Weshalb gibt es in Rheinland-Pfalz so viele Autos? Was bräuchte es, um mehr Menschen zum Umstieg auf andere Verkehrsmittel zu bewegen? Viele Fragen, über die ich mit Menschen sprechen möchte, die selbst betroffen sind.
So viele Autos wie noch nie Rheinland-Pfalz mit zweithöchster Pkw-Dichte in Deutschland
In Deutschland waren vergangenes Jahr so viele Autos zugelassen wie noch nie. Nur in einem Bundesland ist die Pkw-Dichte dabei höher als in Rheinland-Pfalz.
Der ÖPNV sei das Problem, erzählen mir viele, darunter Matthias Scheiter. Ich treffe ihn vor der KfZ-Zulassungsstelle in Bad Dürkheim. Der Kreis hat mit 690 Pkw auf 1.000 Einwohner nach dem Kreis Südliche Weinstraße die meisten zugelassenen Autos. Auch Matthias Scheiter hat Zulassungspapiere in der Hand. Er sagt, er sei gehbehindert und daher aufs Auto angewiesen, außerdem sei sein Wohnort abgelegen. Die einzige Möglichkeit für ihn, ohne Auto auszukommen: Umziehen. Aber das will er nicht.
Viele wollen nicht aufs Auto verzichten, oder können nicht
Unternehmer Karlheinz Reeg aus Landau sieht vor allem die wachsende Anzahl an Firmenfahrzeugen als Grund für die zunehmende Pkw-Dichte in Rheinland-Pfalz. Als Inhaber eines Zulassungsdienstes bekomme er viel mit, sagt er. Vor allem Motorradzulassungen seien in den letzten Jahren eingebrochen, besonders bei jungen Leuten. Privat will er nicht aufs Auto verzichten, denn er hat schon schlechte Erfahrungen mit der Bahn gemacht, die Verbindungen seien oft mit Umwegen und Baustellen verbunden.
Im Gespräch mit anderen Kunden der Zulassungsstelle nennt ein Mann außerdem hohe Preise und lange Fahrtzeiten mit Bussen und Bahnen als Motivation zum Autokauf. Er selbst sei gerade aus Stuttgart hergezogen und habe seinen Pkw dort kaum verwendet, in der Pfalz sei das anders.
Bahntickets teurer als Sprit?
Etwas positiver denkt Steffen Michler. Beruflich sei er vom Auto abhängig, privat besitze er gleich mehrere Autos. Bei Urlaubsfahrten suchten er und seine Familie dennoch nach Zugverbindungen. Aber die Tickets seien bei mehreren Personen meist deutlich teurer als die Fahrt mit dem Auto. Zu Hause komme er allerdings auch zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurecht, so der Bad Dürkheimer. Menschen auf dem Land hätten es da deutlich schwerer.
Wie funktioniert Mobilität auf dem Dorf?
Und wie geht es den Leuten auf dem Dorf, die für jeden Arzttermin oder Einkauf weite Strecken auf sich nehmen müssen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, fahre ich aufs Land, genauer gesagt nach Frankweiler (Kreis Südliche Weinstraße). Auf den ersten Blick wirkt der Ort wie ein typisches Pfälzer Dorf. Die Gegend für die rund 800 Einwohner ist ruhig, zahlreiche Weingüter prägen das Straßenbild - aber auch jede Menge Autos.
Autos: auf dem Land unverzichtbar
Die Autos seien auf dem Land wichtig, sagt Ortsbürgermeister Bernd Nerding (FWG). Die größere Pkw-Dichte sei dem Wandel der Lebensverhältnisse geschuldet. Bei zwei berufstätigen Eltern und einem schulpflichtigen Kind reiche ein Auto schlicht nicht mehr aus, vor allem nicht auf dem Land. Dem öffentlichen Nahverkehr in Frankweiler stellt Nerding kein gutes Zeugnis aus: Der stündlich verkehrende Bus sei auf beiden Linien meist leer, Einheimische würden diesen kaum nutzen, außerdem fahre er zu selten. Und das obwohl die Haltestellen des Busses von jedem Punkt im Dorf zu Fuß in zehn Minuten erreichbar sind, wie ich im Internet recherchiere.
Der Bus fährt zu selten, gerade abends und am Wochenende
Gerade für Senioren könnten diese zehn Minuten allerdings schon zu viel sein, denn von älteren Fahrgästen weiß der Bürgermeister nichts. Senioren seien meist auf Nachbarschaftshilfe oder ihre Angehörigen angewiesen.
Ein schneller Halt beim Supermarkt auf dem Arbeitsweg oder eine abendliche Unternehmung sei auch für jüngere Menschen nicht oder nur schwer möglich. Der letzte Bus fahre um 20 Uhr, am Sonntag seien gerade einmal vier Verbindungen vorhanden.
Kampf für eine weitere und bessere Buslinie
Winzer Andreas Müller sieht den ÖPNV in Frankweiler auch kritisch. Bei meiner Orientierungstour durch das Dorf treffe ich ihn vor seinem Weingut. Die Busse seien "faktisch nicht nutzbar", individuelle Mobilität damit unverzichtbar. Die Nachbardörfer seien besser angebunden. Das bestätigt auch Bürgermeister Nerding. Besonders nach Edenkoben und Neustadt fehlten für Frankweiler Verbindungen, der Ort mache sich für eine weitere Buslinie stark.
Selbstversuch: Busfahren in Frankweiler
Ist die Situation tatsächlich so dramatisch? Ich mache den Selbstversuch und fahre mit dem Bus quer durch Frankweiler. Bereits beim Fußmarsch zur Haltestelle fällt auf, dass das Dorf nicht für den Fußgängerverkehr ausgelegt ist. Die engen Gassen des Winzerorts erlauben keinen Platz für Gehwege, selbst auf der Hauptstraße wird es eng. Dann ist das Haltestellenschild in Sicht – viel mehr gibt es allerdings nicht. Nach einer Wartebank oder gar einem Dach zum Schutz vor Regen und Wind suche ich vergeblich. Lediglich ein gedruckter Fahrplan hängt aus - ein Display zur Anzeige eventueller Störungen: Fehlanzeige.
Busse meist leer auf dem Dorf
Um 12:05 Uhr wird's tatsächlich wuselig in Frankweiler: Aus dem beschaulichen Dorf wird ein echter Verkehrsknotenpunkt! Insgesamt drei Busse begegnen sich vor dem Rathaus. An der Haltestelle Richtung Ramberg wartet sogar eine junge Frau. Jeden Tag fahre sie mit dem Bus, ohne Führerschein sei das alternativlos, sagt sie. Sie komme zurecht, trotz des dünnen Takts in ihrem Heimatdorf. Schließlich steige ich in den Bus in Richtung Landau ein. Außer mir tut das niemand. Zu viert sind wir im Bus – inklusive Fahrerin. Diese meint, die Linie sei ab und zu durchaus frequentiert, meistens aber fast leer, so wie jetzt.
Zielsicher manövriert sie den großen Bus durch die kleinen Gässchen. Fraglich ist, ob man auf einer solchen Linie überhaupt derart große Fahrzeuge braucht. Mithilfe kleinerer Busse ließe sich vielleicht auch ein besserer Takt finanzieren. Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) schreibt auf SWR-Anfrage, dass die Busse primär für die Beförderung von Schulkindern ausgelegt seien. Es lohne sich nicht, für den Rest des Tages kleinere Busse einzusetzen.
Nach einigen Minuten endet meine Busfahrt im Norden des Dorfes, wieder ist die Haltestelle ohne Dach, wieder ist sie menschenleer. Busfahren in Frankweiler – ein einsames Unterfangen. Nach dem Aussteigen treffe ich auf Annette Jäger, die gerade mit ihrem Baby im Kinderwagen spaziert. "Ich fahre schon viel mit dem Fahrrad", sagt sie. Aber bei schlechtem Wetter sei sie ohne Auto auf den ÖPNV angewiesen.
Auf dem Land fehlen oft Radwege
Gerade das Fahrradfahren wird auf den Verbindungsstraßen zwischen den Orten zur Herausforderung, nicht zuletzt durch fehlende Radwege auf dem Land. Das kritisiert der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Rheinland-Pfalz. Der Geschäftsführer Robert Wöhler fordert unter anderem eine bessere Verknüpfung von Rad und öffentlichem Nahverkehr, etwa durch mehr Möglichkeiten, das Fahrrad in Bussen und Bahnen mitzunehmen.
Forum Dämpfer für die Mobilitätswende – Warum sind E-Autos so unbeliebt?
Geli Hensolt diskutiert mit
Lisa Bohm, Unternehmensberaterin für E-Mobilität, Rellingen
Professor Claus-Christian Carbon, Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre, Uni Bamberg
Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Muss es immer ein Verbrenner sein?
Sowohl bei vielen Kunden der Zulassungsstelle in Bad Dürkheim, als auch unter den Bewohnern in Frankweiler herrscht Einigkeit über die Alternativlosigkeit des Autos. Muss es aber immer gleich ein Verbrenner sein? Bürgermeister Nerding sagt, dass es nahezu keine Elektrofahrzeuge im südpfälzischen Frankweiler gebe. Wer eines hat würde es nur für kleine Strecken nutzen. Ich entdecke aber allein drei Elektroautos an diesem Tag im Ort, zwei davon sogar mit passabler Reichweite. Abends könnten es auch mehr sein.
Ladesäule für E-Autos in Gleisweiler
Im Nachbarort Gleisweiler gibt es nach Angaben von Bürgermeister Nerding eine Ladesäule für E-Autos, diese werde aber kaum genutzt. Auf dem Heimweg fahre ich durch den Ort, der etwas fußgängerfreundlicher wirkt. Die genannte Ladesäule steht vor der Freiwilligen Feuerwehr, laut den Zählern wurden insgesamt rund 14.000 Kilowattstunden geladen, seit die Säule vor knapp zwei Jahren in Betrieb genommen wurde. Bei einer durchschnittlichen Akkugröße von 60 Kilowattstunden entspricht das immerhin über 230 Vollladungen, was auf eine regelmäßige Nutzung schließen lässt.
Wenig E-Autos unterwegs - Bürger kritisieren Wegfall staatlicher Förderung
Auch in Frankweiler zeigen sich Dorfbewohner offen für den Kauf von Elektrofahrzeugen. Sie kritisieren allerdings den hohen Kaufpreis und dass es beim Kauf eines E-Autos keine staatliche Förderung mehr gibt. Bei Winzer Andreas Müller scheitere es aktuell noch am unzureichenden Angebot für Nutzfahrzeuge mit E-Antrieb, sagt er. Im Weinbau werde häufig mit alten Fahrzeugen gearbeitet. Auf dem Dach seines Weinguts befindet sich allerdings bereits eine große Photovoltaikanlage, die den Betrieb elektrisch betriebener Fahrzeuge auch wirtschaftlich attraktiv machen könnte.
Fazit der Recherche
Nach meiner Recherche und dem Selbstversuch kann ich zusammenfassen: Autos gelten in der Pfalz, zumindest auf dem Dorf, weiterhin als unverzichtbar. Die Menschen empfinden den ÖPNV als unzuverlässig, umständlich und zu teuer. Es gibt wenig Anreize, das Auto stehen zu lassen und auf Busse und Regionalbahnen umzusteigen. Bus fährt nur, wer wirklich keine andere Alternative hat. Manche Anwohner reagierten sogar überrascht auf die Frage nach den Busverbindungen - sie wissen schlichtweg nichts darüber.
Auslastung der Buslinien wird geprüft Eder: Keine pauschale Kürzung des Bus-Angebots im ÖPNV in RLP
Im rheinland-pfälzischen ÖPNV soll das Bus-Angebot nicht pauschal gekürzt werden. Das hat Mobilitätsministerin Katrin Eder (Grüne) klargestellt.
Busverkehr wird eher noch ausgedünnt laut Umweltministerium
E-Autos sind auch eher eine Seltenheit. Damit in den ländlichen Regionen in der Pfalz, ein Umdenken stattfinden kann, müsste man deutlich mehr Geld in den Nahverkehr stecken. Doch die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne), erklärte selbst bei einer Sondersitzung des Landtagsausschusses für Klima, Energie und Mobilität, dass es an manchen Orten im Land zu einer Reduzierung des Linienbusverkehrs kommen wird. Denn trotz eines massiven Anstiegs der Ausgaben für den ÖPNV im Landeshaushalt, reichten die Mittel nicht aus, um alle Kostensteigerungen komplett aufzufangen.
Dass die Pfälzer auf dem Land oder in Frankweiler auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, ist in naher Zukunft also unwahrscheinlich.