Nach rundem Tisch

Sexualisierte Gewalt: Hochschule Ludwigshafen plant große Umfrage

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Autor/in
Nancy Lau
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Einer nicht-repräsentativen Umfrage an der Hochschule Ludwigshafen zufolge sind dort Studentinnen Opfer von sexualisierter Gewalt geworden. Jetzt will die Hochschulleitung die Vorfälle aufklären.

Die Hochschulleitung und ein studentischer Arbeitskreis haben am Montag über wirkungsvollere Maßnahmen gegen sexualisierte Gewalt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen (HWG) beraten. Anlass war das Ergebnis einer Umfrage unter 112 Studierenden, darunter 22 Männer, bei der es um Übergriffe an der Hochschule ging.

Hochschule Ludwigshafen will neue Umfrage

Jetzt steht fest: Die Hochschule will eine neue Umfrage in Auftrag bei einem unabhängigen Institut beauftragen. So sollen mehr Studierende erreicht und die Ergebnisse repräsentativer werden. Außerdem soll es bessere Informationen geben, welche Hilfen es für betroffene Studierende an der Hochschule gibt. Ergebnis der aktuellen Umfrage war, dass nur Studentinnen von Belästigungen betroffen waren. Darüber hinaus soll es sogenannte Vertrauensstudierende als erste Ansprechpartner geben. Schließlich soll es schon bei der Begrüßung der Erstsemester Infos zu dem Thema geben.

"Ich stand mit einigen Kommilitoninnen auf dem Balkon der Fachschaft. Ein Kommilitone (...) starrte mir in den Ausschnitt und sagte laut: "Dein BH ist dir wohl etwas zu klein!" Dabei lachte er und ich versuchte, schlagfertig zu antworten", so beschrieb eine Studentin eine Erfahrung an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen.

Sarah Kuntermann, Hochschule Ludwigshafen

Hintergrund der Umfrage

Seit März gibt es an der HWG einen studentischen Arbeitskreis gegen sexualisierte Gewalt und Sexismus. Der Arbeitskreis organisierte dann die Umfrage. Er will sich gegen das wehren, was an der Hochschule passiere, sagte er dem SWR. Konkret habe folgender Spruch zur Gründung des Arbeitskreises geführt: "Ich mach dich betrunken und knall dich ab." Das sei einer Studentin direkt ins Gesicht gesagt worden, schildert Sarah Kuntermann, die im Arbeitskreis tätig ist.

Berichte über Morddrohungen, Stalking und sexuelle Belästigung

Ein Ergebnis der Umfrage war, dass viele der Befragten bereits verbale oder physische Übergriffe durch Kommilitonen erlebt haben. Kuntermann sagte, bei der Umfrage habe es auch die Möglichkeit gegeben, Erfahrungen zu schildern. Berichte dazu seien ausschließlich von Frauen gekommen. Es sei von Morddrohungen, Stalking, sexueller Belästigung, Übergriffen und Anfassen gesprochen worden.

Das Ergebnis habe sie nicht überrascht, sagt Studentin Sarah Kuntermann. "Sexualisierte Gewalt ist gesamtgesellschaftlich leider sehr weit verbreitet und auch aus persönlichen Gesprächen mit Kommilitonen kriegt man ständig mit, dass mal da oder dort was passiert ist."

Bei mehreren Gelegenheiten kamen die Studentinnen über die Probleme ins Gespräch. Es ergaben sich viele Überschneidungen in den Erzählungen. Das war für den Arbeitskreis der Anlass, die Umfrage zu machen.

Umfrage: Sexualisierte Gewalt auch durch Dozenten

Knapp jede vierte Studentin unter den 112 Befragten sei von sexualisierter Gewalt betroffen. Nicht nur durch männliche Studenten, sondern auch durch Dozenten. Laut Kuntermann haben viele Befragte auch angegeben, dass sie andere kennen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Kuntermann gehe deshalb von einer sehr hohen Dunkelziffer aus. 40 Prozent der Befragten hätten angegeben, dass sie die Angebote der Hochschule, die jeder als Opfer nutzen kann, gar nicht kennen. Die Ergebnisse der Umfrage sind im Rahmen einer Aktionswoche an der Hochschule veröffentlicht worden.

Hochschule reagiert auf Ergebnisse der Umfrage

"Wir bedauern, dass bei der Umfrage solche Ergebnisse rauskamen."

Die Kanzlerin der Hochschule Carolin Nöhrbaß sagte dem SWR, sie bedaure die Ergebnisse der Umfrage. Nöhrbaß zufolge ist die Hochschule ein Spiegel der Gesellschaft und kämpfe mit den gleichen gesellschaftlichen Problemen, wie außerhalb des Campus. Sie nehme die Umfrage ernst und werde dem Problem nachgehen.

HWG Ludwigshafen: Richtlinie zur Gleichbehandlung

2018 hat die Hochschule laut Nöhrbaß eine Richtlinie zur Gleichbehandlung und Antidiskriminierung verabschiedet und dieser Richtlinie unterliegen alle Hochschulmitglieder, auch alle Studentinnen und Studenten. Sobald der Hochschule ein Fall von Diskriminierung vorgetragen werde, werde sie tätig. Aber kein einziger Fall von den Fällen aus der Umfrage sei der Hochschule gemeldet worden.

"Es ist uns tatsächlich kein Fall gemeldet worden. Wir haben bei diesen Stellen nachgefragt, und die haben gesagt wir kennen diese Fälle nicht."

Hochschule Ludwigshafen bietet viele Anlaufstellen

Die Hochschule selbst biete viele Anlaufstellen, sagt Nöhrbaß. Es gebe Vertrauensdozenten, eine Gleichstellungsbeauftragte, Studiengangsmanager und -managerinnen, eine Diversity-Managerin, eine Hochschulseelsorgerin und einen Sozialdienst des Studierendenwerks. Dass sexualisierte Gewalt an der Hochschule ein Thema ist, sei ihr in diesem Ausmaß nicht bekannt gewesen, meint Nöhrbaß.

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