Die Schulbuchausleihe, die das Land Rheinland-Pfalz 2010 eingeführt hat, ist ein kompliziertes System. Sie sorgt dafür, dass die Bücher mehrfach genutzt werden können. So sollen die Eltern Kosten sparen. In Mainz knirscht und knackt dieses System schon seit Jahren. Wenn die Sommerferien vorbei sind, dann stehen immer wieder Schülerinnen und Schüler ohne Bücher da. Im vergangenen Jahr hat die Stadt Mainz als Schulträger die Verantwortung auf die Verlage bzw. die Großhändler geschoben. Dort habe es logistische Schwierigkeiten gegeben.
Stadt Mainz hat EU-weites Vergabeverfahren durchgeführt
In diesem Jahr muss die EU als Sündenbock herhalten. Die Stadt kommuniziert gegenüber den Schulen, dass es durch ein neues Ausschreibungsverfahren Verzögerungen gegeben habe. Dieses Verfahren geht auf EU-Recht zurück und verlangt, dass Aufträge ab einem Wert von 215.000 Euro europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Stadt Mainz hat ein Bestellvolumen für die 43 Schulen von fast einer Million Euro, musste also ausschreiben.
Vergabeverfahren nicht Grund für verspätete Buchlieferungen
Nach Recherchen des SWR kann dieses Ausschreibungsverfahren aber nicht der Grund für die fehlenden Schulbücher sein. Denn die Stadt hatte dieses Verfahren so früh abgeschlossen, dass die Schulen bereits am 21. Juli - also am letzten Schultag - bestellen konnten. Wie sowohl Schulen als auch Buchhandlungen dem SWR versichern, reicht diese Frist von sechs Wochen in der Regel aus. Auch die Verlage und Großhändler bestätigen, dass sie eine fristgerechte Lieferung noch in den Ferien garantieren können.
Und tatsächlich sind die Lieferungen der insgesamt sieben beauftragten Buchhandlungen bereits Ende August in Mainz eingetroffen, also eine gute Woche vor Schulbeginn. Die Stadt Mainz bestätigt, dass inzwischen alle Buchhandlungen geliefert haben, die Lieferungen seien aber unvollständig. Auf Nachfrage des SWR räumen die Buchhandlungen ein, dass vereinzelt Exemplare fehlten. Das sei aber normal, weil beispielsweise falsch bestellt worden sei oder Schüler kurzfristig den Kurs wechseln würden. Der überwiegende Teil der Schulbücher sei aber in Mainz.
Schulbuchbeschaffung in RLP: Wenn die Schulbücher nicht mehr vor Ort bestellt werden
Verzögerungen bei Buchlieferung durch Dienstleister
Das lässt den Schluss zu, dass die Verteilung der Bücher an die Schulen nicht funktioniert. In Mainz ist dafür seit Jahren ein Dienstleister zuständig, der in seinem Lager in Mainz die Büchersendungen entgegennimmt, alle Bücher verleihfertig macht und sie schließlich zu den Schulen bringt.
Der Dienstleister verweist auf SWR-Anfrage an die Stadt. Dort heißt es dazu nur: "Unser Dienstleister arbeitet derzeit mit allen Kräften an der für die Schulbuchausleihe notwendigen Inventarisierung und Paketierung, damit die Schüler:innen möglichst zügig ihre Bücher erhalten." Die Schulen wurden informiert, dass die vorhandenen Bücher bis Ende der nächsten Woche bei den Schulen sein sollen. Einen genauen Zeitpunkt könne die Stadt aber nicht nennen.
Schulbuchausleihe im Landkreis Mainz-Bingen funktioniert reibungslos
Im benachbarten Landkreis Mainz-Bingen hat die Belieferung für die Schulbuchausleihe weitgehend reibungslos geklappt. Nur einzelne Bücher fehlten, heißt es von der Kreisverwaltung. Die Schulen im Kreis konnten auch nur einen Tag früher bestellen als in Mainz. Aber anders als die Landeshauptstadt hat der Kreis Mainz-Bingen keinen Dienstleister zwischengeschaltet. Etikettiert werden die Bücher von den Buchhandlungen, verteilt wurden sie von Kreisangestellten und Sekretärinnen sowie von Schülerinnen und Schülern.
Stadt Mainz will Verfahren möglicherweise verändern
Für die Zukunft verspricht die Stadt Besserung. Wie es in einer Mitteilung heißt, wird geprüft, "inwiefern das Verfahren von städtischer Seite aus im kommenden Jahr verändert werden könnte." Ob damit der Dienstleister gemeint ist, ist unklar.