Die Turnhalle in Hambach war am Montagabend voll besetzt. Viele Anwohner aus dem Stadtteil Hambach, aber auch andere Neustadter waren gekommen, um über die Demos von "Die Weißen", wie sich die Bewegung nennt, zu informieren. Es seien einerseits Kritiker der Demos da, die fragten, warum die Stadt das nicht einfach verbiete, stellte Neustadts Oberbürgermeister Marc Weigel (FWG) am Anfang fest. Andererseits seien auch Anmelder der Demos da, die Auflagen kritisierten.
OB Weigel: "287 Demos seit Beginn der Pandemie, das nervt"
Der Oberbürgermeister machte auch gleich klar: "Die schiere Zahl von Versammlungen, 287 sind es seit Beginn der Corona Pandemie, das nervt". Denn die Demonstranten ziehen jeden zweiten Sonntag laut trommelnd durch den Ortstteil Hambach hinauf zum Schloss. Mit dem Info-Abend verfolge die Stadt nicht nur die Absicht, dass sich alle "auskotzen dürfen", so Weigel, "sondern dass wir klären, wer ist das eigentlich, der sich da anmeldet."
"Reichsbürger sind in der Mitte der Bewegung"
Das übernahm dann Kristian Buchna, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Hambacher Schloss. Er ging auf die Geschichte des Hambacher Schlosses mit dem Hambacher Fest 1832 als Sinnbild der Demokratiebewegung ein. Und er machte deutlich, dass radikale Systemkritiker diesen Symbolort bereits seit 1970 immer wieder nutzen, um auf Demos ihre Ideologien zu verbreiten.
Deshalb habe es bereits in den 1970er Jahren eine Satzung gegen die Vereinnahmung des Hambacher Schlosses durch Links- und Rechtsextremisten gegeben. Laut Buchna sind unter den Demonstranten in Hambach zumindest Sympathisanten der Reichsbürgerbewegung. Die verstehe sich als Widerstandsbewegung, mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen und das Kaiserreich wieder herzustellen.
Demonstranten verbindet radikale Systemkritik
So seien bei solchen Kundgebungen Fahnen in den Farben schwarz, weiß, rot, zu sehen - die Farben von 1871, die die Reichsbürgerbewegung benutze. Auch die verkehrt herum gezeigte Deutschlandflagge als Symbol radikaler Systemkritiker werde dort regelmäßig gezeigt, so Buchna. Und er wies auch daraufhin, dass Slogans wie "White Lives matter" hier eine Rolle spielen könnten, die von amerikanischen Neonazis und radikalen Rassisten stammen. Und weiter:
Ortsvorsteherin von Hambach ruft zum Widerstand auf
Die Ortsvorsteherin von Hambach, Gerda Bolz (CDU), beschrieb die Stimmung in dem Stadtteil am Fuße des Hambacher Schlosses so: "Am Anfang der Versammlungen stand ein Erstaunen, dann gab es Wut über die sonntäglichen Lärmbelästigungen durch die Trommelaktionen. Die Wut wurde immer größer."
Dann hätten sich die Bewohner zunehmend gefragt: "Was wollen die hier eigentlich?" Inzwischen habe sich hier ein "Bündnis gegen Rechts" gebildet und man sei sich einig: "Wir müssen aufstehen, wir müssen etwas sagen, tun", findet Ortsvorsteherin Bolz. Sie rief am Infoabend dazu auf, am 20. Mai an einer Kundgebung gegen Rechts teilzunehmen. Es sei geplant, eine Menschenkette vom Hambacher Schloss bis zum Rathaus zu bilden.
Ordnungsamt: Neustadt lässt "keineswegs alles laufen"
Bürgermeister Stefan Ulrich, in Neustadt zuständig für Sicherheit und Ordnung, unterstrich, dass die Verwaltung keine Möglichkeit habe, die sonntäglichen Demos der Weißen zu verbieten. Die Versammlungsfreiheit sei gesetzlich ein hohes Gut, so Ulrich: "Wir genehmigen keine Versammlungen, sondern die müssen bei uns nur angemeldet werden."
Die Stadt lasse aber keineswegs alles einfach laufen, so wie einige Bürger es ihr vorwerfen würden. Seine Behörde habe zahlreiche Auflagen erlassen. So habe die Stadt etwa die Zahl der Trommler auf den Sonntagsdemos durch Hambach reduziert, bestätigt durch das Verwaltungsgericht. Und es gebe auch Auflagen, damit der Besuch und die Gastronomie auf dem Hambacher Schloss nicht zu sehr durch die Demos gestört würden.
Polizei Neustadt: "Wir haben die Versammlung zu schützen"
Auch der Leiter der Polizeidirektion Neustadt, Harald Brock, verdeutlichte die Aufgabe der Polizei mit den Worten: "Unsere Rolle ist eine neutrale. Wir haben die Versammlung zu schützen." Es werde im Vorfeld der Demos aber abgefragt, ob die Anmelder bereits polizeilich bekannt seien.
Außerdem würde man vorab mit den Anmeldern sprechen. Ansonsten sei die Aufgabe der Polizei, die Demos abzusichern. Bisher habe es bei diesen Kundgebungen ein "verschwindend geringes Aufkommen an Straftaten" gegeben.
Infoabend in Hambach: Viele Bürger stellen Fragen
Viele der anwesenden Anwohner aus Hambach nutzten die Gelegenheit, um Fragen zu stellen. Ein Mann fragte etwa, wie es sein könne, dass Leute die erkennbar die Demokratie abschaffen wollten, keinen rechtlichen Widerstand durch die Stadt bekämen.
Eine Anwohnerin betonte, dass es ja auch ein Recht auf Sonntagsruhe gebe. Und weitere Hambacher sahen ihre Rechte durch den Trommellärm und das illegale Filmen ihrer Vorgärten bedroht. Außerdem wurde der Oberbürgermeister aufgefordert, politisch eindeutig Stellung zu beziehen.
Bereits Befangenheitsantrag gegen Weigel gestellt
Marc Weigel machte in seinen Antworten deutlich, dass das Versammlungsrecht meist über den Rechten der Anwohner stehe. Illegale Filmaufnahmen von Vorgärten würden aber beispielsweise von der Polizei verfolgt.
Er als Verwaltungschef sei zu politischer Neutralität verpflichtet. In dieser Sache sei bereits ein Befangenheitsantrag gegen ihn gestellt worden. Aber der FWG-Politiker sagte auch: "Das, was sich in Neustadt seit Jahren abspielt, ist für uns absolut beschämend und ich wünsche mir das anders. Dennoch ist eine korrekte Handhabe der Auflagen nötig."
Demoaufzüge durch Hambach ab Juli wöchentlich
Die Demonstrationsaufzüge sind laut Weigel ab Juli nicht mehr zweiwöchentlich, sondern wöchentlich angemeldet. Damit steige die Belastung für die Anwohner und für das Hambacher Schloss. Dort seien die Gastronomie und die Besucher der Demokratieausstellung von den Demos gestört und beeinträchtigt.
Die Stadt überlege deshalb, ob und wie sie die Frage der Verhältnismäßigkeit dieser Demos durch die oberste Rechtssprechung prüfen könne, so der Neustadter Oberbürgermeister. Es gehe um die Frage, dass hier einige wenige meinten, sie könnten auf Kosten der Meinungsfreiheit allen auf der Nase herumtanzen, so Weigel. Er könne hier aber nichts versprechen
Hambacher Schloss: Drei Großdemos im Mai angemeldet
Was die Neustadter an Großdemos erwartet, wurde ebenfalls klar: Neben den wöchentlichen Demonstrationszügen durch den Stadtteil Hambach, hat die Initiative Hambach24 neben anderen Gruppierungen für den 19. Mai auch eine Großkundgebung zum Hambacher Schloss mit mehr als 1.000 Teilnehmern bei der Stadtverwaltung angemeldet.
Der Verein "Neustadt gegen Fremdenhass" veranstaltet einen Tag früher, am 18. Mai eine Kundgebung unter dem Motto "Neustadt bleibt bunt" mit 1.000 angemeldeten Teilnehmenden. Und das "Bündnis gegen Rechts" hat für den 20. Mai ebenfalls 1.000 Teilnehmende für eine Kundgebung mit Menschenkette vom Rathaus bis zum Hambacher Schloss angemeldet.
Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels haben wir von geplanten Demonstrationen jeden Sonntag berichtet, möglicherweise wechseln die Veranstalter aber den Wochentag. Offiziell tritt jetzt eine "Initiative Hambach24" als Veranstalter auf.