltung sei "falsch verstandene Liberalität", so der CDU-Politiker weiter. "Die beste Maßnahme gegen Extremwetterschäden ist ein wirksamer Klimaschutz." Aber das wirke nur langfristig. Kurzfristig müsse verhindert werden, dass Unwetter oder Stürme Menschen in den finanziellen Ruin treiben.

Länder machen Druck im Bundesrat

Am Freitag vergangener Woche hatten die Länder den Druck auf die Bundesregierung noch einmal erhöht. Der Bundesrat verabschiedete einen Entschließungsantrag, in dem er auf die jüngsten Extremwetterereignisse und Großschadenslagen durch Hochwasser verweist.

Die Länder unterstrichen darin erneut die dringende Notwendigkeit, "schnellstmöglich eine flächendeckende Elementarschaden-Pflichtversicherung einzuführen". Ziel müsse es sein, für die Betroffenen eine wirksame finanzielle Absicherung gegen die massiven materiellen Schäden zu schaffen und gleichzeitig die Steuerzahler, die für die Unterstützung nicht abgesicherter Hauseigentümer aufkommen müssten, zu entlasten. 

Die Umweltministerinnen und -minister der Länder hatten sich bereits eine Woche zuvor bei einer Tagung in Bad Dürkheim einhellig für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ausgesprochen.

Rheinland-Pfalz

Konferenz in Bad Dürkheim Bundesländer wollen Pflichtversicherung gegen Elementarschäden

Die Bundesländer pochen auf eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden - auch unter dem Eindruck der verheerenden Hochwasser in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Auch Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg für Pflichtversicherung

In Rheinland-Pfalz haben sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) klar für eine bundeseinheitliche Pflichtversicherung positioniert. In Zeiten des Klimawandels mit immer mehr Extremwetterereignissen trage sie dazu bei, die Folgekosten solidarisch zu verteilen, sagte Dreyer. Damit würde verhindert, dass Menschen zum Beispiel nach einer Flutkatastrophe vor dem finanziellen Ruin stehen. Für Dreyer war es die letzte Ministerpräsidentenkonferenz, an der sie teilnahm: Sie hatte am Mittwoch ihren Rückzug von der Landesspitze angekündigt. Auf sie soll Alexander Schweitzer folgen.

Eder betonte, es müssten nun Vorschläge auf den Tisch. Im Ahrtal etwa habe sich gezeigt, dass einige Menschen gar keine solche Versicherung bekommen oder die Preise dafür durch die Decke gingen.

Auch Baden-Württemberg drängt auf Versicherungspflicht

Auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) drängt seit Jahren auf eine Pflichtversicherung gegen Schäden, die zum Beispiel durch Hochwasser verursacht werden. Die Pflichtversicherung sei ein Gebot der praktischen Vernunft, daran führe kein Weg vorbei, hatte Kretschmann nach den Hochwassern Anfang Juni in Oberschwaben, am Bodensee, der Ostalb, im Kreis Göppingen und im Remstal betont. In Baden-Württemberg sind im Gegensatz zu anderen Bundesländern etwa 94 Prozent der Immobilien gegen Hochwasser versichert.

Was würde eine Pflichtversicherung kosten - und wen?

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stehen vor allem die Kosten. Die Preise für Elementarschadenversicherungen seien vor allem für Hausbesitzer mit besonders hohem Risiko aktuell "astronomisch hoch", sagte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger. Durch die Einführung einer Pflichtversicherung würde eine Beitragsgestaltung ermöglicht, die dafür sorgen würde, dass sich am Ende alle eine solche Versicherung leisten könnten, so die SPD-Politikerin.

Dem hält die FDP entgegen, dass durch eine Versicherungspflicht die Kosten für alle Hausbesitzer steigen würden - also auch für die, deren Immobilie nicht in einer besonders gefährdeten Region stünde. Zudem mache eine solche Versicherung das Wohnen teurer - auch für Mieter, weil die Vermieter diese Kosten umlegen dürften.

Auch für den Staat wäre eine solche Pflicht teuer, so Bundesjustizminister Buschmann: Er müsse eine Bürokratie aufbauen, um die Versicherungspflicht für rund 20 Millionen Wohngebäude zu kontrollieren.

Versicherungswirtschaft gegen Pflichtversicherung

Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ist gegen eine Pflichtversicherung, kann sich aber eine Widerspruchslösung (Opt-out) gut vorstellen. Dabei würden die Kunden angeschrieben, dass der Hochwasser- und Erdbeben-Schutz in ihre Police aufgenommen werde. Wenn sie das nicht wollten, müssten sie in einer bestimmten Frist aktiv widersprechen. Damit ließe sich der Anteil der gegen Hochwasser versicherten Haushalte von derzeit gut 50 auf 75 bis 80 Prozent schrauben, schätzt der GDV.

Naturkatastrophen verschonen Häuser doch nicht, nur weil sie versichert sind.

Drei Jahre nach der Ahrtal-Flut bekräftigten die Versicherer noch einmal ihre Forderung nach Klimafolgenanpassung und Hochwasserschutz. Eine alleinige Elementarschaden-Pflichtversicherung reiche nicht, sagte Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin, am Montag.

"Naturkatastrophen verschonen Häuser doch nicht, nur weil sie versichert sind. Es kommt darauf an, die Menschen und ihren Lebensraum vor Wetterextremen zu schützen." In einem Forderungskatalog heben die Versicherer unter anderem einen konsequenten Baustopp für Neubauten in Überschwemmungsgebieten und die Entsiegelung von Flächen hervor.

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SWR