Es ist eigentlich ein Termin, der für Politikerinnen und Politiker zu den angenehmeren zählt: Spatenstich eines großen Unternehmens, das etwa 1.000 Arbeitsplätze für eine Region bringt.
So wie der Spatenstich für ein Werk des Pharmaunternehmens Lilly in Alzey am Montag. Neben Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), Landeswirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor Ort.
Es waren aber auch zahlreiche Landwirtinnen und Landwirte gekommen - SWR-Reporter Joachim Wulkop sprach von 150 - 200 Bäuerinnen und Bauern, die zu Fuß unterwegs gewesen seien. Die Traktoren hätten an einem anderen Ort in der Stadt gestanden. "Sie fordern die gleichen Sachen wie die, die sie vor Monaten schon gefordert haben", erklärte Wulkop in einem SWR-Livestream.
Hup-Konzert zum Eintreffen von Scholz
Als Bundeskanzler Scholz an den Landwirten und Landwirtinnen vorbei gefahren sei, hätten diese lautstark gehupt. Entlang der Straße seien zudem Plakate aufgestellt worden, berichtete Wulkop weiter. Dem Wunsch nach einem Gespräch mit den Bäuerinnen und Bauern sei Scholz nicht entgegen gekommen. Offiziell sei dieses aus Termingründen abgesagt worden.
Thilo Ruzycki, erster Vorsitzender von "Land schafft Verbindung", hätte sich ein kurzes Gespräch mit Scholz gewünscht. Die Proteste Anfang des Jahres hätten nicht gereicht. Zwar hätten die Landwirte und Landwirtinnen etwas erreicht, doch die politische Umsetzung fehle weiterhin. Im Sommer würde es rund um die Bauernproteste ruhiger werden. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass unsere Probleme in einem halben Jahr gelöst sind", so Ruzycki.
Bauernverband: Warnsignal müsse ernst genommen werden
Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, hatte vorab geklärt, dass die Proteste zu Beginn des Jahres gezeigt hätten, wie groß die Sorgen der Branche seien. Dieses Warnsignal müsse ernst genommen werden.
Die Bundesregierung müsse schnellstmöglich Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirte und Winzer auf den Weg bringen. Die Forderungen lägen auf dem Tisch und sollten jetzt in geltendes Recht übertragen werden. Es dürfe nicht bei Absichtserklärungen bleiben, so Hartelt.
Bauern wehren sich gegen billiges Getreide aus der Ukraine
Die Bauern protestierten unter anderem gegen die fallenden Getreidepreise. Ein Grund dafür ist die Konkurrenz aus der Ukraine: Getreide von dort ist günstig, weil die EU-Länder seit Anfang des Krieges die Zölle auf ukrainische Importe aufgehoben haben. Das hat vor allem in Osteuropa zu lang anhaltenden Bauernprotesten geführt. Aber auch in anderen Ländern werden Proteste laut. Beispielsweise bei uns.
Getreidepreise für Landwirte im freien Fall
So kritisiert der Verein "Land schafft Verbindung" (LSV) die Getreideeinfuhren. Thilo Ruzycki, der Vorsitzende des LSV Rheinland-Pfalz, moniert, dass der Getreide-Import aus der Ukraine die Preise kaputt mache. So liege der Marktpreis für eine Tonne Getreide derzeit bei lediglich 150 Euro. "Wir brauchen aber 200 bis 250 Euro", so Ruzycki im SWR-Interview.
Die Landwirte seien nicht gegen eine Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. "Dies darf aber nicht auf Kosten der Getreidebauern gehen", stellt Ruzycki klar.
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Landwirte aus RLP wollen Gespräch mit Kanzler Scholz
Und hier kommt Bundeskanzler Olaf Scholz ins Spiel: Die Bauern des LSV fordern, dass sich die Bundesregierung für eine krisenfeste und sichere deutsche Landwirtschaft einsetzt. Der Besuch des Kanzlers in Alzey werde als Anlass genommen, um auf dieses Thema aufmerksam zu machen.
Ruzycki ärgert, dass der Bundeskanzler sich bislang nicht zu den aktuellen Fragen der Landwirtschaft positioniert hat. Mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) habe es hingegen schon Gespräche gegeben.
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Das US-Pharmaunternehmen Lilly investiert etwa 2,3 Milliarden Euro in den neuen Standort in Alzey. Das ist nicht nur wichtig für den Wirtschaftsstandort Rheinhessen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht von einem "tollen Signal".
Teilnahme-Anfragen von Handwerkern und Spediteuren
Im SWR-Interview machte der LSV-Vorsitzende vorab deutlich, dass die Landwirte friedlich demonstrieren wollen und keine Blockade planen. "Kanzler Scholz muss keine Angst vor uns haben." Es gebe auch Anfragen von Handwerkern und Spediteuren, die sich dem Protest anschließen wollten. Ruzycki betont aber, dass man Scholz vor allem auf die Probleme der Landwirtschaft aufmerksam machen wolle. Von pauschalen Slogans wie "Die Regierung muss weg" distanziere sich der LSV.
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Landwirte des LSV bekommen Unterstützung beim Protest
Unklar ist, wie viele Landwirtinnen und Landwirte von anderen Vereinen und Verbänden in Rheinland-Pfalz bei der Demo mitgemacht haben. Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd rechnete laut Pressesprecher Andreas Köhr vorab damit, dass sich Mitglieder an der Aktion beteiligen. Auch er betonte die friedliche Natur des Protests: "Es geht darum, die Gelegenheit zu nutzen, die Landwirtschaft und die in den vergangenen Monaten gestellten Forderungen vor Bundeskanzler Scholz sichtbar zu machen."