Geht man im Innenraum des Mainzer Doms einige alte und steinige Stufen hinab, werden die Füße sehr schnell nass und kühl. Denn unterhalb der Außenmauern des Doms führt ein langer und dunkler Gang entlang. In diesem Gang steht man etwa bis zu den Waden im Wasser. Hier unten ist es kühl und es riecht nach feuchtem Stein.
Der Gang ist 400 Meter lang und zu Beginn etwa zwei Meter hoch und einen Meter breit. Doch je weiter man in den Tunnel hineingeht, desto niedriger wird die Decke. Gesäumt ist er von dicken Betonwänden. Faszinierend und beklemmend zugleich.
Wie in Venedig: Der Dom auf Holzpfählen
Noch vor rund 170 Jahren standen diese Gänge bis zur Decke voll mit Wasser, erzählt Dom-Restaurateur Jörg Walter. Denn der Mainzer Dom ist in eine Senke gebaut, in der sich Regenwasser und andere Feuchtigkeit sammelt - das sogenannte Schichtenwasser. In diesem Wasser standen damals unzählige Holzpfähle. Diese stabilisierten den Mainzer Dom.
Vollständig umhüllt von Wasser blieben die Holzbalken stabil und kamen nicht mit Sauerstoff in Kontakt. Denn erst in Verbindung mit Sauerstoff beginnt Holz trocken und morsch zu werden. Verhindert man dies, so bleibt das Material stabil, so Jörg Walter.
Begradigung des Rheins ließ Wasser schwinden
Dies änderte sich allerdings, als 1850 der Rhein begradigt wurde. Durch diese Begradigung strömte mehr Wasser aus den umliegenden Bodenschichten in Richtung Rhein. Dies fehlte dann im Boden, rund um die unterirdischen Gänge des Doms.
Nach und nach senkte sich der Wasserstand in den mit Holzpfählen bestückten Gängen. Der Dom bekam tiefe Risse, verlor an Stabilität und drohte sogar einzustürzen. Laut Jörg Walter seien die Schäden am Dom so groß gewesen, dass man damals sogar überlegte, ihn wegen Baufälligkeit abzureißen.
Mainzer Dom bekam Beton als neues Fundament
Doch ein Mainz ohne Dom war dann wohl doch nicht vorstellbar - und so begann man, das mehr als 1000 Jahre alte Bauwerk wieder zu stabilisieren, diesmal mit Beton. Dazu wurden die Holzpfähle Stück für Stück aus den Gängen herausgenommen. Der Boden darunter wurde dann noch einmal zwei Meter tief ausgehoben. Zum Schluss wurden die Wände und der Boden mit Beton ausgegossen.
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Meter für Meter bekam der Mainzer Dom so ein sicheres Fundament. 20 Jahre dauerte es, um den 400 Meter langen Gang mit dieser Methode neu zu stabilisieren.
Wasser bleibt ein wichtiger Indikator
Zwar steht der Dom seitdem sicher auf Beton und das Wasser ist zum Stabilisieren des Bauwerks nicht mehr nötig. Dennoch bleibt es laut Walter ein wichtiger Indikator.
Denn es zeigt, wie trocken die umliegenden Bodenschichten werden und wie schnell sich der Wasserstand im Boden reduziert. Unter anderem aufgrund langer Hitzeperioden durch den Klimawandel sinkt der Grundwasserspiegel immer weiter ab und die Böden trocknen aus. Und das könne man tatsächlich auch im Dom deutlich beobachten, sagt der gelernte Steinmetz Jörg Walter und schildert seine eigene Erfahrung.
Als der gelernte Steinmetz Jörg Walter vor rund 30 Jahren seine Arbeit hier am Dom begann, stand ihm das Wasser noch hüfthoch. Heute bedeckt es an manchen Stellen im Gang nicht mal mehr seinen Fuß.
Mainzer Dom bleibt noch viele Jahre stabil
Laut Jörg Walter könnte das Austrocknen der Bodenschichten durchaus irgendwann zu einem Problem für den Dom werden. Allerdings erst dann, wenn der Wasserstand noch viele Meter weiter sinkt - und zwar weit unterhalb die zwei Meter dicken Betonschichten des Gangs. Dann nämlich könnte der Boden unterhalb der Betonfundamente austrocken und schrumpfen.
Das sei aber ein Szenario, das noch für sehr lange Zeit nur ein Gedankenspiel bleibe, sagt Jörg Walter und ist sicher: "Wenn es soweit kommen sollte, dass das Wasser so tief sinkt, dann haben wir vermutlich ganz andere Probleme als einen instabilen Dom."
Nach jetzigem Stand dürfte der Dom also noch eine ganze Weile seinen Schatten auf die Mainzer und Mainzerinnen werfen.